Interview von Jessica Petz

René Rindlisbacher: «Ich war nie ein Mensch, der Vorfällen lange nachgetrauert hat»

Bei «The Masked Singer» holte sich der Lützelflüher den sechsten Platz und unterhielt so, anders als sonst, sein Publikum mit Gesang. Doch obwohl der Schweizer die Comendyszene ordentlich versorgt, lief in seinem Leben nicht immer alles so erfreulich wie auf der Bühne.

Bei «The Masked Singer» holte sich der Lützelflüher den sechsten Platz und unterhielt so, anders als sonst, sein Publikum mit Gesang. Doch obwohl der Schweizer die Comendyszene ordentlich versorgt, lief in seinem Leben nicht immer alles so erfreulich wie auf der Bühne.

Wenn man René Rindlisbacher oder seine Werke «Schmirinskis» oder «Edelmais» nicht kennt, kann man sich nicht als Kenner:in der Schweizer Comedyfamilie bezeichnen. Rindlisbacher ist seit mehreren Jahrzehnten fester Teil der Schweizer Unterhaltungsszene und dort kaum mehr wegzudenken. Doch nicht nur durch seine Unterhaltungsprogramme ist er vielen bekannt. Angeborener Herzfehler, Verlust der Schwester und unzählige Operationen – Rindlisbacher war schon vielen Schicksalsschlägen ausgesetzt. Doch dies lässt er sich nicht anmerken und steht immer wieder auf, um weiterzumachen. Im Interview mit «Fokus» erzählt Rindlisbacher, wie er trotz all dem Negativen so positiv bleiben kann. 

René Rindlisbacher, seit fast 35 Jahren prägen Sie die Schweizer Comedyszene ausschlaggebend. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie Menschen gerne zum Lachen bringen? 

Mir wurde das bereits in die Wiege gelegt. Da haben wohl die Gene meiner Grossmutter und meines Vaters überhandgenommen (schmunzelt). Die beiden waren schon immer für Spässe zu haben, wodurch sie die ganze Familie zum Lachen animiert haben. Somit war es irgendwie logisch, dass ich die Tradition weiterführte und an Weihnachten meistens – freiwillig oder auch nicht – für Lacher zu sorgen hatte. Ich denke, das war der Ursprung für meinen späteren Beruf als Komiker. 

Réne Rindlisbacher mit Tochter Laura

Réne Rindlisbacher mit Tochter Laura.

Nehmen einen die Menschen überhaupt noch ernst, wenn man so viele Witze reisst? 

Es wäre schlimm, wenn nicht. Jedoch ist die Frage nicht unberechtigt. Jede:r Komiker:in läuft Gefahr, nie mehr aus einer Ecke der Unterhaltungsverdamnis zu kommen. Ist man einmal an dem Punkt angekommen, ist es sehr schwierig, diese wieder zu verlassen. Um dort erst gar nicht hinzugelangen, schafft man es nur, wenn die Humordosis, die man einsetzt, nicht ständig am Limit läuft und man selbst so Zeit zum Atmen hat. Abgesehen davon erzähle ich keine Witze, sondern pushe die Situationskomik. 

Was war ein wichtiger Wendepunkt in Ihrem Leben? 

Ich würde nicht von Wendepunkten reden, sondern eher von Richtungsweisern. Und davon gab es unzählige. Das einschneidendste Erlebnis in meiner Jugend war der Tod meiner kleinen Schwester durch Leukämie. Ich war erst sieben Jahre alt, weswegen dieses Ereignis mein Leben stark geprägt hat. Als Siebenjähriger wird man selten mit dem Thema Tod konfrontiert. Es war unglaublich schwierig, alles richtig einzuordnen. Ohne dieses Ereignis wäre meine Welt ganz bestimmt eine andere geworden. 

Mal angenommen, es gibt einen Zeitumkehrer und man kann in der Zeit zurückreisen. Welches Ereignis in Ihrem Leben würden Sie verändern wollen? 

Ich war nie ein Mensch, der Vorfällen lange nachgetrauert hat. Dinge passieren und alles, was ich erlebt habe, hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Natürlich wünschte ich mir, ich hätte meine Schwester aufwachsen sehen und sie als Teil meines heutigen Lebens gehabt. Sehr Vieles wäre mit grosser Sicherheit anders gelaufen. Andererseits hätte ich das Leben nicht, welches ich heute lebe und wofür ich dankbar bin. Vielleicht wäre es besser, vielleicht aber auch nicht, das weiss ich nicht – und werde ich auch nie wissen. So wie es ist, ist es richtig.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft? 

Die meisten meiner Wünsche haben sich erfüllt. Ich kann Vieles selber in die Hand nehmen und meine Zukunft gestalten. Einzig die Gesundheit für mich und meine Nächsten, kann ich nicht beeinflussen. Diese Gesundheit zu erhalten, wäre mein grösster Wunsch. 

Sie treten jetzt schon seit einiger Zeit mit Ihrer Tochter als Bühnen-Duo auf. Welche Gefühle löst es in Ihnen aus, mit ihr zu performen? 

Laura als meine Bühnenpartnerin zu haben, ist ein unglaublich grosses Privileg. Es erfüllt mich mit Stolz, dass sie es geschafft hat, nicht einfach «nur» als Tochter, sondern auch als eigenständige Komikerin wahrgenommen zu werden. Wir beide ticken sehr ähnlich, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert und wir beide riesigen Spass am Proben und Performen haben. 

Man hört bekanntlich dann auf, wenn es am schönsten ist. Wann wollen Sie in Rente gehen? 

«Am schönsten» war es schon Tausende Male in meiner Karriere. Wenn ich dann jedes Mal aufgehört hätte, als diese Momente kamen, würden wir dieses Interview nicht führen, was ja auch viel zu schade wäre. Ich werde dann aufhören, wenn ich keinen Spass mehr habe, auf der Bühne zu stehen – oder die Zuschauer:innen nicht mehr kommen. Und eines von beiden wird schon eintreffen, sonst stehe ich halt noch in 20 Jahren hier (lacht). 

Schicksalsschläge hatten Sie schon sehr viele im Leben. Verarbeitet man diese und schliesst mit gewissen Vorfällen ab oder versucht man sich mit anderen Angelegenheiten abzulenken? 

Man muss gar nicht unbedingt mit Vorfällen abschliessen, um diese zu verarbeiten. Jeder Mensch sollte versuchen, sie anzunehmen und lernen, damit umzugehen. Wenn man nüchtern darüber nachdenkt, macht leider alles irgendwo einen Sinn, auch wenn es wehtut oder uns der Sinn noch nicht ersichtlich ist. Konfrontation mit sich und mit seiner Situation ist sicher ein sehr guter Lebensberater. Je mehr man darüber redet und sich darüber Gedanken macht, desto ersichtlicher werden einem die Hintergründe.

Sie hatten bereits mit 20 Jahren einen Herzinfarkt. Wie fühlt sich ein Herzinfarkt an und konnten Sie das in diesem Moment direkt als einen zuordnen? 

Zuordnen konnte ich in dem Moment gar nichts, nein. Ich brach direkt zusammen und kann mich bis heute an gar nichts erinnern. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich diesem Vorfall nie eine wichtige Bedeutung gegeben und weitergemacht habe wie vorher. Hätte ich mich mehr damit beschäftigt, hätte ich vielleicht Entscheidungen anders getroffen und wäre ganz woanders gelandet. Es war vielleicht ein interner Weckruf, der es mir möglich machte, andere Türen zu öffnen.

Wer oder was gibt Ihnen Kraft in schlechten Zeiten? 

Zeiten sind nie schlecht, sie sind differenzierter. Es ist nötig, Zeiten, in denen es anders als erwartet kommt, mit meinen Nächsten einzuordnen und offen darüber zu reden. Das haben wir immer unglaublich gut hingekriegt. Meine Frau und unsere Kinder sind jedoch nicht die einzigen, auf die ich mich immer verlassen kann. Kraft kommt auch durch das Wissen, dass ich nie allein bin und ich eine Familie habe, die immer hinter mir steht und für mich da ist.

Ob ich heute geheilt bin, weiss ich nicht.

Sie leiden schon seit Jahren an Depressionen. Können Depressionen geheilt werden, oder lernt man nur damit zu leben?

Ich bin glücklich heute zu sagen, dass ich schon länger nicht mehr darunter leide. Gedanken habe ich mir in der Zeit sehr viele gemacht, und bin heute an einem Punkt, an dem ich nicht mehr sicher bin, ob es dabei nur um das Leiden ging. Es ist ein Zustand des Kontrollverlustes über einen selbst und die Angst, die Kontrolle nicht wiederzuerlangen. Ich musste lange lernen, anzunehmen, dass ich nicht immer Herr über mich selbst sein kann und manchmal Dinge passieren, ohne dass ich etwas daran ändern oder beeinflussen kann. Ob ich heute geheilt bin, weiss ich nicht. Es ist mir auch nicht wichtig, Heilung zu definieren. Die Sicherheit, immer aufgefangen zu werden und Menschen zu haben, die hinter mir stehen, erleichtern es mir, mit diesen Einschränkungen zu leben.

Hinter jedem Clown steckt eine traurige Geschichte. Ist es schwer, bei so vielen Schicksalsschlägen und Leid andere zum Lachen zu bringen? 

Comedy war für mich nie der Versuch, etwas zu kaschieren oder etwas zu verstecken. Ich mache es, weil ich es liebe, Menschen zum Lachen zu bringen. Trotzdem bin ich auch gerne traurig und weine gerne. Weinen tut unfassbar gut und man kann Ballast abwerfen, an dem man so lange festgehalten hat. Ich gehe mit Trauer aber auch anders um als die meisten, die ich kenne. Als Pragmatiker hilft es mir sehr, Freude und Trauer meistens richtig zu erleben. 

Wie schaffen Sie es, bei so viel Leid noch positiv zu bleiben und mit Ihrem Beruf fortzufahren? 

Sie übertreiben. Es ist überhaupt nicht viel Leid da. Mir geht es wunderbar, weil ich mich mit meiner Geschichte arrangiere und mit ihr spiele. Ich hadere nie und bin mit meinem Schicksal in sehr gutem Einklang.

Was macht Sie im Moment glücklich?

Alles zu dürfen und nichts zu müssen.

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29.11.2022
von Jessica Petz
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