fallingwater
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Das Haus auf dem Wasserfall

06.05.2021
von SMA

Grüne Gebäude sind keine Erfindung von heute. Schon die alten Römer mit ihren Aquädukten bauten im Grunde mit der Natur. Einer der ersten grünen Architekten des letzten Jahrhunderts war der Amerikaner Frank Lloyd Wright. 

Wright wird 1867 geboren. Der Junge aus Wisconsin begeistert sich schon früh für die Architektur und will die schrecklichen Gucklochbunker radikal erneuern. Auf Wunsch seiner Mutter beginnt er ein Studium in Chicago, dem Mekka der Architekten. In den Straßen findet er Stein-auf-Stein-Bauten mit kleinen Fenstern, dazwischen ein paar Alibi-Bäumchen. Ein Traum für Technokraten. Ein Albtraum für Wright.

Wrights Leben wird von vier Frauen, einer schlimmen Tragödie, andauernden Geldproblemen und einem bemerkenswerten Spätwerk bestimmt. Mit 22 Jahren baut der Architekt in Oak Park sein erstes »Prairie«-Haus. Der offene Wohnstil, der praktisch ohne Türen auskommt und ein neues Miteinander propagiert, verblüfft nicht nur die Nachbarschaft, die bislang beherzt Türen schmeißt und sich hinter Gardinen verschanzt. Wrights Häuser haben lange und breite Wohnzimmer als Zentrum, dazu durchgehende Fensterreihen, die nach innen und außen aufgeklappt werden können und direkt in die Natur führen. Wright notiert stolz: »Ich baue organisch. Das heißt: Meine organische Architektur ist eine natürliche Architektur.«

»Ich baue organisch«

Oak Park ist nur der Anfang. 1911 baut er den Landsitz Taliesin in Spring Green, der drei Jahre später von einem psychopathischen Angestellten abgefackelt wird. Seine zweite große Liebe Mamah samt zwei Kindern und vier Mitarbeitern werden brutal ermordet. Wright ist der Verzweiflung nah. Dass ausgerechnet sein Büro den Brand übersteht, sieht er als Fingerzeig Gottes und baut das Anwesen neu auf. Erst einmal, dann 1925, nach einem Blitzeinschlag, ein zweites Mal. Mit seiner nächsten großen Liebe Olgivanna wagt Wright ausgerechnet in den schlechten 1920er Jahren den Sprung nach vorne. Der Architekt gründet eine eigene Architektenschule und kommt so zu etwas Geld.

Dann passiert es. Der Warenhauskönig Edgar J. Kaufmann kontaktiert Wright für ein Ferienhaus in Mill Run, Pittsburgh – möglichst mit Blick auf die dortigen Wasserfälle im Tal des Youghiogheny River. Wright sagt zu, denn Kaufmanns Sohn geht bei ihm in die Schule. Kaufmann wartet nun, kriegt aber keine Pläne oder Rückmeldungen. Wütend ruft er den Architekten eines Vormittags an und will sofort bei ihm in Taliesin vorbekommen. Wright ist in Zugzwang und skizziert nun binnen drei Stunden »Fallingwater«. Er setzt das »beste Haus der amerikanischen Architektur«, wie es 1991 vom Amerikanische Institut für Architektur genannt wird, einfach über die Wasserfälle. Das Wasser also nicht zum Angucken, sondern zum Mitsprudeln, als Teil des Hauses.

Das erste moderne »Green Building«

Fallingwater wird bis 1939 zum ersten modernen »Green Building« der Welt. Auftraggeber Kaufmann zahlt am Ende den sechsfachen Preis und fühlt sich als Angestellter Wrights, der unbedingt seine Vision verwirklichen will und »kleinere ingenieurische Probleme« ausblendet. Fallingwater ist als Haus auf dem Wasserfall alles in einem: eine Verbeugung vor der Natur, gefertigt aus dem Holz und Stein der Umgebung, erbaut von lokal ansässigen Arbeiter*innen. Ein Haus aus, mit und über den Elementen. Federleicht, kühn, sophisticated, natürlich. Lynda Waggoner, die das Anwesen verwaltet, meint in der Pittsburgh Post-Gazette zum 75. Geburtstag: »Jemand sagte mal, das Haus sei Wrights Singen – und das stimmt wohl auch.« 160 000 Besuchende kommen jährlich in das Haus, erkunden die zwei riesigen Terrassen, die hellen Treppen, breiten Wohnzimmer und Steinwege.

1957 erzählt Wright in einem TV-Interview: »Ich stehe in der Natur und fühle mich dadurch großartig. Andere fühlen sich klein und mickrig, wenn sie durch einen Wald gehen. Ich nicht. Im Gegenteil. Ich fühle mich gestärkt und voller Kraft.« Wright versteht das Planen und Bauen mit der Natur nicht unbedingt biologisch. Er sieht es in Verbindung mit der wahren Herkunft und Bestimmung des Menschen – ganz im humanistischen, ursprünglichen Sinne eines Henry David Thoreau oder auch D.H. Lawrence.

»Die Bedeutung der diagonalen Ansicht«

Architekturhistorikerin Barbara Lamprecht bestätigt Wrights modernen, diagonalen Ansatz: »Das Haus nutzt die Probleme des 20. Jahrhunderts mit frisch konzipierten räumlichen Beziehungen voll aus – als eine neue kinetische Interaktion zwischen draußen, drinnen und dem Menschen. Es unterstreicht die radikale Bedeutung der diagonalen Ansicht, in der Bewegung impliziert ist.«

Wer auf einer der riesigen Terrassen über dem fließenden Wasser steht, begreift Wrights Vorstellungen von einem Haus für das, »was die Menschen mit der Natur sein könnten«, wie es ein Journalist einmal sagt. »Wright baute nicht für Menschen wie sie sind. Nein, er baute für die besseren Menschen der Zukunft. Die, die begreifen, dass sie mit der Natur leben und selber ein Teil der Natur sind.«

Kurz vor dem Baubeginn von Fallingwater beendete Wrights Landsmann Henry Miller seinen Roman »Wendekreis des Krebses« mit dem Betrachten der Pariser Seine. Er sinnierte ganz im Sinne Wrights: »Die Menschen geben eine seltsame Flora und Fauna ab. Aus der Ferne scheinen sie nicht der Beachtung wert. Aus der Nähe sind sie danach angetan, hässlich und boshaft zu erscheinen. Aber mehr als alles andere brauchen sie genug Raum um sich. Raum vielleicht sogar mehr noch als Zeit.«

Eine Miniaturnachbildung des Fallingwater-Gebäudes

Eine Miniaturnachbildung des Fallingwater-Gebäudes

Freitragender Balkon

Freitragender Balkon

Blick in das Wohnzimmer von der Küche aus

Blick in das Wohnzimmer von der Küche aus

Text Rüdiger Schmidt-Sodingen Bilder Wikimedia

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