«Das Digital Learning wird ein Erfolg»
Diesen Sommer wurde die Verordnung über die berufliche Grundbildung des Berufsfelds Logistik angepasst. Dabei spielt die Digitalisierung eine Hauptrolle. Dazu Dr. Beat Michael Duerler, Präsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung von Swiss Logistics by ASFL SVBL, im Interview.
Herr Dr. Duerler, was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Skills, die zukünftige Arbeitnehmerinnen und -nehmer in der Logistik mitbringen müssen?
Um in der dynamischen Arbeitswelt bestehen zu können, sind unterschiedliche Handlungskompetenzen essenziell. Dazu gehören technische Skills, etwa die Bedienung unterschiedlicher Fahrzeuge und Hilfsmittel wie Stapler, Hubarbeitsbühnen oder Transportfahrzeugen. Interpersonelle und Kommunikationsskills sind ebenfalls sehr wichtig, die Logistik schliesst die gesamte Versorgungskette mit ein und damit auch den direkten Kontakt zu Lieferanten und Kunden. Ein dritter wichtiger Skillset bezieht sich auf den Informationsfluss. Informatik und Informationsverarbeitung sowohl in der Intralogistik als auch entlang der globalen Supply Chain sind wichtig.
Können Sie kurz erläutern, was die wesentlichen Neuerungen der beruflichen Grundbildung sind?
Das Berufsfeld umfasst heute nicht nur den Beruf Logistiker:in auf Stufe EBA und EFZ mit den Fachrichtungen Distribution und Lager, sondern auch den neuen Beruf Fachfrau/Fachmann Bahntransport in Zusammenarbeit mit Login.
Innerhalb der drei Ausbildungen wurden die Fachkompetenzen gestärkt, etwa durch Erweiterung der fachspezifischen überbetrieblichen Kurstage.
Die Digitalisierung spielt in der neuen Bildungsverordnung eine grosse Rolle. Worin sehen Sie deren Chancen?
Die Lernenden der Generation Z und bald auch der Generation Alpha sind mit der Digitalisierung aufgewachsen. Die Jugendlichen verfügen über Skills, die frühere Generationen von Lernenden noch nicht hatten. Die Implementierung der Digitalisierung in der neuen Bildungsverordnung trägt diesem Umstand Rechnung.
Die heutigen Jugendlichen verfügen über Skills, die frühere Generationen von Lernenden noch nicht hatten. – Dr. Beat Michael Duerler
Die Lernenden sollen künftig an allen drei Lernorten, also im Lehrbetrieb, in der Berufsfachschule und in überbetrieblichen Kursen (üK), vermehrt digital unterwegs sein. Können Sie uns je ein Beispiel nennen?
Die Organisation der Arbeitswelt (OdA) Logistik hat bereits mit der Revision von 2016 die Digitalisierung in der Berufsschule gefördert. Mit dem «Logistik-Compass» wurden in den Berufsschulen sowohl Print- als auch Digitalmedien bereitgestellt. 2024 sind nun die digitalen Medien an allen drei Lernorten verfügbar. Der Einsatz eines Laptops oder eines Tablets ist vorgesehen und wird mit digitalen Lehrmitteln bis hin zu Online-Prüfungstools unterstützt. In der Berufsschule werden einzelne Module, in den üK unterschiedliche Arbeits- und Lernsituationen und im Betrieb die Praxisaufträge bearbeitet.
Selbst die Virtual-Reality-Brille soll zum Einsatz kommen: wo genau?
Eine neue im üK vermittelte Kompetenz ist die Regalsicherheit. Mit der Virtual-Reality-Brille kann man sich im (Hochregal)-Lager auch in die Höhe bewegen, ohne den Boden zu verlassen und die gestellten Aufgaben – auch in einigen Metern virtueller Höhe – lösen. Mit dem gleichen Tool können aber nicht nur Kompetenzen vermittelt, sondern auch geprüft werden.
EnterSite AG heisst die virtuelle Plattform, auf der Lernende unterwegs sind. Sie hat das Ziel, Theorie und Praxis zu verbinden. Wie muss man sich deren Handhabung vorstellen?
Die virtuelle Firma EnterSite AG hat eine eigene Website, eine 3D-Visualisierung, in der die Lernenden sich bewegen können und eine OneNote-Umgebung mit Input, Anwendungen zum Lernen und für Lernkontrollen. Die an allen drei Lernorten gestellten Aufträge ermöglichen den Schritt in die Realität, Lernende beschreiben beispielsweise einen Prozess im Lehrbetrieb, erstellen Foto- und Videodokumente mit direktem Bezug zur Praxis und diskutieren diese mit dem Lerncoach in Berufsschule, üK und im Lehrbetrieb.
Von den Chancen und Vorteilen der Digitalisierung zu den Gefahren resp. Nachteilen: Lehrerinnen und Lehrer bemängeln am digitalen Unterricht, dass Schülerinnen und Schülern so das analoge «Begreifen» fehlt. Können Sie solche Bedenken nachvollziehen?
Diese Bedenken sind teilweise berechtigt. Für Logistiker:innen sehe ich hier allerdings keine Gefahr. Schliesslich werden entlang der Logistikkette nicht nur Informations- und Geldflüsse digital verarbeitet, sondern auch Warenflüsse in der realen Welt. Logistiker:innen müssen immer noch anpacken können, Waren entgegennehmen, kontrollieren, einlagern, kommissionieren und verteilen. Gerade dies ist ein Erfolgspunkt dieses Berufs: Man bewegt sich nicht nur digital, sondern auch in der analogen, realen Welt.
Heutige Jugendliche sind ständig online – besteht bei der digitalen Art des Lernens nicht die Gefahr, dass sie sich währenddessen ablenken lassen?
Gen Z und Gen Alpha verbringen tatsächlich sehr viel Zeit am Bildschirm. Die mobilen Geräte bestimmen bis zu einem gewissen Mass den Tagesablauf eines Teenagers. In der Berufsbildung befinden wir uns auf einer Art Gratwanderung: Zweckmässiger Einsatz von digitalen Mitteln in der Berufslehre und Vermeidung von übermässiger Bildschirmzeit. Das Risiko der Ablenkung ist gegeben, aber eher eine gesellschaftliche als eine ausschliesslich bildungspolitische Herausforderung.
Wagen wir eine Prognose: Was wird im Sommer 2025 Ihr Fazit nach einem Jahr Digital Learning sein?
Das Digital Learning wird ein Erfolg. Wir haben 2023 mit über 20 Pilotklassen in der Deutschschweiz einen Testlauf durchgeführt, und das Ergebnis war zu über 90 Prozent positiv.
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