Interview von Kevin Meier

Nemo: «Ich wollte einfach mithalten»

Ein Einblick in die Karriere des Ausnahmetalents Nemo, von den Anfängen bis zum ESC.

Die Sensation war perfekt: Am 68. Eurovision Song Contest holte Nemo den begehrten ESC-Pokal in die Schweiz. Ganz überraschend kam der Sieg jedoch nicht. Schon vor dem Start wurden Nemo hohe Gewinnchancen auf der weltweit grössten Musikbühne eingeräumt.

Nach Lys Assia und Céline Dion zählt nun auch Nemo zur Riege der Schweizer ESC-Erstplatzierten. Die Schweiz weiss schon lange von Nemos Talent. Nun kennt es auch ganz Europa und die Welt. Ein Einblick in eine einzigartige Karriere.

Früh übt sich

Nemo wurde 1999 in Biel geboren und schon früh hat es Nemo die Musik angetan. Während der Kindheit beherrschte Nemo Klavier, Geige und Schlagzeug. Mit 13 Jahren im Jahr 2012 spielte Nemo die Rolle eines kleinen Jungen im Musical «Ich war noch niemals in New York» im Theater 11 in Zürich – und begeisterte das Publikum. Die Gabe für Live-Entertainment und Rap stellte Nemo 2015 auch bei «Die grössten Schweizer Talente» unter Beweis.

Nemo performt The Code am Eurovision Song Contest

Nemo performt «The Code» am Eurovision Song Contest 2024 in Malmö.
Bild: Corinne Cumming EBU

Breakthrough

Ein Jahr später nahm Nemo am SRF Bounce #Cypher teil. Und erneut wurde ein Nerv getroffen. Nemos Mundart-Rap ging viral und signalisierte den Start einer beeindruckenden Musikkarriere. Mit den Hip-Hop-Singles in Mundart «Du» und «Ke Bock» markierte Nemo einen Platz in der Schweizer Musikszene. Darauf folgten mehrere Auszeichnungen: 2017 ein Energy Music Award in der Kategorie «Bester Schweizer Künstler», ein Prix Walo als «Newcomer» und ein Swiss Music Award für «Best Talent». Vier weitere Swiss Music Awards folgten 2018, unter anderen in den Kategorien «Best Hit» und «Best Live Act». Der nächste grosse Auftritt folgte 2021, als Nemo bei «The Masked Singer Switzerland» inkognito teilnahm. Spätestens jetzt war klar: Nemo hat grosses musikalisches Talent, insbesondere für Live-Performances. Der Grundstein für internationalen Erfolg an einem Gesangswettbewerb war gelegt.

Doppeltes Coming-out

Mittlerweile mit Wohnsitz in Berlin, befasst sich Nemo eingehender mit sich selbst. 2022 outete sich Nemo als pansexuell. Das heisst, für Nemo spielt das Geschlecht oder die Geschlechtsidentität kaum eine Rolle in Liebe und Attraktivität. Diese Selbstfindung macht sich auch in Nemos Musik bemerkbar, wie der Song «This Body» zeigt. Bei der Ankündigung des Tracks im November 2023 auf Instagram steht Nemo erstmals öffentlich zur eigenen Nonbinarität: «Ich identifiziere mich nicht als Mann oder als Frau. Ich bin einfach Nemo.»

In einem Interview mit SRF 3 beschreibt Nemo den Weg zu dieser Realisation als «lange Reise», das Coming-out war aber eine «Erleichterung». Auf den sozialen Medien erhielt Nemo positive Reaktionen. In Bezug auf Hasskommentare äusserte sich Nemo gegenüber Das Erste (Anm. d. Red.: Interview nicht mehr abrufbar) wie folgt: «Ich will mich nicht direkt damit auseinandersetzen. Es hat nichts Konstruktives, sich auf diese Ebene zu begeben.» Und weiter: «Ich fokussiere mich auf die Liebe.»

Der ESC ruft

Diesen Fokus behielt Nemo auch für den ESC: «Die Plattform Eurovision bietet eine riesige Chance, Brücken zwischen unterschiedlichen Kulturen und Generationen zu bilden. Deshalb ist es mir sehr wichtig, als genderqueere Person für die ganze LGBTQIA+-Community einzustehen.» Dieser Einsatz ist im Song «The Code» auch nicht zu überhören. Er ist eine Art künstlerisches Manifest Nemos persönlicher Reise – präsentiert als eine universelle Erzählung, mit der sich alle zumindest ein Stück weit identifizieren können.

Ich war schon immer fasziniert von diesem Contest und seiner Geschichte. Mein Anspruch war, etwas zu kreieren, das eine Gewinnchance hat. Nemo

Die Teilnahme am Eurovision wirkt schicksalhaft. «Ich war schon immer fasziniert von diesem Contest und seiner Geschichte. Mein Anspruch war, etwas zu kreieren, das eine Gewinnchance hat. Ich wollte einfach mithalten», gestand Nemo nach dem Sieg.

Mithalten war kein Problem. Nemo holte sich unglaubliche 591 Punkte. Eine höhere Punktzahl hatten zuvor nur drei andere Acts erreicht. «Es waren die wahrscheinlich intensivsten und ereignisreichsten Wochen meines Lebens», beschreibt Nemo die Teilnahme. Und ganz eingesunken scheint der Sieg noch nicht zu sein: «Langsam kommt bei mir an, was da passiert ist. Gleichzeitig habe ich noch nicht alles realisiert, weil man einfach so vieles aufnimmt.»

Jetzt gehts erst richtig los

Der ESC ist nicht nur ein einmaliger Wettbewerb, sondern trägt für Nemo noch viel mehr Bedeutung: «Der Sieg ist eine Riesenehre. Nur schon zu wissen, dass ich mitmachen durfte. Aber auch, dass ich ich selbst sein und der Community eine Stimme geben durfte – für die Menschen da draussen, die selbst non-binär oder trans sind.» Darüber hinaus öffnen sich neue Türen. Nemo plant Auftritte in der Schweiz, alle sind bereits ausverkauft. Nächstes Jahr folgt die «Break the Code» Europatournee. Darauf freut sich Nemo ganz besonders, wie Nemo gegenüber wiwibloggs sagte: «Das ist mehr, als ich jemals erwartete mit Musik zu machen!»

Alles über Nemo und die Europa­tournee unter nemothings.com

Headerbild © Ella Mettler

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28.08.2024
von Kevin Meier
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