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Claudine Esseiva: Gleichberechtigung braucht Mut

30.11.2019
von SMA

Zu einer modernen Gesellschaft gehört auch die gleiche Teilhabe von Mann und Frau in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. In diesem Kontext gehört die Schweiz leider noch nicht zu den modernsten Ländern der Welt: Wir habe gerade mal 5 Prozent Frauen in den Geschäftsleitungen der Schweizer Unternehmen und immer noch verdienen Frauen für die gleiche Arbeit rund 15 Prozent weniger.

Aber wir haben im Jahr 2019 einen riesigen Fortschritt gemacht. Noch nie haben wir im eidgenössischen Parlament so viele Frauen gehabt (neu über 42 Prozent im Nationalrat). Wir haben endlich ein griffiges Gesetz zur Überprüfung der Lohngleichheit und die Frauendemo vom 14. Juni 2019 mobilisierte hunderttausende von Frauen und Männern für mehr Chancengleichheit. Es konnte einer breiten Bevölkerung aufgezeigt werden, dass sich gemischte Teams lohnen und dass die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen die beste Massnahme gegen die Armut ist.

Unabhängigkeit der Frauen

Als grösster Verband an erwerbstätigen Frauen, gegründet vor über 70 Jahren mit 40 Clubs in der ganzen Schweiz und über 2300 Mitgliedern, haben sich die Business and Professional Women (BPW) Switzerland diesen Zielen verschrieben: Der finanziellen Unabhängigkeit der Frauen sowie der Übernahme von Verantwortung der Frauen in der Wirtschaft. In den letzten 70 Jahren, seitdem es BPW Switzerland gibt, wurde viel erreicht. Wir Frauen haben das Stimm- und Wahlrecht, Zugang zu Bildung, ein modernes Eherecht und eine Mutterschaftsversicherung.

Wir brauchen Männer, die mithelfen, eine Arbeitswelt zu schaffen, in der eine Karriere auch mit einem Pensum von 80 Prozent möglich ist.  Claudine Esseiva, Präsidentin BPW SWITZERLAND

Aber es gibt noch viel zu tun! Die gelebte Chancengleichheit ist leider, trotz all diesen Erfolgen, im Jahr 2019 immer noch nicht Realität. Noch immer ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Eltern eine grosse Herausforderung. Immer noch sehen wir wenig Frauen in den Chefetagen, noch immer haben wir keine Elternzeit und noch immer werden Jungs in der Karriereplanung anders behandelt als Mädels.

Damit sich das ändert, muss aus dem angeblichen Frauenthema «Gleichberechtigung» endlich ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Anliegen werden. Dieses geht alle, ob Mann oder Frau, etwas an. Ich wage zu behaupten, dass zur real gelebten Gleichberechtigung die Männer der Schlüssel zum Erfolg sind.

Auf Augenhöhe

Wir brauchen im Jahr 2020 ein klares Bekenntnis der Männer zu einer Gesellschaft, in welcher Frauen und Männer auf Augenhöhe miteinander leben und arbeiten. Nur allzu oft hört man, dass die Aufgabenteilung nun halt einfacher ist, wenn die Frauen die Verantwortung in der Familie übernehmen und die Männer die finanzielle. Das mag für einige Familien stimmen, aber sicher nicht für alle. Männer, die nicht in diese vordefinierten Rollen rein wollen, müssen sichtbar und hörbar werden. Eine Familienplanung ist nicht eine rein romantische Angelegenheit, sondern soll wohl überlegt sein. Das Gleiche gilt im Arbeitsleben. Wir brauchen Männer, die mithelfen, eine Arbeitswelt zu schaffen, in der eine Karriere auch mit einem Pensum von 80 Prozent möglich ist.

Und es braucht ein klares Zeichen seitens der Wirtschaft. Gemischte Teams auf allen Ebenen ist eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit. Wir können uns als Wirtschaftsstandort Schweiz nicht länger erlauben, das brachliegende Potential an oft sehr gut ausgebildeten Frauen nicht zu nutzen, weil die Infrastruktur an Tagesbetreuung für die Kinder nicht besteht.

BPW Switzerland sieht sich in der Pflicht und in der Verantwortung, die Stimme der Frauen in der Wirtschaft hochzuhalten und mitzuhelfen, dass die Männer den Wandel mit uns tragen. Die Wirtschaft muss das Potential erkennen, das in gemischten Teams liegt. Die Unternehmen müssen ihre Unternehmenskultur anpassen, damit die Talente sich bestmöglich entfalten können. Zudem sollen die Ressourcen so eingesetzt werden, damit die Vereinbarkeit zwischen Privat- und Arbeitsleben aufgeht. Und die Wirtschaft und Gesellschaft muss bereit sein, neue Wege einzuschlagen. Dazu gehören die Ermöglichung von Jobsharing, Co-Leitungen und Home-Office, das Sammeln neuer Erfahrungen und wenn möglich die Neuausgestaltung von Arbeitsformen.

Ja, das braucht Mut!

Text Claudine Esseiva

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