Während der Pandemie realisierte Denzel Washington, dass es so mit ihm nicht weiter gehen konnte. Was dem am 28. Dezember 70 Jahre alt werdenden Schauspieler nicht passte und wieso er heute ambitionierter ist denn je, erzählt der «Gladiator II»-Darsteller im Interview.
Denzel Washington will es noch einmal wissen. Dabei könnte er eigentlich für den Rest seines Lebens in Italien Pasta essen (eines seiner Hobbys) oder sich sonst irgendwie auf seinen Lorbeeren ausruhen. Als Schauspieler hat er so ziemlich alles erreicht: Von «Malcolm X» zu «Macbeth» hat er die ganze Bandbreite von Larger-than-Life-Figuren durchgespielt – im Film und auf der Bühne. Zehn Oscar-Nominationen hat er eingeheimst. Zweimal durfte er die Statue nach Hause tragen, nämlich für «Glory» (1990) und «Training Day» (2001). Und privat scheint er auch alles richtig gemacht zu haben, denn seine vier Sprösslinge sind alle erfolgreich im Filmgeschäft angekommen. Aber davon später.
Zurück zu Denzel Washington, der viele neue Pläne schmiedet: Es ist November und der Pfarrerssohn promotet seine glorreiche Performance als Bösewicht in «Gladiator II», die ihn zum Frontrunner unter den Nebendarstellern in der diesjährigen Award-Season macht. Das kommt nicht von ungefähr: «Ich glaube, meine beste Arbeit liegt noch vor mir», erzählt er im Four Seasons Hotel in Beverly Hills der Presse. «Ich arbeite härter als je zuvor.» Während der Pandemie sei er an einen Punkt gekommen, an dem er ziemlich unzufrieden war: «Ich habe in den Spiegel geschaut und mich gefragt, was ich will und wie ich besser sein kann. In den letzten zwei Jahren habe ich nun 35 Kilo abgespeckt und etwa acht Kilo an Muskeln wieder zugelegt. […] Ich bin nur noch am Besten interessiert, in Anwendung dessen, was ich noch übrig habe.»
Sein Handy klingelt. «Offenbar hat jemand das Memo nicht gekriegt, dass ich beschäftigt bin», lacht er. «Es ist wahrscheinlich mein Trainer. Oder meine Frau.» Weder noch. Es ist der Produzent des Theaterstücks «Othello», in dem er ab Februar am Broadway auftreten wird. Die beiden albern auf FaceTime herum, ehe es wieder zur Sache geht: Männer in der Arena. Vor Kurzem trat Mike Tyson gegen Jake Paul in den Ring, ein Box Match, der von Millionen auf Netflix gesehen wurde. Mann gegen Mann, Faust auf Faust – was im alten Rom faszinierte, begeistert immer noch. Wieso kann oder will Denzel Washington nicht erklären. Er boxt selber seit 25 Jahren. «Ich liebe den Sport und den Wettbewerb – und am Schluss wird man nicht den Löwen verfüttert!» grinst er. «Mike Tyson und der andere Typ umarmten sich am Schluss. Das war im alten Rom nicht der Fall. Aber es stimmt: Boxing ist das Schmerz-Geschäft. Der grossartige Promoter Butch Lewis, der ein guter Freund von mir war, nannte es so. Vielleicht ist die Faszination ein Männer-Ding, aber das stimmt auch nicht wirklich, denn in meinem Box-Club haben wir jetzt eine Boxerin, die ein Champion ist. Sie hat auch ein paar Typen bei uns k. o. geschlagen.»
Nur noch das Beste ist gut genug
Seine nach «American Gangster» zweite Zusammenarbeit mit Regisseur Ridley Scott für «Gladiator II» war ein No-Brainer: «Er ist ein Meister, der mit zehn, zwölf, fünfzehn Kameras arbeitet. Ich vergleiche es mit dem Fliegen: Wenn man dem Piloten nicht vertraut, sollte man nicht einsteigen. Ridley kann fliegen – auf seine ganz besondere Weise wie niemand sonst. Und an solchen Leuten bin ich jetzt besonderes interessiert: quasi die besten Piloten, die es mir ermöglichen, in die höchsten Höhen aufzusteigen. Während Covid habe ich mich entschlossen, selber auf diese Leute zuzugehen. Zum Beispiel Paul Thomas Anderson. Wir hatten ein gutes Meeting. Ob daraus auch eine Zusammenarbeit wird, wird sich weisen.»
Washington führte auch schon selbst Regie: Bei vier Filmen und einer Episode von «Grey’s Anatomy», aber als Experte hinter der Kamera sieht er sich nicht. Es gebe einen Unterschied zwischen dem Machen eines Films und einem Filmemacher. «Ich habe ein paar Filme gemacht, aber mein Sohn ist ein Filmemacher. Ich bin dabei zu lernen, was der Unterschied ist. Die Vorbereitung, die Visionen gehören sicher dazu.» Dass er wie in «Fences» (2016) oder «Antwone Fisher» (2002) nochmals in einem Film auftreten wird, den er selber inszenierte, hält er für unwahrscheinlich. «Man kann nicht beides gut machen. Mit der Ausnahme von Clint Eastwood vielleicht.»
Die grösste Befriedigung gibt mir, dass ich meine Möglichkeiten – ich hasse das Wort Plattform – nutzen kann, Gelerntes weiterzugeben. – Denzel Washington
Jüngst produzierte Denzel Washington «The Piano Lesson» für Netflix. Die Filmadaption eines August-Wilson-Stücks war eine Family Affair: In Szene gesetzt wurde sie von seinem oben erwähnten filmemachenden Sohn Malcolm, sein Sohn John David spielt eine der Hauptrollen. Auch die beiden Töchter sind im Showbusiness: Katia arbeitet in der Produktionsfirma von LeBron James und Malcolms Zwillingsschwester Olivia ist Schauspielerin. Sie seien im Showbusiness aufgewachsen, so wie ihre Freunde auch, also sei es nur natürlich, dass sie nun alle auch im Showbusiness sind. «Meine Frau ist der grosse Filmfan in der Familie und deshalb waren meine Kinder von klein auf auch Filmfans. Von mir hatten sie das nicht. Ich habe als Kind keine Filme geschaut, ich wollte draussen spielen», erinnert er sich. Und stolz fügt er bei, dass seine Kids sich ihre Karrieren durchaus verdient haben: «Sie haben den ehrlichen Weg gewählt. Sie haben das Handwerk an den besten Universitäten gelernt und meine Frau hat dafür gesorgt, dass sie respektvolle und disziplinierte Menschen werden.»
Eine Zusammenarbeit vor der Kamera mit seinem Nachwuchs muss noch eine Weile warten. Denzel Washington ist die nächsten sechs Jahre bereits mit Filmen für Steve McQueen, Ryan Coogler und Antoine Fuqua, für den er den legendären Feldherrn Hannibal verkörpern wird, ausgebucht. Das Schönste am Kino sei für ihn, Menschen für zwei Stunden den Rest vergessen zu lassen: «Ich nehme, was ich mache, nicht zu ernst. Die grösste Befriedigung gibt mir, dass ich meine Möglichkeiten – ich hasse das Wort Plattform – nutzen kann, Gelerntes weiterzugeben. Ich bin in der Zurückgeben-Phase meines Lebens. Ich sehe es gerne, wenn andere auch reüssieren.» Damit er sein Bestes geben kann, muss er aber zuerst noch zum Zahnarzt, seinen losen Zahn flicken: «Damit ich die ‹Ts› von Shakespeare auch schön aussprechen kann.»
Headerbild © Aidan Monaghan/Paramount Pictures
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