Es ist wichtig, dass wir den Umgang mit künstlicher Intelligenz erlernen. Die neue Bildungsverordnung für die berufliche Grundbildung im KV hält fest, dass Lernende in ihrer Ausbildung das notwendige Wissen für die digitale Arbeitswelt lernen und anwenden können.
Im Gespräch mit Iren Brennwald, Fachverantwortliche für Berufsbildung beim Kaufmännischen Verband Schweiz (KFMV), beleuchtet «Fokus» die tiefgreifenden Veränderungen, die die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die kaufmännische Ausbildung und den Arbeitsmarkt mit sich bringt. Was bedeutet KI für Lernende? Wie beeinflusst sie ihre Ausbildung? Wie verändert sie die Leistungsbewertung? Und wie verändert sie die Rolle der Lehrpersonen?
Die Rolle von KI in der Ausbildung
«KI gehört ganz klar zu unserer Zukunft», ist sich Brennwald sicher. Es gibt immer wieder neue ICT-Tools und die Arbeitskräfte müssen mit diesen Werkzeugen umgehen können, um arbeitsmarktfähig zu bleiben, erklärt die Expertin. Lebenslanges Lernen ist das Credo. Im Fall von KI bedeute das, dass man mittlerweile das Prompten lerne und sowohl die Chancen als auch die Risiken der KI-Technologie kenne. Der Umgang mit KI müsse gelehrt werden. «Dafür gibt es die entsprechenden Handlungskompetenzen im neuen Bildungsplan der kaufmännischen Grundbildung», so Brennwald.
Schüler:innen müssen beispielsweise Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) anwenden sowie Daten und Inhalte in Verwaltungssystemen aktualisieren können. «Ein ERP-System braucht aktuelle Daten. Denn nur mit aktuellen Daten kann eine KI gute Ergebnisse liefern», bekräftigt Brennwald. So kann eine Grundlage für das Recruiting, für ein Buchhaltungstool oder einen Chatbot für den Kundenservice geschaffen werden. Und sie alle müssen mit guten Daten trainiert werden.
Wie wird Leistung gemessen?
Solches Grundlagenwissen muss in der Ausbildung überprüft werden. Aber wie? «Die Bedeutung von schriftlichen Arbeiten als Leistungsnachweis wird voraussichtlich abnehmen. Mündliche Prüfungen hingegen werden wichtiger», sagt Brennwald, denn dabei werden nur die Kompetenzen der zu prüfenden Person getestet – ohne Unterstützung durch digitale Tools oder KI. Oder Lernende müssen eine schriftliche Arbeit verteidigen, dann merkt man schnell, ob sie sie selbst geschrieben haben. «Ghostwriting, wie es generative KI beherrscht, gibt es schon lange. An der KI wie ChatGPT ist neu, dass sie für alle zugänglich und weitgehend kostenlos ist», so Brennwald.
Auch Peter Kaeser beobachtet die Entwicklung der KI im Bildungswesen. «Früher hatte nur eine Auswahl von Lernenden das Glück, Unterstützung von ihren Eltern bei ihren Arbeiten zu erhalten. Heute ist diese Unterstützung dank KI demokratischer», erklärt der Direktor WKS KV Bildung. Er sieht kurzfristige und langfristige Effekte der KI in der Bildung. «Derzeit befinden wir uns in einer Art Übergangsphase, in der wir erst lernen müssen, wie wir mit KI umgehen sollten.» KI ist ein Instrument, das man verwenden können muss. Deshalb muss der Umgang damit langfristig sowohl in die Allgemein- als auch in die Berufsbildung integriert werden. Denn die Bildung muss sich den Änderungen in der Gesellschaft und der Berufswelt anpassen.
«Ich verstehe, dass viele Lehrpersonen und Schüler:innen noch ein grosses Fragezeichen im Kopf haben – mir geht das auch so», erklärt Kaeser. Es gibt nämlich noch keine klaren Vorgaben. Das Bildungssystem ist sich nicht gewohnt, schnell zu reagieren. Transformationen finden eher in Zehn-Jahres-Zyklen statt. Auf jeden Fall wird es laut dem Bildungsexperten eine sehr spannende Zeit für das Bildungswesen.
Mit KI wird schnell gegen das Gesetz verstossen
Angesichts des vermehrten Einsatzes stellt sich auch die Frage, wo Plagiate beginnen, wenn Schüler:innen generative KI verwenden. Laut Brennwald sollte der Bund hier eine Vorgabe geben. Denn: «Bildungsinstitutionen müssen in Leistungsnachweisen die Eigenständigkeit von Lernenden bewerten und das wird immer schwieriger.» Auch sonst wird mit dem Einsatz von KI schnell gegen Gesetze verstossen, beispielsweise gegen das im September 2023 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Datenschutz.
Das Wichtigste sei daher, das Bewusstsein für rechtliche Grundsätze in Bezug auf Datenschutz, Urheberrecht, Diskriminierungsfreiheit und so weiter zu schärfen. «KI reproduziert Stereotypen, ohne Gewissen und Bewusstsein», so Brennwald. Hier sei der Mensch gefragt. Rechtliche, aber auch moralische Grundsätze entscheiden darüber, welche Daten einer generativen KI zur Verfügung gestellt werden und welche nicht. «Eine AHV-Nummer und ein Geburtsdatum in Verbindung mit dem dazugehörigen Namen würde ich beispielsweise nicht in ChatGPT eingeben», erklärt Brennwald. Das sei aber nichts Neues, denn die Lernenden würden sich schon seit einiger Zeit mit dem Datenschutz auseinandersetzen.
Was bestimmt immer wichtiger werde, sei die Medienkompetenz. «Wie nutze ich Kanäle und ihre Inhalte? Und vor allem: Wie nutze ich sie kritisch? Stimmen diese Informationen? Solche Fragen werden immer zentraler.» Auch die Kommunikationskompetenz, zu der Kompromiss- und Kooperationsfähigkeit gehören, dürfte immer wesentlicher werden. Brennwald ist optimistisch aufgestellt. Die neue Bildungsverordnung sei eine gute Grundlage – besorgten Eltern empfiehlt sie, den Bildungsplan zu überfliegen. Sein Ziel ist nämlich, die Lernenden auf die Arbeitswelt 4.0 vorbereiten.
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