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Expats in der Schweiz: Die Ferne, die Ferne bleibt

27.11.2018
von Simon Misteli

Mit einer starken Wirtschaft und einer überaus hohen Lebensqualität scheint die Schweiz ein beliebtes Ziel für Expats zu sein. Allerdings berichten hier lebende Expats von hohen Kosten, schwieriger Einlebungszeit und generell von Schwierigkeiten, Freunde zu finden.

Wenn John Doe spät abends von der Arbeit kommt, ist die Erwiderung eines höflichen Nickens seines Nachbars, den er im Treppenhaus kreuzt, die einzige Kommunikation ausserhalb der eigenen vier Wände. Sobald er sein teures Apartment betritt, begrüsst ihn seine Frau Jane liebevoll. Jane ist den ganzen Tag zuhause geblieben, weil sie ihre zwei Kinder noch nicht allein lassen kann. Und die nächsten Angehörigen, die sich um die Kinder hätten kümmern können, befinden sich viele Kilometer entfernt in den USA.

Fern von Zuhause
John Doe ist ein Expatriat oder kurz: ein Expat. Expats sind Personen, die vorübergehend oder dauerhaft in einem anderen Land leben, als sie aufgewachsen sind. Meist werden sie von einem Unternehmen in ihrem Heimatland entsandt, um in einer Zweigstelle zu arbeiten. Allerdings werden auch ihre Ehepartner und Kinder, die sie mit sich genommen haben, als Expatriate bezeichnet. John und Jane haben sich an der Universität kennengelernt. Mit einem abgeschlossenen Studium gehören sie zum Grossteil der Expats, die meist eine hohe Ausbildung oder spezielle Fähigkeiten mit sich bringen, mit denen sie dem Unternehmen im Zielland einen Mehrwert bieten können.

Expats sind Personen, die vorübergehend oder dauerhaft in einem anderen Land leben, als sie aufgewachsen sind.

Wunschdestination Schweiz
Wie zuvor erwähnt, werden Expats meist von ihrem Arbeitgeber ausgesandt. Manchmal können sich die Arbeitnehmer selbst aussuchen, wohin sie ziehen wollen. Als John Doe vor der Entscheidung stand, in welchem Land er mit seiner Familie für die nächsten paar Jahre – vielleicht auch für den Rest ihres Lebens, wer weiss? – leben will, musste er mehrere Faktoren berücksichtigen. Im Vordergrund stand natürlich seine Familie. Sie sollte sich in ihrer neuen Heimat wohlfühlen können, seine Kinder sollten eine ausgezeichnete Ausbildung geniessen und sich geborgen fühlen. Natürlich spielt auch der Lohn eine grosse Rolle in der Entscheidung. John’s Augenmerk fällt auf die Schweiz.

Das für den Amerikaner kleine, unscheinbare Land besetzt in Sachen Lebensqualität den neunten Platz in einer jährlich durchgeführten Befragung von 18 135 Expats in 187 Ländern. 97 Prozent der Befragten in der Schweiz sind hoch zufrieden mit der Luft- und Wasserqualität und 63 Prozent lobten das angenehme Klima und die guten Wetterbedingungen. Wenn es um persönliche Sicherheit geht, so schafft es die Schweiz auf den weltweit zweiten Platz. Fast alle Befragten fühlen sich in der Schweiz sicher. Dies kann unter anderem damit zusammenhängen, dass die meisten die Schweiz als politisch stabil und generell friedlich wahrnehmen. Auch die Bildungsqualität wird als herausragend gelobt.

Der grösste Teil, der die Popularität der Schweiz bei Expats ausmacht, ist allerdings der wirtschaftliche Aspekt. 61 Prozent der Studienteilnehmer berichten, dass sie sich einen Vorteil von der guten wirtschaftlichen Situation erhofften, bevor sie hergezogen sind. Tatsächlich verdienen Expatriate in der Schweiz überdurchschnittlich viel. 60 Prozent geben an, dass sie ein jährliches Haushaltseinkommen von über 100 000 USD haben. Weltweit sind es nur 24 Prozent, die so viel verdienen.

97 Prozent der Befragten in der Schweiz sind hoch zufrieden mit der Luft- und Wasserqualität und 63 Prozent lobten das angenehme Klima und die guten Wetterbedingungen.

Schweizer Realität
Ermutigt von diesen Fakten ist die Familie Doe also in die Schweiz gezogen. Auf den ersten Blick findet sie all dies vor. Jedoch stösst sie nach und nach auf einige Probleme und Herausforderungen. Früh erkennen John und Jane, dass die angenehme Lebensqualität ihren Preis hat. Im «Cost of Living Index» landet die Schweiz auf Platz 67. Das heisst in 66 Ländern lebt es sich günstiger – von 68 Ländern, die teilgenommen haben. Dies kommt nicht überraschend, da Schweizer Städte immer wieder zu den teuersten Orten der Welt gezählt werden. Auch John und Jane haben bereits damit gerechnet, bevor sie sich für die Schweiz entschieden haben, wie dies 60 Prozent ihrer Expat-Kollegen auch taten.

Als Jane entscheidet, sich nach Arbeit umzusehen, stehen die Does vor einer weiteren Herausforderung. 61 Prozent der Expats in der Schweiz sind der Meinung, dass Kinderstätten schwierig zu finden seien und 74 Prozent sind der Meinung, dass sie es sich nicht leisten können, ihre Kinder wegzugeben. So ergeht es auch Jane, weshalb sie sich gezwungen sieht, zuhause zu bleiben, bis ihre Kinder alt genug sind.

Das wirkt sich wiederum nicht gut auf Janes soziales Leben aus. Das grösste Problem, mit dem die Does, auch John, in der Schweiz zu kämpfen haben, ist das Einleben in die neue Heimat. In den letzten drei Jahren landete die Schweiz immer in den letzten fünf Plätzen im «Ease of Settling Index». 37 Prozent der Expats geben an, dass sie sich nicht in der lokalen Kultur zuhause fühlen. Dies sind etwas mehr als bei den weltweiten 24 Prozent. So sind die Does nicht die einzigen, die ein etwas abgeschottetes Leben führen.

Hoffnung auf ein angenehmes Leben
Seit kurzer Zeit haben sich John und Jane bei einer sozialen Netzwerk-Gruppe angemeldet. Dort können sie sich mit Tausenden anderen Expats, die zum Teil schon einige Erfahrungen aus dem neuen Heimatort mitbringen, austauschen. Und nicht nur das. Auch Einheimische finden sich unter den Mitgliedern der Gruppen. Durch diese Weise wird nicht nur online das soziale Leben der Does und das vieler anderer Expats aufgewertet, sondern auch offline. Durch Events und Treffen, die von den Gruppen veranstaltet werden, können Expats auch reale Kontakte knüpfen. Zwar werden sie dadurch nicht gleich vollkommen integriert, aber es hilft ihnen sicherlich, einheimische Freunde zu finden und sich etwas wohler in der Schweiz zu fühlen.

Text Simon Misteli

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