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Für immer Single?

19.07.2021
von Jenny Kostoglacis

Das gefürchtete S-Wort. Single. Die Angst davor, für immer und ewig allein zu sein und nie zu erfahren, was romantische Liebe bedeutet, bedrückt sehr viele. Dabei kann das Singledasein eine unglaublich schöne und wertvolle Erfahrung sein.

Viele Menschen sträuben sich gegen das Singlesein. Verständlich. Ob Mann oder Frau – niemand möchte sich dem Klischee der alleinstehenden Katzenlady beugen. Es wundert also nicht, dass der partnerlose Status häufig als etwas Negatives aufgefasst wird. Frau Isabelle Bättig-Zehr, Fachpsychologin für Psychotherapie und eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, erklärt die negative Haltung gegenüber dem Singlesein: «Single zu sein kann dafür sorgen, dass wir im Konflikt zu unserem Bedürfnis nach innigen Bindungen stehen. Wird man bei der Partnersuche mit Ablehnung konfrontiert, kann das Singlesein sogar als Bedrohung für unseren Selbstwert wahrgenommen werden. Daher ist es wenig erstaunlich, dass mit dem Singlesein negative Gefühle assoziiert werden.»

Es beginnt beim «Ich»…

Sich Gedanken über sich selbst zu machen und herauszufinden, was man vom Leben erwartet, hilft Licht ins Dunkel zu bringen. Was also zählt, ist, dass man als Mensch, unabhängig davon, ob man Single oder vergeben ist, sich über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche klar wird. Nur so schafft man es übergreifende Sicherheit und Klarheit im eigenen Leben zu finden. Unter anderem heisst das auch, sich zu fragen, wieso das Alleinsein einem selbst so schwerfällt. «Es macht deshalb häufig Sinn, sich zwischen den Beziehungen Zeit für sich zu nehmen, um zu reflektieren:

Was hat mir in der vergangenen Beziehung gefehlt?

Und was ist mir generell wichtig in einer Beziehung? Was habe ich daraus gelernt? Habe ich auch einen Anteil daran, dass es vielleicht nicht funktioniert hat? Möchte ich mir etwas für die nächste Beziehung vornehmen? Antworten auf diese Fragen helfen, neu eingegangene Beziehungen tragfähiger zu gestalten und diese nicht beim ersten Konflikt gleich wieder zu beenden», erläutert Bättig-Zehr. Tatsächlich ist es so, dass generell zufriedenstellende und erfüllende Beziehungen zu einer höheren Lebenszufriedenheit führen. Was viele vergessen, ist, dass dazu genauso Freundschaften und nicht nur romantische Beziehungen gehören. Man sollte das Singlesein also auf keinen Fall als unerfüllten und unglücklichen Zustand abstempeln.

…und geht weiter zum Umfeld 

 «Ach, du findest schon noch jemanden!», «Kopf hoch, die oder der Richtige ist sicher irgendwo da draussen». Es gibt sie immer: Leute, die einen versuchen zu trösten, bloss weil man Single ist. Solche Äusserungen sind Beweis dafür, wie stark und lange schon ein negatives Bild des Singledaseins in unserer Gesellschaft verankert ist. Oftmals sind solche Kommentare abhängig davon, wie man selbst vom Singledasein berichtet, aber genauso wie das Gegenüber vom Singledasein denkt. «Meistens sagt Ihr Gegenüber nicht aus böser Absicht so etwas, sondern vielleicht aus Hilflosigkeit oder Unwissenheit heraus. Wenn Sie erzählen, wie schwierig es ist eine:n Partner:in zu finden, dann löst dies vielleicht im Gegenüber den Wunsch aus, Sie zu trösten. Wenn Sie aber erzählen, wie Sie Ihren Interessen nachgehen und es geniessen, nicht in einer Beziehung zu sein, dann ist es wichtig, dass Sie auch dazu stehen und klar ausdrücken, dass Sie gerne Single sind», so Bättig-Zehr.

Klarheit in der Kommunikation schaffen

Statt also die Faust im Sack zu machen, wenn man sich unverstanden fühlt, sollte Bewusstsein geschaffen werden, indem man klar und offen kommuniziert. «Wichtig dabei ist nicht nur das Reden, sondern auch das Zuhören und Nachfragen. Überlegen Sie sich, welche Reaktion Sie sich von Ihrem Gegenüber wünschen und was Sie wirklich brauchen. Sehnen Sie sich eher nach Trost? Oder Bestätigung? Möchten Sie einfach Ihren Frust mitteilen? Versuchen Sie auch, Ihr Gegenüber zu verstehen oder fragen Sie nach deren oder dessen Erfahrungen und Einstellungen. Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch. Die eigenen Bedürfnisse sind sehr individuell und es ist wichtig, nicht von sich selbst auf andere zu schliessen. Mit dieser Haltung können negative Stereotypen des Singledaseins hinterfragt werden und gleichzeitig kann auch ein kommunikativ befriedigender Austausch stattfinden.»

Es klappt einfach nicht!

Dennoch plagt viele Singles das Gefühl, dass etwas nicht mit ihnen stimmen könnte und sie deshalb dazu verflucht sind, Single zu sein. Dies ist ein natürlicher Reflex. Da man nicht kontrollieren kann, was die Aussenwelt tut, fängt man gerne an, Fehler bei sich selbst zu suchen, um auf eine Weise wieder Kontrolle herzustellen. Bättig-Zehr rät dabei, das Gespräch zu suchen, um Klarheit zu schaffen. «Es ist total verständlich, dass es verunsichernd ist, wenn man sich eine:n Partner:in wünscht und es irgendwie einfach nicht klappt. Gleichzeitig muss uns bewusst werden, dass die Partnersuche von so vielen Faktoren abhängig ist, über die wir leider keinen Einfluss verfügen. Versuchen Sie also auch die Faktoren zu berücksichtigen, welche ausserhalb Ihrer Kontrolle liegen und sprechen Sie mit engen Freunden über Ihre Verunsicherung. Manchmal braucht es einfach eine kurze Bestätigung von lieben Menschen, dass man okay ist, so wie man ist.»

Die eigenen Ansprüche senken? 

Doch was ist mit Singles, die fleissig daten aber einfach niemanden finden, die oder der den eigenen Ansprüchen gerecht wird? Häufig hört man dann:

«Senke deine Ansprüche bloss nicht!» oder «Du hast einfach zu hohe Ansprüche!»

Was denn nun? Es ist zwar gut, dass man gewisse Standards hat, diese können die Dating-Erfahrung jedoch auch verkomplizieren. «Nicht alle Standards sind schlecht und nicht auf alle Kompromisse muss eingegangen werden. Wer aber sehr unter dem Singlesein leidet, sollte auch einmal den Fokus auf sich selbst und die eigenen Erwartungen setzen. Es lohnt sich durchaus, sich zu fragen, warum man gewisse Standards hat, welche Ansprüche einem wichtig sind und wo keine Kompromisse gemacht werden können», betont Bättig-Zehr. Man darf also ruhig auch ausprobieren seine Ansprüche anzupassen, um dann zu erkunden, welche Gefühle dabei aufkommen. Vielleicht kehrt man zu den schon bestehenden Ansprüchen zurück oder man verwirft sie sogar und fängt frisch an.

Die wenig geschätzte Me-Time 

Was bei den vielen negativen Assoziationen zum Singlesein untergeht, ist, dass man als Single die wertvolle Gelegenheit hat, den ganzen Fokus auf sich selbst zu richten. Man darf aktiv lernen, wie man mit sich selbst umgeht. Bättig-Zehr beschreibt es folgendermassen: «Me-Time zeigt eigentlich auf, wie es um die Beziehung mit sich selbst steht. Manchmal brauchen wir Raum und Zeit, um in uns hineinzuhorchen und herauszufinden, wie es uns eigentlich geht und was uns guttut. Wenn ich ständig mit anderen Menschen beschäftigt bin, ist die Beantwortung dieser Fragen nicht unmöglich, aber sicherlich anspruchsvoller, da man eher abgelenkt ist. Daher empfehle ich ab und zu auch ein Date mit sich selbst einzuplanen.» Insofern bietet das Singleleben also eine wundervolle Möglichkeit, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse kennenzulernen. Gleichzeitig aber auch die eigene Autonomie auszukosten. An dieser Stelle hört man oft auch, dass man die eigene «Freiheit» richtig geniessen kann, wenn man Single ist. Hier ist für Ledige und Liierte wichtig: «Auch in einer Partnerschaft können Autonomiebedürfnisse sehr gut ausgelebt werden. Dort einfach in konstruktiver Absprache mit der oder dem Partner:in – es ist ja kein Gefängnis», erklärt Bättig-Zehr schmunzelnd.

Für die Zukunft 

Zum Schluss gibt Bättig-Zehr noch ein paar Ratschläge an alle Singles weiter: «Seien Sie ehrlich zu sich selber und auch anderen gegenüber. Kommunizieren Sie ihre Bedürfnisse und Wünsche. Achten Sie auf sich und ihre Grenzen. Dating ist teilweise wirklich anstrengend, nervenaufreibend und kratzt am Selbstwert – gönnen Sie sich dementsprechend ab und zu eine Pause. Und wenn Sie einen Beziehungswunsch haben, dürfen Sie getrost dazu stehen, das macht Sie nicht zu einem verzweifelten Single, sondern zu einem authentischen.»

Text Evgenia Kostoglacis 

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