Interview von SMA

«Bis 2030 halbieren wir unseren Klimafussabdruck»

Der Onlinehandel in der Schweiz wächst weiter. Im Interview gibt Dr. Ing. Robert Brohl, Head of Supply Chain Management bei Digitec Galaxus, Einblicke in die zukünftige Entwicklung, Nachhaltigkeit und innovative Logistikkonzepte.

Der Onlinehandel in der Schweiz wächst weiter. Im Interview gibt Dr. Ing. Robert Brohl, Head of Supply Chain Management bei Digitec Galaxus, Einblicke in die zukünftige Entwicklung, Nachhaltigkeit und innovative Logistikkonzepte.

Robert Brohl, der Onlinehandel setzt in der Schweiz rund 14 Milliarden Franken um und hat gegenüber dem Vorjahr wieder drei Prozent zugelegt. Gehen Sie davon aus, dass der Onlinehandel auch in den kommenden Jahren noch wächst?

Wenn wir uns die Entwicklung des E-Commerce anschauen, gibt es in fast allen Ländern nur eine Richtung. Dabei ist die Schweiz verglichen mit anderen Ländern noch nicht so entwickelt in Bezug auf Marktdurchdringung. Das stetige Wachstum hat auch demografische Gründe. Für junge Kundinnen und Kunden, die quasi mit dem Smartphone in der Hand aufwachsen, fühlt sich der Besuch des stationären Handels fremder an als der Einkauf via App.

Immerhin gehen zwei Milliarden Franken ins Ausland, beispielsweise zunehmend nach China, dem weltweit grössten Online-Player. Erwarten Sie, dass sich diese Konkurrenz, auch aus preislichen Gründen, weiter verschärft?

Konkurrenz belebt das Geschäft. Am Ende entscheiden die Kundinnen und Kunden, bei welchem Onlinehändler sie einkaufen. Dass nicht jeder Franken oder Euro bei uns landet, gehört zum Business.

Die Tatsache, dass wir unseren Umsatz Jahr für Jahr steigern und Marktanteile hinzugewinnen können, stimmt uns jedoch zuversichtlich für die Zukunft. Die Konsumentinnen und Konsumenten scheinen unser breites Angebot, die Produktqualität, faire und transparente Preise, unser Retourenmanagement, unsere Präsenz vor Ort mit zehn Shops sowie unser Engagement im Bereich Nachhaltigkeit zu schätzen. In diesen Punkten differenzieren wir uns deutlich von vielen anderen Marktteilnehmern.

Gerade Umweltschutz ist in der Logistik des Versandhandels ein wichtiges Thema. Welches sind die wichtigsten Nachhaltigkeitsziele von Digitec Galaxus und wie werden sie umgesetzt?

Was die Nachhaltigkeit betrifft, haben wir ein Versprechen abgegeben: Bis 2030 halbieren wir unseren Klimafussabdruck und bis 2050 senken wir ihn auf Netto-Null. Der sorgfältige Umgang mit den Ressourcen ist dabei ein zentrales Thema.

Auf dem Weg dahin geht es erst mal um Transparenz, die wir durch eine jährliche CO2-Bilanz entlang der ganzen Wertschöpfungskette erstellen. Dabei kommt raus, dass unsere betriebseigenen Emissionen extrem gering sind im Verhältnis zu den Emissionen, die durch die Herstellung der Produkte, die wir verkaufen, entstehen. Wir helfen unserer Kundschaft bei der bewussten Entscheidung, indem wir Filter für zertifiziert nachhaltige Produkte in unseren Shop integriert haben.

Bei den betriebseigenen Emissionen kommen neben spezifischen Themen wie Verpackungsmaterial auch solche wie Heizung und Pendelverkehr hinzu. Da priorisieren wir dann solche Massnahmen, die grossen Nutzen im Verhältnis zum Aufwand haben.

Wir wollen den Menschen ein besseres Einkaufen ermöglichen. «Besser» heisst, dass einerseits der Einkaufsprozess komfortabler ist und mehr Freude bereitet und andererseits die Kunden langfristig zufriedener mit den gekauften Produkten sind. – Dr. Ing. Robert Brohl, Head of Supply Chain Management, Digitec Galaxus

Ist dabei auch der klimaneutrale Versand ein Thema?

Ich muss einmal kurz ausholen, um zu erklären, wie bei uns der Versand funktioniert. Den überwiegenden Teil unserer Lieferungen versenden wir als Paket mit der Schweizerischen Post oder mit Planzer. So wie wir haben beide Unternehmen eigene Strategien, immer nachhaltiger zu wirtschaften und klimaneutral zu werden. Beide setzen beispielsweise stark auf den Schienengüterverkehr für die längeren Strecken zwischen den Sortierzentren.

Neben dem Paketversand betreiben wir selbst zehn Filialen in der Schweiz, in denen bestellte Ware abgeholt werden kann. Hier sind die Transporte sehr effizient ausgelastet und es gibt keine Umwege auf dem Weg zur Filiale, was den Fussabdruck klein hält. Die Kundschaft erhält ihre Ware ausserdem ohne zusätzliche Umverpackung. Das spart all die Emissionen, die mit der Herstellung und dem Volumen der Umverpackung verbunden sind.

Das Gleiche gilt für unsere Blitzlieferung, die unsere Partner von notime (ebenfalls Teil der Schweizerischen Post) zu einem überwiegenden Teil mit emissionsfreien Elektrofahrzeugen durchführen. Unsere Kundinnen und Kunden profitieren dabei nicht nur von der «Same Day Zustellung», also der Zustellung am gleichen Tag, wenn bis mittags bestellt wurde, sondern erhalten auch hier die Sendung ohne Umverpackung. Das ist komfortabel, weil man sich zu Hause nicht mehr um die Entsorgung der Kartonage kümmern muss. Wir sind froh, dass wir diese auch im internationalen Vergleich besondere Dienstleistung ohne Aufpreis anbieten können.

Bei allen Varianten des Versands entstehen nichtsdestotrotz CO2-Emissionen. Wir bieten deswegen unseren Kunden an, diese bereits beim Kauf ihrer Produkte in unserem Onlineshop zu kompensieren. Das Geld fliesst dann in zertifizierte Kompensationsprojekte.

Welchen Einfluss darauf hat dafür die nachhaltige Verpackung?

Eine möglichst nachhaltige Verpackung ist uns wichtig, darum optimieren wir diese laufend. 2022 haben wir bei unseren Verpackungen auf braunes, unbehandeltes Recycling-Papier umgestellt. Zudem beziehen wir es aus Süddeutschland – und nicht wie früher aus Norddeutschland oder Skandinavien. Mit dem neuen Material und dem verkürzten Transportweg reduzieren wir den CO2-Ausstoss.

Zudem haben wir Verpackungsmaschinen im Einsatz, die Produkte passgenau einpacken. Auch das hilft uns, unseren Kartonverbrauch weiter zu reduzieren.

Auch beim händischen Einpacken verbessern wir die Prozesse laufend: Vor zwei Jahren haben wir die Paketgrössen angepasst. Die neuen Kartons sind aufs Sortiment optimiert, sodass wir jetzt durchschnittlich 28 Prozent weniger Luft pro Bestellung verschicken. So wird beim Transport auch CO2 eingespart.

Ein weiterer positiver Effekt: Weil die Kartons nun passgenauer sind, kommen die Mitarbeitenden in der Verpackungsabteilung auch mit weniger Luftpolstern aus, die verhindern sollen, dass Bestellungen im Paket herumpoltern. Bei den kleinen Paketformaten können wir die Polster jetzt in der Regel sogar ganz weglassen.

Erschwert die Erwartungserhaltung der Konsumenten «heute bestellen, morgen geliefert» die Nachhaltigkeit in der Logistik, weil dadurch eine optimale Routenplanung nicht möglich ist?

Routenplanung ist immer dann einfach, wenn man Mengen für eine möglichst kleine Region bündeln und damit die Auslieferfahrzeuge gut auslasten kann. Dadurch reduziert sich die gefahrene Strecke zwischen den Haltepunkten und der Fahrer kann mit seinem Fahrzeug an einem Tag mehr Pakete ausliefern. Es hängt also auch viel von der Dichte der Besiedelung ab.

In den Städten habe ich in der Regel jeden Tag genug Bestellungen für eine hocheffiziente Tourenplanung. Dort, wo etwas weniger Menschen auf einem Fleck wohnen, hilft es, wenn ich beim Ausliefertag etwas mehr Flexibilität habe. Hier kommt unsere Schneckenpost ins Spiel. In unserem Onlineshop kann der Kunde auswählen, ob wir uns etwas mehr Zeit lassen können mit seiner Sendung – zum Beispiel, wenn mein Sohn erst in zwei Wochen Geburtstag hat und ich bereits heute das Geschenk bestellen will. Es ist also nicht wichtig, ob das Paket morgen oder übermorgen ankommt. In vielen Fällen können wir dann entlang der gesamten Lieferkette ressourcenschonender arbeiten und ausliefern.

Wer es eilig hat, kann weiterhin wählen, dass er am Folgetag oder sogar am gleichen Tag beliefert wird.

Welche Rolle spielt KI zunehmend in der Logistik des Versandhandels bzw. im Logistikprozess?

Es gibt eine Reihe von Themen, bei welchen wir fortgeschrittene Methoden der Datenanalyse bis hin zu KI verwenden. Dafür haben wir intern mehrere Entwicklungsteams mit Expertinnen und Experten für die jeweiligen Anwendungsfälle.

Ein grosses KI-Anwendungsfeld in der Logistik sind Stammdaten. Das klingt erst mal langweilig, aber wir können nur planen und optimieren, wenn wir wissen, was für Produkte in unser Lager kommen werden und das ist oft gar nicht so klar. Stellen Sie sich vor, Sie wüssten, dass Ihnen 100 Lautsprecher geliefert werden. Ein Lautsprecher kann so gross wie eine halbe Telefonzelle sein oder in die Handtasche passen. Die KI kann aus der Produktbeschreibung und anderen Datenpunkten schätzen, wie gross das Produkt mit Umverpackung sein wird und wir können dementsprechend den besten Standort und den besten Verarbeitungsprozess planen.

Weitere Anwendungsbeispiele für KI gibt es bei der Auswertung von Bilddaten zur Erkennung von Produkten oder in der Qualitätskontrolle.

Die Zustellung in den Städten wird durch den Verkehr und politischen Entscheide immer schwieriger. Denken Sie in diesem Zusammenhang in dicht besiedelten Gebieten auch an neue Zustellmöglichkeiten wie zum Beispiel Drohnen oder selbstfahrende Fahrzeuge nach? Gibt es dafür bereits Konzepte oder Pilotbetriebe?

Unsere Versandpartner arbeiten hier an innovativen Lösungen. Wir sind beispielsweise an Pilotprojekten rund um den Einsatz autonomer Fahrzeuge beteiligt, aber hier vergeht noch etwas Zeit, bis wir das auf Schweizer Strassen sehen.

Es gibt aber bereits heute gute Konzepte für dicht besiedelte Gebiete. Ein Beispiel sind Abholstationen wie myPost24. Hier werden viele Sendungen konzentriert auf wenige Punkte in den Quartieren angeliefert. In Deutschland beispielsweise ist die Dichte dieser Abholpunkte schon sehr hoch, wodurch die Entfernungen zur Abholung geringer werden und das System an Attraktivität gewinnt. Insgesamt reduziert das dann den Verkehr in den Wohngebieten erheblich.

Für den stationären Handel ist E-Commerce eine grosse Konkurrenz. Gibt es Bestrebungen, mit lokalen Händlern zusammenzuarbeiten, um diesen eine Chance im digitalen Markt zu geben?

Schon seit Jahren haben Händler über unseren Marktplatz die Möglichkeit, von der Reichweite unserer Plattform zu profitieren, ohne einen eigenen Onlineshop aufzubauen. Das nutzen viele lokale Händler, die natürlich auch sehen, dass es ohne Onlinekanal heute fast nicht mehr geht. Sehr viele Kundinnen und Kunden schätzen und erwarten Multichannel-Erlebnisse, wo sie gerne in einem physischen Laden einkaufen, aber beispielsweise vorher prüfen wollen, ob die Ware, die sie wollen, vorrätig ist. Es ist also ein Zusammenspiel von lokal und online, zu dem wir den Zugang bieten können.

Blick in die Zukunft: Wie entwickelt sich der Onlinehandel in den nächsten fünf Jahren? Die Vision von Digitec Galaxus?

Seit der Gründung vor mehr als 20 Jahren verfolgt Digitec Galaxus eine klare Mission: Wir wollen den Menschen ein besseres Einkaufen ermöglichen. «Besser» heisst, dass einerseits der Einkaufsprozess komfortabler ist und mehr Freude bereitet und andererseits die Kunden langfristig zufriedener mit den gekauften Produkten sind.

Wir gehen diesen Weg in der Logistik und in allen anderen Unternehmensbereichen weiter. Unser Angebot wird immer breiter und wir zwingen uns selbst immer wieder zu Innovationen, um das Einkaufserlebnis stetig zu verbessern.

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26.09.2024
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