Seit nunmehr zehn Jahren gibt es die Bewegung der Body Positivity. Mittlerweile sind der Begriff und der Dialog darüber im kulturellen Mainstream angekommen. Die Ziele, Mythen und Zukunft des Anliegens.
Der Kern der Body-Positivity-Bewegung dreht sich um die Förderung von positiven Körperbildern in der allgemeinen Gesellschaft. Dabei geht es aber nicht nur um das Äussere. Viel mehr bezeichnet «Körperbild», wie man den eigenen Körper wahrnimmt, wie man über ihn denkt und mit ihm umgeht. Die Wertschätzung des Körpers und die Akzeptanz dessen Eigenheiten sind zentrale Wünsche der Bewegung. Ronia Schiftan und Brigitte Rychen der Fachstelle PEP (Prävention von Essstörungen Praxisnah) am Inselspital Bern erklären, warum diese Anliegen wichtig sind und welche Missverständnisse der Bewegung im Weg stehen.
Gesundheit der Gesellschaft stärken
Bei Body Positivity geht es nicht nur darum, Body Shaming und Mobbing auszumerzen. Ein negatives Körperbild hat weitreichendere Konsequenzen. Eine Obsession mit dem eigenen Körper im Zusammenspiel mit einer erhöhten Körperunzufriedenheit kann zu extremen Verhaltensweisen führen: ungesundes Essverhalten, Restriktionen wie Diäten sowie Substanzmissbrauch. Die Expertinnen der Fachstelle PEP betonen, dass wer «einen positiven Körperbezug hat, Bedürfnisse und Grenzen besser wahrnimmt und den Körper als wichtige Ressource sieht». Eine positive Wahrnehmung des eigenen Körpers ist also ein Fundament für den gesundheitsfördernden Umgang mit sich selbst.
Bei Body Positivity geht es nicht nur darum, Body Shaming und Mobbing auszumerzen.
Missverständnisse der Bewegung und der Gesundheit
Ein weitverbreiteter Irrtum, der sich hartnäckig halten kann, ist, dass Body Positivity Übergewicht verherrlicht und die gesundheitlichen Konsequenzen davon herunterspielt. Aus medizinischer Sicht ist das aber Unfug. Denn nur vom Erscheinungsbild kann man nicht den Gesundheitszustand oder -Verhalten ableiten. Die Gesundheit einer Person lässt sich nicht einfach in gut oder schlecht unterteilen. «Unser Gesundheitszustand ist sehr komplex. Ein Indikator wie Gewicht ist nur einer unter vielen», erklären die Expertinnen. Viel schädlicher sind die Stereotypen, die den Menschen die Vielfalt aberkennen und gesundes Verhalten an nur einem Indikator festmachen.
Der Mensch ist mehr als nur ein Körper
Die Menschen sind auf der einen Seite visuelle Wesen und auf der anderen Seite interagieren sie primär durch ihren Körper mit ihrem Umfeld. Deshalb ist es ganz natürlich, dass das Erscheinungsbild für die meisten Menschen sehr wichtig erscheint. Dies wurde durch die sozialen Medien noch verstärkt. Auch die Body-Positivity-Bewegung funktioniert häufig auf visueller Ebene. Diese Körperfixiertheit zu schwächen oder aufzulösen, ist dabei gar nicht so einfach. Die Expertinnen geben dazu aber zwei Lösungsansätze: «Auf Kommentare zu und über den Körper kann man grundsätzlich verzichten. Stattdessen Talente, Stärken und Fähigkeiten zu betonen und zu fördern ist zielführender.»
Noch viel Arbeit
Auf den Körper bezogene Unsicherheiten breiten sich immer mehr auch auf männliche Jugendliche aus. Schon länger ist das Körperbild kein reines Frauenthema mehr und führt teils auch zu ungesundem Verhalten unter Männern.
Darum gibt es auch immer mehr Männer, die sich öffentlich für Body Positivity aussprechen und andere dazu ermutigen wollen. Nichtsdestotrotz wird der Frauenkörper öfter und härter im Diskurs der Öffentlichkeit diskutiert. Den Expertinnen ist jedoch wichtig, dass sowohl «Frauen als auch Männer als ‹Menschen› hinstehen und einen positiven Körperbezug zelebrieren und wir uns als Gesellschaft von der Fixierung auf das Erscheinungsbild lernen zu emanzipieren.
Mehr zur Gesundheitsförderung der Fachstelle PEP: pepinfo.ch
Text Kevin Meier
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