Interview von Miriam Dibsdale

Lia Wälti & Granit Xhaka: Zwei Leader im Dienste der Schweizer Nationalmannschaften

Beide spielen bei seit mehreren Jahren für Arsenal London und tragen in der Schweizer Nationalmannschaft die Kapitänsbinde. Die Rede ist von Lia Wälti und Granit Xhaka. Was die beiden sonst noch verbindet und was bei ihnen Glückshormone ausschüttet, haben sie im Interview mit «Fokus» verraten.

Beide spielen bei seit mehreren Jahren für Arsenal London und tragen in der Schweizer Nationalmannschaft die Kapitänsbinde. Die Rede ist von Lia Wälti und Granit Xhaka. Was die beiden sonst noch verbindet und was bei ihnen Glückshormone ausschüttet, haben sie im Interview mit «Fokus» verraten.

Als Kapitän:in des Nationalteams tragen Sie die Hauptverantwortung für dessen Erfolg. Wie motivieren Sie Ihre Kolleg:innen, bei jedem Spiel zur Höchstform aufzulaufen?

Lia Wälti: Meine Rolle als Kapitänin sehe ich so, dass ich vor allem im Spiel durch meine Körpersprache und motivierende Ansprache positiv auf mein Team einwirken kann. Kampf- und Leistungsbereitschaft zeigen und vorangehen, das sollte meine Rolle sein. Der Wille, die Motivation und die Leistungsbereitschaft jeder einzelnen tragen zum Erfolg bei und natürlich auch die Einflussnahme des Trainers vor und während des Spieles. Nur dieses Zusammenspiel bringt dann den gewünschten Teamerfolg.

Granit Xhaka: Zunächst einmal bin ich zwar der Kapitän der Nati und die Mannschaft erwartet von mir, dass ich vorangehe und sie auch in schwierigen Situationen führe, aber wir sind ein Team und ohne die anderen zehn Jungs bin ich gar nichts. Das hat man bei der EM wieder gesehen: Jeder einzelne hat bis zum Schluss an einen möglichen Erfolg geglaubt und so sind wir gemeinsam zweimal bis ins Elfmeterschiessen gekommen. Wir gewinnen und verlieren zusammen. Ich sehe meine Aufgabe darin, noch einmal alle wachzurütteln, wenn sie müde sind und auch mental nachlassen, sie zu motivieren und mit klarer Ansprache das Team positiv anzuspornen. Ich bin ein unermüdlicher Antreiber und kann auch mal laut werden, aber das sind sich die Jungs von mir gewohnt (lacht), das ist gar kein Problem.

Wie gehen sie nach Abpfiff auf das Team zu, wenn die Leistungen nicht gereicht haben und ein Spiel verloren geht?

Granit Xhaka: Das ist oft nicht leicht. Am Anfang ist die Enttäuschung, wie etwa bei der EURO nach dem Elfmetererschiessen gegen Spanien, natürlich riesengross. Da ergeben viele Worte gar keinen Sinn, denn es überwiegen Leere und Traurigkeit. Aber hey, wir haben es ins Viertelfinale geschafft; und genau das habe ich der Mannschaft nach der ersten Enttäuschung vor Augen geführt. Lasst uns stolz, sehr stolz sein auf das, was wir geschafft haben und den Blick nach vorne in Richtung WM richten. Ich persönlich versuche, immer positiv zu bleiben, nach vorne zu schauen und aus dem Negativen Kraft sowie wertvolle Erfahrungen zu schöpfen. Und das versuche ich auch meinen Mannschaftskameraden zu vermitteln.

Lia Wälti: Genau, man gewinnt und verliert zusammen. Nach dem Spiel klatsche ich jede meiner Kolleginnen ab und umarme sie auch. Wenn ich sehe, dass es eine besonders mitnimmt, kümmere ich mich direkt um sie. Nach dem Spiel schaue ich mir dieses nochmals am TV an und spreche mit meinen Mitspielerinnen darüber. Denn ich denke, aus Niederlagen und Fehlern sollte man immer versuchen zu lernen. Nur so kann man besser werden und Lösungen für die Zukunft erarbeiten. Das geht nur, wenn man sich gemeinsam nochmals damit beschäftigt und das Ganze analysiert.

Lia Wälti

Bild: Christoph Köstlin

Welche Momente haben Sie während der diesjährigen Europameisterschaft am meisten bewegt?

Lia Wälti: Natürlich muss man hier den Moment, als Christian Eriksen im Spiel gegen Finnland zusammengebrochen ist, als ersten bewegenden Moment nennen, das war schon wirklich sehr emotional und auch beängstigend und geht einem als Profi auch persönlich nahe. Zum Glück hat es ein gutes Ende genommen. Ansonsten war es sehr schön zu sehen, dass auch die Underdogs oder kleineren Nationen die Weltklasse-Teams mit ihren Stars schlagen konnten. Bestes Beispiel ist unsere Nati, die Weltmeister Frankreich in einem klasse Spiel, nicht mit Glück, sondern mit unbändigem Willen und Kampfgeist bis zum Schluss besiegen konnte. Das hat mich emotional schon sehr mitgerissen.

Granit Xhaka: Für mich gibt es gar keinen Zweifel: Das war das Spiel gegen Frankreich. Vor allem die Verlängerung, wie wir als Mannschaft noch das Letzte gegeben haben und unbedingt Geschichte schreiben wollten. Dazu gibt es ja ein Bild, das im Netz viral gegangen ist. Das sagt mehr als 1000 Worte, was mich da bewegt hat. Bei diesem Turnier sind wir als Mannschaft noch enger zusammengewachsen, haben auch noch einen tollen Abschluss mit den Fans und dem gesamten Team, Staff und Nati-Umfeld gehabt und sind heiss auf die nächste grosse Aufgabe, hoffentlich bei der WM in Katar.

Durch die Schliessungen der Fitnesscenter, Sportanlagen und die Restriktionen, welche den Mannschaftssport für lange Zeit verboten, verfielen viele dem Sofa-Blues. Welche Tipps können Sie unserer Leserschaft mit auf den Weg geben, um wieder zurück zu einem gesunden, aktiven Lebensstil zu finden?

Lia Wälti: Für mich war es vor allem wichtig, eine Tagesroutine zu entwickeln, die als tägliche Guideline und zur Eigenmotivation in dieser verstörenden Zeit diente: Morgens habe ich mit einem Lauf an der frischen Luft gestartet und dann im Verlauf des Tages noch ein bis zwei längere Spaziergänge unternommen, um den Kopf freizubekommen. «Raus aus den eigenen vier Wänden und ab an die frische Luft!» Das klingt so einfach, man muss es aber auch machen (lacht).

Granit Xhaka: Ich habe als Profi durch jahrelange Disziplin, Trainingspläne und auch Coachings sicher eine ganz andere Herangehensweise an das Thema Training und Fitness als ein Normalbürger, aber ich denke eines ist immer gleich: Man sollte sich eine Trainingsroutine erarbeiten und realistische Ziele setzen. So ist es bei uns auf höchstem Niveau, so kann aber jeder mit Regelmässigkeit, Disziplin und kleinen Schritten wieder fit werden.

Neben der physischen Gesundheit wurde für viele die Pandemie-Situation zur mentalen Herausforderung. Als Profisportler:in ist mentale Stärke wichtiger Bestandteil für den Erfolg. Wie halten Sie sich mental fit?

Lia Wälti: Ich denke, mentale Gesundheit ist generell ein wichtiges Thema, nicht nur für mich als Profisportlerin. Man sollte dort maximal achtsam mit sich sein. Zum Glück kann ich sagen, dass ich hier in meinem bisherigen Leben erst wenig Probleme damit hatte. Aber in der schlimmsten Pandemiezeit, in der wir alle im Lockdown waren, hatte auch ich Momente, in denen Zweifel und Ängste aufkamen. Ich bin mir sicher, dass vor allem Gespräche, sei es mit der Familie, Sportpsychologen, Freunden oder dem Partner, hier ganz wichtig sind. Das man seine Themen ausspricht und zeigt, was einen bewegt. Ich sehe es als Stärke, wenn man dies offen tun kann. In der Regel finden sich dann im Dialog Lösungen für das Problem, seien sie noch so einfach oder naheliegend.

Granit Xhaka: Ich würde mich vom Typ her als mental starke Persönlichkeit bezeichnen. Das heisst nicht, dass auch ich nicht einmal Ängste oder Zweifel habe, etwa in sportlich schwierigen Phasen, in Verletzungssituationen oder Krisensituationen in der Familie. Ich versuche aber immer positiv zu bleiben, schaue nach vorne und bin vom Grundsatz her optimistisch. Eine Lösung suche ich dann gemeinsam mit meiner Familie.

Es gibt den bekannten Slogan «You are what you eat!», können Sie sich damit identifizieren? Wenn ja, «What are you»?

Granit Xhaka: Das sehe ich ehrlicherweise gar nicht so eng. Ich bin mit sehr guter, vielseitiger Küche aufgewachsen und achte als Profisportler natürlich seit Jahren auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung. Das geht einem auf diesem Niveau schon früh in Fleisch und Blut über und hilft, die notwendige Kraft über die Saison mit weit über 50 Spielen aufrecht zu halten. Das heisst aber nicht, dass ich im Urlaub nicht auch mal eine Pizza oder einen Burger esse, das gehört für mich auch dazu.

Lia Wälti: Ernährung ist für einen Profisportler sicher ein entscheidender Erfolgsfaktor, deshalb achte ich sehr auf sie; gute Kohlehydrate vor den Spielen, ausgewogene Kost, viel trinken, etc. Aber hie und da gönne ich mir auch Dinge, auf die ich einfach Lust habe. Es kommt auf eine gute Mischung an zwischen Disziplin und Genuss. So fühle ich mich am wohlsten und kann meine maximale Leistung abrufen.

Lia Wälti, die EM der Frauen wurde ins nächste Jahr verlegt. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Lia Wälti: Mein klares Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen und die KO-Runde zu erreichen. Wir sind nun das zweite Mal bei einer EM-Endrunde mit dabei. Beim ersten Mal sind wir knapp nicht weitergekommen, aber mit ein wenig Losglück für unsere Gruppe sollten wir es bei dieser EM mit unserem Team schaffen. Was hier möglich ist, hat ja die Europameisterschaft aktuell bei den Männern gezeigt und ich traue uns das ganz klar zu.

Die Europameisterschaft wird in England ausgetragen, wo Sie auch zu Hause sind. Macht das die EM für Sie noch spezieller?

Lia Wälti: Sicher ist das für mich persönlich schon speziell, dass die EM hier praktisch vor der Haustür bei mir stattfindet, aber noch spannender ist für mich, dass diese überhaupt nach England kommt, denn was sich hier in den letzten Jahren in Sachen Frauenfussball entwickelt hat, ist wirklich phänomenal. Einige Spiele sind aus den kleinen Stadien in die grossen Arenen verlegt worden und wir spielen vor bis zu 40 000 Zuschauern. Das Interesse und die Unterstützung hier in England für den Frauenfussball sind riesig und ich freue mich bereits sehr darauf! Ich glaube, das wird ein Riesenfussballfest werden.

Granit Xhaka

Bild: zVg

Granit Xhaka, Sie sind nun zurück aus Ihren wohlverdienten Ferien nach der EM. Fiel es Ihnen leicht, nach dem aufregenden Turnier komplett abzuschalten?

Granit Xhaka: Die ersten Tage im Urlaub habe ich noch oft daran gedacht, doch ich erlebte eine so wunderbare Zeit mit meiner Familie, da kam ich ganz schnell auf andere Gedanken. Meine beiden kleinen Mädchen sind zauberhaft. Mit ihnen entdecke ich jeden Tag etwas Neues und das Abschalten fällt mir leicht. Und das muss es auch, denn bald geht die harte Routine der Saison ja bereits wieder mit voller Kraft los.

Wir sprechen in unserem Special unter anderem über Glückshormone und wie wir deren Produktion fördern können. Was hebt bei Ihnen den Serotonin-Spiegel an?

Lia Wälti: Glück bedeutet für mich vor allem, mich mit den Menschen zu umgeben, die mir guttun, ob das nun Familie oder Freunde sind. Sie geben mir Halt, positive Energie und Stabilität im Leben. Wenn ich mich mit diesen Menschen umgebe, ist Lia Wälti ein glücklicher Mensch.

Granit Xhaka: Da bedarf es auch bei mir wirklich nicht viel (lacht). Wenn ich meine Familie um mich habe, meine liebe Frau, meine kleinen Töchter, meine Eltern, meine Geschwister – dann bin ich glücklich. Das ist für mich die wertvollste, glücklichste Lebenszeit, die ich geniesse. Doch natürlich hat auch sportlicher Erfolg einen Einfluss. So ein Moment wie bei der EURO nach dem letzten Elfmeter gegen Frankreich zum Beispiel werde ich nie mehr vergessen. Da explodieren die Glücksgefühle kurzzeitig geradezu!

Der Sommer ist für viele die Lieblingsjahreszeit, weil durch das «vermeintlich» schöne Wetter die meisten Aktivitäten nach draussen verlegt werden. Wie und wo verbringen Sie den Sommer am liebsten unter freiem Himmel?

Granit Xhaka: Die wenigen Wochen, die ich im Sommer frei habe und Urlaub machen kann, verbringe ich sehr gerne im Süden am Meer oder auch in der Schweiz. Ich bin dabei stets gerne aktiv. Nur am Strand zu liegen und gar nichts zu machen, ist gar nicht meins; da spiele lieber mal Tennis oder Tischtennis, mache längere Wanderungen an der frischen Luft oder auch schöne Ausflüge mit meiner kleinen Familie.

Lia Wälti: Wenn ich etwa im Sommer in der Schweiz bin, geniesse ich es, in den Bergen, an den Seen Zeit zu verbringen und die frische Luft, die Aussicht, das Bergpanorama zu erleben und so Kraft zu tanken. Draussen an der frischen Luft und in den Bergen zu sein – das ist für mich Sommer pur.

Smart
fact

Entweder oder

Ausdauer oder Kraft?
Granit Xhaka: Ausdauer
Lia Wälti: Das eine geht nicht ohne das andere

Indoor oder Outdoor?
Lia Wälti: Outdoor
Granit Xhaka: Outdoor

Verlängerung oder Elfmeterschiessen?
Lia Wälti: Verlängerung
Granit Xhaka: Elfmeterschiessen

Fleisch oder Fisch?
Granit Xhaka: Beides
Lia Wälti: Fisch

Sommer oder Winter?
Lia Wälti: Beides schön
Granit Xhaka: Da kann ich mich auch nicht entscheiden.

Serie oder Film?
Granit Xhaka: Serie
Lia Wälti: Film

Käse oder Schokolade?
Lia Wälti: Käse
Granit Xhaka: Schokolade

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31.07.2021
von Miriam Dibsdale
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