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Finanzen Recht

Was man bei der Anwaltssuche beachten sollte

21.01.2021
von Patrik Biberstein

Per Telefon, online oder ganz klassisch vor Ort – die Möglichkeiten, juristische Unterstützung zu erhalten, sind vielfältig. Wie aber findet man den passenden Anwalt?

In der Schweiz arbeiten über 12 000 Anwälte und Anwältinnen – in manchen Kantonen gibt es sogar mehr Anwälte pro Einwohner als Ärzte, wie Martin Geissmann von Econovo festhält. Um in einem derart breiten Angebot den richtigen Anwalt für sich zu finden, gilt es einiges zu beachten. «Fokus» hat sich bei Dr. Denis G. Humbert, Fachanwalt Arbeitsrecht und Partner bei einer Zürcher Anwaltskanzlei, erkundigt und die wichtigsten Tipps nachfolgend festgehalten.

Per Telefon, online oder doch lieber vor Ort?

In der Schweiz kann man sich sowohl persönlich als auch mittels Technik beraten lassen. Doch für wen eignet sich was? Experte Humbert betont die Wichtigkeit des persönlichen Kontakts: «Persönliche Beratung steht meines Erachtens absolut im Vordergrund – denn nur bei einer persönlichen Beratung ‹spürt› man den Klienten, nur so kann man auf ihn eingehen und gemeinsam, unter Führung des Anwaltes, Lösungen erarbeiten. Online-Beratungen empfinde ich als unseriös, zu anonym und unprofessionell.»

Möglichkeiten, den passenden Anwalt zu finden

Zunächst muss man sich natürlich bewusst sein, welches Rechtsgebiet – Erbrecht, Mietrecht oder Arbeitsrecht zum Beispiel – überhaupt gefragt ist. Nur so findet man auch tatsächlich den richtigen Experten. Anschliessend gebe es zwei gängige und empfehlenswerte Vorgehensweisen: Einerseits sei es wichtig, sich im Bekanntenkreis umzuhören, da so auch gleich Erfahrungswerte in die Empfehlung einfliessen können. Andererseits könne man natürlich auch via Internet – sowohl mit Suchmaschinen als auch in Verbandsverzeichnissen – erfolgreich nach einem Anwalt suchen. Hat man bereits eine Präferenz, sollte man allerdings abklären, wie es um die Kompetenzen des bevorzugten Anwalts steht. Dr. Humbert empfiehlt: «Man sollte auf der Anwaltswebsite prüfen, wie der Leistungsausweis des gesuchten Anwalts aussieht. Weitere aufschlussreiche Kriterien können allfällige Publikationen, Medienauftritte oder auch Referate sein. Einen guten Anhaltspunkt liefern zudem die Platzierungen in Rankings wie jenem der Bilanz, das Top-Anwaltskanzleien-Ranking, oder das Who’s Who Legal Switzerland.»

Der erste Eindruck zählt

Favorisiert man eine Kanzlei oder einen Anwalt, sollte man in einem ersten kurzen Telefongespräch wichtige Fragen klären und sich einen ersten Eindruck über den Anwalt verschaffen, bevor man dann ein Mandat erteilt. Wichtig ist, dass die Chemie stimmt. Weiter wird in diesem Telefonat geklärt, ob der Anwalt das Mandat überhaupt übernehmen will und kann, ob ein Interessenskonflikt besteht und wie hoch der Stundenansatz ist. In der persönlichen Besprechung in der Anwaltskanzlei wird der Anwalt dann den Fall mit dem Klienten besprechen und Chancen und Risiken einschätzen. Denis Humbert rät: «Als Klient sollte man eine grobe Kostenschätzung verlangen und mit dem Anwalt unbedingt im Voraus das Stundenhonorar vereinbaren!»

«Ohne Moos, nix los» – auch im rechtlichen Bereich

Trotzdem sollte nach Möglichkeit Geld nicht der entscheidende Faktor bei der Anwaltswahl sein. «Man sollte sich nicht den billigsten Anwalt nehmen – Anwälte mit einem tiefen Stundensatz, unter 250 Franken, sind entweder unerfahren oder nicht unbedingt die besten», weiss Dr. Humbert. Die Spannbreite puncto Honorar sei ziemlich gross: «Je nach Anwalt, Fachgebiet, Art des Klienten – natürliche Person oder Unternehmung, wie zum Beispiel eine Bank – und Streitwert betragen Stundensätze zwischen 220 und 700 Franken. Zur Bestimmung des Anwaltshonorars und der Gerichtsgebühren bei gerichtlichen Verfahren gibt es in jeden Kanton eine Gerichtsgebühren- und eine Anwaltsgebührenverordnung, welche man als Klient relativ einfach mittels Suchmaschine finden kann», erläutert der Experte. «Ich persönlich verlange als Fachanwalt Arbeitsrecht zwischen 270 und 450 Franken pro Stunde. Wenn ein Klient ein tiefes Einkommen hat, komme ich aber der Person auch mal honorarmässig entgegen.»

Die Lösung: Rechtsschutzversicherungen

Muss man mit einem Anwalt vor Gericht gehen, kann dies schnell einmal 10 000 Franken oder mehr kosten. Da bei Weitem nicht alle in der glücklichen Lage sind, solche Summen locker aus dem Hut zu ziehen, gibt es Rechtsschutzversicherungen. Gegen einen jährlich zu entrichtenden Prämienbeitrag übernehmen diese – sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind – Gerichts- und Anwaltskosten. Auch Experte Dr. Humbert rät zum Abschluss einer solchen Versicherung: «Eine Rechtsschutzversicherung kann ich eigentlich jedem ans Herz legen! Wichtig ist aber auch hier, sich im Voraus schlau zu machen. Nicht alle sind gleichwertig. Unbedingt abklären sollte man, welche Streitigkeiten – Arbeitsrecht, Scheidungsrecht, Strafrecht oder Erbrecht beispielsweise – genau versichert sind. Das Problem mit Rechtsschutzversicherungen ist, dass es für einen Laien sehr schwierig ist, eine gute zu erkennen. Deshalb sollte man sich vor allem im Bekanntenkreis erkundigen und sich über den Ruf der Versicherung schlaumachen.»

Text Patrik Biberstein

Mehr aus dem rechtlichen Bereich kann man hier lesen.

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