Das atemberaubende Bergpanorama, die erstklassige Schokolade sowie die hohen Preise sind Aspekte, für welche die Schweiz weltweit bekannt ist. Doch mindestens ebenso «typisch schweizerisch» ist der hohe Selbstbestimmungsgrad durch die direkte Demokratie. Ein Recht, das zur Teilnahme an den Wahlen 2023 verpflichtet.
Wer die Schweiz in ihrer authentischsten Form erleben möchte, sollte unbedingt an einer Bürgerversammlung teilnehmen. Denn wenn das Stimmvolk einer Gemeinde zusammenkommt, um gemeinsam über Investitionen zu befinden oder dem Gemeinderat kritische Fragen zum Haushalt zu stellen, zeigt sich das direktdemokratische System der Schweiz in seiner ganzen Pracht. Dank dieses Systems geniessen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hierzulande ein hohes Mass an politischer Mitbestimmung, sowohl auf Gemeinde-, Kantons- und nationaler Ebene. In diesem Feld darf sich die Schweiz sogar als unbestrittene Weltmeisterin bezeichnen: Gemäss Eidgenössischem Departement für auswärtige Angelegenheiten fanden mehr als ein Drittel aller weltweit durchgeführten Volksabstimmungen auf nationalen Ebenen hierzulande statt.
Die historischen Wurzeln
Dass man in der Schweiz zu Sachthemen abstimmen sowie die Vertreterinnen und Vertreter im Parlament selbst wählen kann, hat das Schweizer Stimmvolk Frankreich zu verdanken. Denn die Erfindung der modernen direkten Demokratie lässt sich auf die Französische Revolution zurückführen: Als 1792 der König Frankreichs abgesetzt wurde, ging es unter anderem darum, eine nationale Verfassung zu entwerfen, die sowohl das «kontrollierende obligatorische Verfassungsreferendum» als auch das «progressive» Initiativrecht der Bürger:innen umfasste. Unglücklicherweise – für Frankreich – wurden diese Bestrebungen in den Wirren der Revolution aber letztlich wieder begraben.
Der Grundgedanke der «revolutionären Verfassung» fiel hingegen in der benachbarten Schweiz auf fruchtbaren Boden und ab 1830 wurden Volksrechte in den Verfassungen fast aller Kantone der damaligen Eidgenossenschaft verankert. Später wurden sie auch auf Bundesebene eingeführt. Doch warum konnte das System der direkten Demokratie gerade hier so gut Fuss fassen? Laut Fachleuten sei dies einerseits auf den hohen Grad an Dezentralität zurückzuführen. Andererseits hat auch die Praxis der «Versammlungsdemokratie» dazu beigetragen. Diese Form der politischen Mitbestimmung geht bis ins alte Griechenland zurück und kann als eine «Urform» der direkten Demokratie angesehen werden. Dieses Prinzip erfreute sich schon im Mittelalter in vielen Schweizer Städten und Kantonen reger Anwendung – und existiert bis in die heutige Zeit, unter anderem in Form der eingangs erwähnten Gemeindeversammlung.
Nicht selbstverständlich
Die direkte Demokratie hat sich also über einen langen Zeitraum in der Schweiz etabliert. Und sie ist ein Privileg: Weniger als zehn Prozent der Länder weltweit ermöglichen ihrer Bevölkerung einen solch hohen Grad an politischer Mitbestimmung. Damit das System aber seinem Anspruch genügen kann, nämlich den Willen des Stimmvolkes abzubilden, ist die direkte Demokratie auf eine möglichst hohe Teilnahme angewiesen. Und hier gibt es laut Bundesamt für Statistik grundsätzlich Positives zu vermelden: Während die Beteiligung an den eidgenössischen Volksabstimmungen im 20. Jahrhundert stetig abgenommen hat, stieg die durchschnittliche Stimmbeteiligung nach der Jahrtausendwende wieder an (von 42 Prozent in den 1980er-/1990er-Jahren auf 46 Prozent im Jahr 2022).
Während Volksabstimmungen zu Sachthemen polarisierend sein können und damit je nach Thema eine hohe Stimmbeteiligung erzielen, ist die Wahl der Parlamentsvertreterinnen und -vertreter deutlich mühseliger: Die Wahlcouverts bei den Nationalratswahlen werden immer dicker, weil es immer mehr Listen mit immer mehr Kandidierenden gibt. In diesem Jahr dürften rund 5000 Kandidaturen eingehen, was einen neuen Rekord darstellt. Aus diesem enormen Pool die passenden Politikerinnen und Politiker auswählen, ist Arbeit. Doch diese Arbeit zu leisten, ist wichtig, wie Fachleute betonen. Denn für jede Volksabstimmung entscheidet das Parlament über 100 weitere Vorlagen, die nicht vors Volk kommen. Die im Parlament gefällten Entscheidungen der Nationalrätinnen und -räte spielen häufig eine viel umfassendere Rolle als einzelne Volksabstimmungen und haben potenziell einen grösseren Impact auf das Leben der Schweizer Bevölkerung. Schliesslich treffen die Abgeordneten in Bern Entscheidungen zu einer Vielzahl von Themen und Gesetzen, deren Tragweite nicht immer sofort ersichtlich ist. Von Bildung und Gesundheitswesen über Verkehr- und Energiepolitik – es sind die Vertreter:innen im Parlament, welche die entscheidenden Weichen stellen. Die Parlamentswahlen diesen Oktober spielen damit eine essenzielle Rolle in der politischen Agenda.
Wie erreicht man junge Wähler:innen?
Ein Problem, welches sich gerade während der Nationalratswahlen zeigt: Vor allem junge Menschen sind schwieriger für das Abarbeiten von Wahllisten zu begeistern. Dabei wäre es in ihrem Interesse, eine Vertretung zu wählen, die politische Richtentscheide fällt, die ihren langfristigen Bedürfnissen entsprechen. Um diese Awareness zu erhöhen, gilt es, die Zugänglichkeit und Verständlichkeit des politischen Prozesses für die jüngeren Einwohner:innen zu erleichtern. Denn Informationsquellen wie die Abstimmungsunterlagen sind oft wenig verständlich und auch Websites wie admin.ch sind inhaltlich oft sehr technisch und komplex, was die junge Wählerschaft abschrecken kann. Alternativen gibt es glücklicherweise bereits und neue Informationsplattformen richten sich explizit an die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von morgen.
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