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Editorial Finanzen Recht

Der Zugang zum Recht ist ein Menschenrecht!

21.01.2021
von SMA

Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen rechtmässigen Anspruch gegenüber jemandem durchsetzen und haben alle aussergerichtlichen Mittel ausgeschöpft. Sie müssen diesen Anspruch nun vor Gericht durchsetzen. Eine Selbstverständlichkeit?

Matthias Miescher Rechtsanwalt und Mediator Vizepräsident Schweizerischer Anwaltsverband (SAV)

Matthias Miescher Rechtsanwalt und Mediator Vizepräsident Schweizerischer Anwaltsverband (SAV)

Vorweg: der Zugang zum Recht war nie eine Selbstverständlichkeit. Allerdings wird er in der jüngeren Zeit als Grundrecht bezeichnet. Der Staat ist verpflichtet, dieses Grundrecht zu gewährleisten, nicht nur vor Gericht, sondern auch im Verkehr mit Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Die ausserordentliche Lage unter Covid-19 hat eine Schwäche sichtbar gemacht: Weil Gerichte und Behörden weitestgehend noch analog oder physisch funktionieren, führte der Lockdown dazu, dass während ca. sechs Wochen in der Justiz fast Stillstand herrschte. Die Justiz war unzureichend auf eine Pandemie vorbereitet. Das traf auch die Anwaltschaft. Innert kurzer Zeit rappelten sich die «Player» im Justizbereich jedoch auf und brachten den Justizbetrieb wieder zum Laufen.

Trotzdem: Es gibt viel Verbesserungspotenzial. Es kann nicht sein, dass über längere Zeit der Gerichtsbetrieb praktisch zum Erliegen kommt oder die Anwaltschaft wegen Restriktionen nicht mehr davon ausgehen kann, dass Gerichtsurkunden zugestellt oder Eingaben an die Gerichte rechtzeitig erfolgen. Damit ist der Zugang zur Justiz als Grundrecht nicht mehr gewährleistet.

 Die Justiz war unzureichend auf eine Pandemie vorbereitet.  Matthias Miescher, Rechtsanwalt und Mediator,Vizepräsident Schweizerischer Anwaltsverband (SAV)

Dass mit Justitia 4.0 bereits ein Mammutprojekt zur Digitalisierung der Justiz in den Startlöchern steht, ist ein Glücksfall. Bund und Kantone, aber auch die Anwaltschaft arbeiten auf allen Ebenen. Derzeit ist neben den umfangreichen Projektarbeiten für die IT das «Bundesgesetz über die elektronische Kommunikation in der Justiz» in der Vernehmlassung, welches die rechtliche Basis zur Digitalisierung schaffen wird.

Ein Katalysator für die Digitalisierung

Corona hat also nicht nur die Schwächen des Systems aufgezeigt, sondern ist ein wichtiger Katalysator für die Digitalisierung der Justiz. Jede Verbesserung des Zugangs zu Gerichten und Behörden dient letztlich den Rechtssuchenden und damit dem Zugang zur Justiz.

Natürlich ist die Digitalisierung für Gerichte, Staatsanwaltschaften sowie die Anwaltschaft mit erheblichen Umstellungen verbunden. Sie ist komplex und aufwändig. Es stellen sich viele neue Fragen, etwa im Bereich der Datenintegrität, der anwaltlichen Berufspflichten und des Datenschutzes.

Wer rechtzeitig plant und sich gut organisiert, wird innerhalb der nächsten Jahre schrittweise umstellen können und damit einen wichtigen Beitrag leisten, den Zugang zur Justiz zu erleichtern und damit einem Grundrecht besser Rechnung tragen. Grund für einen guten Vorsatz im neuen Jahr?

Text Matthias Miescher

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