Frank Thelen: »Die autonomen Systeme werden sicherer fahren als jeder Mensch«

Frank Thelen ist einer der bekanntesten und einflussreichsten deutschen Unternehmer und Investoren. Viele Menschen kennen ihn als strengen Juror der TV-Sendung »Die Höhle der Löwen«. Wir wollten von dem Vorausdenker wissen, welche Mobilitätsthemen er als zentral erachtet und welche Mobilitätslösung der Zukunft für ihn das größte Potenzial aufweist.

Frank Thelen, mit welcher Mobilitätslösung hätte sich ein Start-up-Unternehmen in die »Die Höhle der Löwen« (DHDL) wagen müssen, um von Ihnen einen Zuschlag zu erhalten?

Das ist leider gar nicht so einfach – wir investieren mit unserem Unternehmen Freigeist in Firmen, die mithilfe disruptiver Technologien und »First Principles Thinking« komplett neue Ansätze für Mobilität und Co. entwickeln, wie es etwa Lilium mit seinem elektrischen Jet getan hat. Diese Technologien sind so komplex, dass ich sie unmöglich innerhalb von einem Zwei-Stunden-Pitch wirklich prüfen und beurteilen könnte – mal ganz abgesehen davon, dass die Leute vor dem Fernseher abschalten würden, sobald die Gründer hier tiefer in die Technologie einsteigen. Das ist der Hauptgrund, warum ich aus DHDL ausgestiegen bin – ich möchte meine Zeit aktuell nur noch in diese großen Visionen investieren, und dafür ist DHDL einfach nicht das richtige Format, auch wenn ich der Show sehr viel zu verdanken habe.

Wie sehen Sie generell die Zukunft der Elektromobilität?

Für mich steht außer Frage, dass die Elektromobilität sich auf der Straße und bei kürzeren Strecken auch in der Luft durchsetzen wird. Wasserstoff ist hier technologisch gesehen aufgrund der niedrigen Gesamteffizienz und Komplexität einfach keine sinnvolle Alternative. Aus meiner Sicht sind die Tage des Verbrennermotors gezählt.

Wie wichtig ist Ihres Erachtens die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen für die Mobilität der Zukunft? Und welche Infrastrukturen müssen entwickelt werden, um das Potenzial autonomer Fahrzeuge vollständig auszuschöpfen?

Auch wenn viele es sich heute noch nicht vorstellen können: Es gibt bereits autonom fahrende Autos in begrenzten Gebieten. Und dies werden wir spätestens nächstes Jahr auch in Deutschland erleben. Alle notwendigen Chips und Sensoren sind verfügbar, jetzt geht es nur noch darum, ausreichend Trainings-Daten zu sammeln und effektiv verarbeiten zu können. Damit werden viele Autos dann zu Taxis, wir werden also weniger Autos haben und deutlich weniger Unfälle. Die Systeme werden sicherer fahren als jeder Mensch.

Wie werden sich dementsprechend die Bedürfnisse und Erwartungen der Verbraucher an die Mobilität in den nächsten Jahren verändern?

Das Auto wird irgendwann kein Statussymbol mehr sein, weil wir es nicht mehr selbst fahren müssen. Konfigurationen, auf die die Autoindustrie heute noch setzt, werden damit irrelevant. Was dann relevant wird, sind Fragen wie: Wer hat das beste Entertainmentprogramm? Oder wer bietet den besten Komfort? Aktuell hat unsere deutsche Autoindustrie aber noch ganz andere Herausforderungen: Sie muss erst mal beim elektrischen Antrieb sowie dem autonomen Fahren aufholen.

Zukünftig wird es auch in der Mobilität um Chips und Daten gehen. Frank Thelen

Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang öffentliche Verkehrsmittel und intelligente Verkehrssysteme für die Mobilität der Zukunft?

Enorm wichtig – bei der Mobilitätswende müssen sehr viele Lösungen und Ansätze zusammenkommen. Wir brauchen nachhaltige, effiziente und bezahlbare Mobilitätslösungen für jede und jeden. Großes Potenzial sehe ich zum Beispiel noch bei der Routenoptimierung – durch die Fortschritte im Bereich KI werden wir zukünftig die Routen von Ride-Sharing-Diensten wie zum Beispiel MOIA in Hamburg sehr viel effizienter gestalten können.

Welche innovativen Technologien und Geschäftsmodelle werden die Mobilität in den nächsten Jahren am stärksten verändern?

Die größten Veränderungen sind mit dem Eintritt vollständig autonom fahrender Autos und dem Markteintritt der Flugtaxi-Unternehmen zu erwarten. Beides halte ich in den kommenden Jahren für realistisch, Lilium strebt die ersten kommerziellen Flüge für das Jahr 2025 an. Besonders das Potenzial von effizienten eVTOLs, sprich elektrisch angetriebener Fluggeräte, die senkrecht starten und landen können, wird massiv unterschätzt.

Und wie werden sich solche neuen Technologien wie Drohnen, Flugtaxis und Hyperloop auf die Mobilität der Zukunft auswirken?

Drohnen werden insbesondere in der Logistik bei der sogenannten Last-Mile-Delivery eine große Rolle spielen und dadurch Versanddienstleister wie DHL, Hermes und DPD beeinflussen. Effiziente Flugtaxis und Hyperloops wiederum sind eine sinnvolle Ergänzung beziehungsweise Alternative für Kurz- und Mittelstreckenflüge und können unsere Straßen entlasten. Wie bei jedem Paradigmenwechsel werden die Unternehmen mit x-fach besseren Produkten gewinnen. Hier geht es um Fragen wie: Welches Flugtaxi ist am leisesten? Welches Modell weist die beste Reichweite auf? Und natürlich: Wer bietet die höchste Sicherheit? Diesmal wird es auch in der Mobilität um Chips und Daten gehen; wer hier führend ist, wird das nächste Google.