Der Traum vom Eigenheim ist endlich erfüllt! Doch schnell ziehen dunkle Wolken auf. Auslöser dafür ist der Eigenmietwert. Was sind die Vor- und Nachteile des Eigenmietwerts? Kann man etwas gegen ihn unternehmen? Und was passiert bei einer Abschaffung? «Fokus» klärt auf.
Ursprünglich wurde der Eigenmietwert während des Ersten Weltkriegs als Kriegssteuer eingeführt. Auf diese Weise sollten Zollerträge kompensiert werden, welche infolge des Krieges auftraten. Die Steuer wurde 1934 zum wiederholten Mal eingeleitet, diesmal mittels Notrecht als eidgenössische Krisenabgabe zur Erholung des Bundeshaushalts. Letztendlich wurde die Steuer durch die Zustimmung des Volkes im Jahre 1958 in das reguläre Recht integriert.
Die Folge?
Besitzt man heute in der Schweiz eine eigene Immobilie, so ist man verpflichtet den Eigenmietwert als Einkommen zu versteuern. «Stellen Sie sich vor, man würde das Haus, in dem man wohnt, vermieten. Die Mieteinnahmen, die dadurch entstehen, muss man versteuern. Da man das Haus aber gar nicht vermietet und dementsprechend die Einnahmen gar nicht wirklich generiert, zahlt man Steuern auf theoretischem Einkommen», so der Finanzblogger, Fabio Marchesin, besser bekannt als FinanzFabio. Als Eigenheimbesitzer*in ist man also automatisch gezwungen, mehr Steuern zu zahlen. Andererseits hat man als Hausbesitzende auch die Möglichkeit, die Unterhaltskosten, Hypothekarschuldzinsen und Auslagen für Energiespar- oder Umweltschutzmassnahmen an der Immobilie abziehen zu lassen.
Dennoch bleibt es dabei: Das Versteuern eines theoretischen Einkommens, das man gar nicht erzielt, ist vielen ein Dorn im Auge. Doch wieso verlangt der Staat, dass man Einnahmen versteuert, die gar nicht existieren? «Im Grundsatz geht man davon aus, dass der Besitz von Wohneigentum günstiger ist, als Miete zu zahlen. Daher will man aus Solidaritätsgründen die Hauseigentümer steuerlich mehr belasten», erklärt FinanzFabio.
Kann man den Eigenmietwert senken?
Berechnet wird der Eigenmietwert folgendermassen: Eine Schätzung der Immobilie wird von der jeweiligen kantonalen Steuerbehörde ausgeführt. Laut der eidgenössischen Steuerverwaltung muss der Eigenmietwert dann mindestens 60 Prozent des marktüblichen Mietwerts betragen.
Gegen die Berechnung kann aber Einspruch erhoben werden, wenn der Eindruck besteht, dass der Eigenmietwert zu hoch sei. Vor allem bei einer Veränderung der Nutzungsbedürfnisse sollte man unmittelbar Einsprache erheben. «Wenn sich die Lebensumstände verändern, das heisst sobald ein ungenutzter Raum vorliegt, weil zum Beispiel ein Kind oder der Ehepartner ausgezogen ist, sollte man das sofort melden. Die Zimmer müssen dann in der Praxis aber wirklich leergeräumt sein», erläutert der Finanzblogger.
Abschaffung in Sicht?
Dafür, dass der Eigenmietwert so unbeliebt scheint, hält er schon seit über 80 Jahren beharrlich seine Stellung. Doch das soll sich jetzt ändern. Im Februar 2017 startete die Wirtschaftskommission des Ständerats eine parlamentarische Initiative zur Abschaffung des Eigenmietwerts. Diese würde nur Wohneigentum am Hauptwohnsitz betreffen und nicht für Zweitliegenschaften, beziehungsweise Ferienwohnungen, gelten. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) möchte dabei ein neues System einführen. Bei der Ablösung des Eigenmietwerts stösst man aber auf Gegenwind.
Gewisse Steuerabzüge würden für Eigentumsbesitzende bei einer Abschaffung nicht mehr möglich sein. Beispielsweise wäre der Abzug für Unterhaltskosten nicht mehr vom steuerbaren Einkommen abziehbar. Auch Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sowie denkmalpflegerische Arbeiten würden nicht mehr abzugsfähig sein. Aus diesen Gründen ist die Abschaffung des Eigenmietwerts immer noch umstritten. «Schlussendlich gewährt der Eigenmietwert den Hauseigentümern ansprechende Steuerabzüge. Bei den niedrigen Hypothekarzinsen heute sind diese nicht mehr der Rede wert, aber man kann auch für werterhaltende Renovationen Abzüge tätigen.
Dies ist sicherlich ein Grund, warum die Liegenschaften in der Schweiz viel gepflegter sind als in unseren Nachbarländern. Schafft man den Eigenmietwert ab, laufen wir auch Gefahr, diese Abzüge abzuschaffen», erläutert FinanzFabio. Andererseits birgt die Abschaffung aber auch Vorteile. «Trotz des Schweizer Traums des Einfamilienhauses, ist die Schweiz nach wie vor ein Land der Mieter*innen. Die Abschaffung des Eigenmietwertes macht jedoch den Kauf eines Eigenheimes um einiges attraktiver. Dies würde zu weniger Ausgaben führen, was speziell in Zeiten einer ungewissen AHV- und Pensionskassenrente die Budgets entlasten würde», erklärt FinanzFabio.
Die Abschaffung dauert länger als gedacht
Es ist klar: Das jetzige System des Eigenmietwerts sorgt für viel Diskussion. In den letzten Jahren hat die Wirtschaftskommission mehrmals versucht, eine Änderung im alten System hervorzurufen, welche allerdings nicht mehrheitsfähig war. Daher ist noch nicht klar, ob und wann der Eigenmietwert abgelöst werden kann. Der Prozess könnte durchaus noch Jahre dauern.
Auch aufgrund der momentanen Pandemie und der damit zusammenhängenden steigenden Staatsverschuldung könnten sich neue Schwierigkeiten bei der Abschaffung des Eigenmietwerts entfalten. Ein Referendum steht somit nicht aussen vor. Damit eine erfolgreiche Abschaffung stattfinden kann, müssen aber noch mehrere Hürden überwunden werden. «In erster Linie müssten alle verstehen, was der Eigenmietwert ist und warum man diesen auch der heutigen Zeit anpassen muss. Danach müsste in einer neuen Initiative klar geregelt werden, welche Abzüge noch geltend gemacht werden können», erklärt der Finanzblogger.
Text Evgenia Kostoglacis
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