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Editorial Finanzen Recht

Die Coronakrise als Chance für den Rechtsmarkt?

04.09.2020
von SMA

Luca E. Fábián MLaw UZH

Luca E. Fábián, MLaw UZH

Exakt 192 Tage ist es her, seit man in der Schweiz den ersten Coronafall offiziell bestätigt hat. Was sich seither eingestellt hat, darf getrost als Ausnahmezustand bezeichnet werden – auch für das Recht. Denn selten zuvor hat sich das Recht derart dynamisch verändert wie in den letzten Monaten. Und selten zuvor standen Sie, liebe Leserinnen und Leser, in solchem Masse vor der Herausforderung, sich über die teilweise täglich ändernde, oftmals unklare Rechtslage zu informieren und Ihren Alltag oder Ihre betrieblichen Abläufe entsprechend anzupassen. Unzählige Menschen und Unternehmen sahen sich mit komplexen rechtlichen Fragestellungen konfrontiert und gerieten nicht selten in existenzielle Schwierigkeiten.

Herausforderungen

Guter rechtlicher Rat tat also Not – und tut es noch immer. In einer Zeit erheblicher Unsicherheit in weiten Teilen der Bevölkerung und der Wirtschaft fehlen aber oft die finanziellen Mittel für professionelle rechtliche Unterstützung. Betroffenen droht, vom Zugang zum Recht abgeschnitten zu werden – ein unhaltbarer Zustand. Erfreulicherweise zeigten neben vielen anderen aber auch Juristinnen und Juristen grosse Solidarität in der Krise. So offerierten beispielsweise zahlreiche Kanzleien im Rahmen der Initiative Legal Solidarity kostenlose Beratungen. Selber durfte ich beim Aufbau der gemeinnützigen Plattform www.corona-legal.ch mitwirken. Dank dem Engagement unzähliger Freiwilliger sowie erfahrener Anwältinnen und Anwälte konnten über diese niederschwellige, voll digitalisierte Anlaufstelle hunderte kostenlose, teilweise umfangreiche Beratungen in Rechtsfragen mit Coronabezug erbracht und damit effektive Hilfestellungen in der Krise geleistet werden. Von berührenden Einzelschicksalen über KMU bis hin zu Grossunternehmen hatten die Rechtsuchenden dabei viele Gesichter.

Unzählige Menschen und Unternehmen sahen sich mit komplexen rechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Luca E. Fábián, MLaw UZH, Initiator corona-legal.ch

Auch wenn in absehbarer Zeit wieder Normalität einkehren sollte: Der in der Coronakrise besonders deutlich gewordene Bedarf nach bezahlbaren, orts- und zeitunabhängig zugänglichen, konsequent an den heutigen Kundinnen- und Kundenbedürfnissen ausgerichteten Rechtsdienstleistungen wird bleiben. Die Digitalisierung bietet diesbezüglich ein enormes Potenzial, das noch längst nicht ausgeschöpft ist. Doch die Zeichen stehen gut, dass gerade die Coronakrise gewissermassen als Katalysator einen Digitalisierungsschub in der Rechtsbranche auslösen wird. Unter dem Stichwort Legal Tech entstehen neue, innovative Plattformen und Dienstleistungen. Von denen werden Sie auf den folgenden Seiten noch lesen.

Die Rechtswelt im Wandel

Damit einher gehen oft Geschäftsmodelle, die verstärkt auf Preistransparenz bis hin zu Fixpreisen setzen, was Ihnen als Kundin oder Kunde Planungssicherheit gibt. Die wachsende Disziplin des Legal Design sorgt derweil dafür, dass diese neuen Angebote so nutzerinnen- und nutzerfreundlich wie möglich daherkommen. Und sogar im Gerichtswesen, das gemeinhin nicht unbedingt als Innovations-Hotspot gilt, tut sich etwas in Sachen Digitalisierung: So sollen mit dem Projekt Justitia 4.0 die elektronische Aktenführung und der elektronische Rechtsverkehr ermöglicht werden.

Wie Sie sehen, steht das Rechtssystem mit all seinen Akteurinnen und Akteuren vor tiefgreifenden Umbrüchen, deren Notwendigkeit angesichts der Coronakrise sichtbarer denn je wurde. Ich bin überaus optimistisch, dass diese Veränderungen eine grosse Chance darstellen und den Zugang zum Recht stärken werden – was auch Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zweifellos zugutekommen wird. Und nun wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre.

Text Luca E. Fábián, MLaw UZH, Initiator corona-legal.ch

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