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Finanzen

Zur Krisenresistenz alternativer Anlagen

11.06.2021
von Akvile Arlauskaite

«Black Swan»-Ereignisse wie etwa die gegenwärtige Coronapandemie können Finanzmärkte regelrecht erschüttern. Insofern sind derzeit viele Anlegende verunsichert, die nach möglichst sicheren und rentablen Investmentstrategien Ausschau halten. Adrienne Järsvall, Spezialistin für alternative Investments, weiss Rat.

Adrienne Järsvall

Adrienne Järsvall

Frau Adrienne Järsvall, welche Auswirkungen zeigt die aktuelle Finanzlage auf die Bedürfnisse der Privatanleger:innen?

Seit der Finanzkrise 2008 kam es zu starken Zentralbankinterventionen, wovon Aktieninvestierende in den letzten Jahren erheblich profitierten. Der Ausbruch der Pandemie stellt Anlegende nun vor neue Herausforderungen. Zur Abfederung der pandemiebedingten Folgen für die Wirtschaft haben Regierungen erneut enorme Geldbeträge in den Markt gepumpt. Die Erwartung? Das globale Wirtschaftswachstum soll sich mit der Wiedereröffnung der wichtigsten Volkswirtschaften erholen. Doch Wirtschaftsdaten werfen Fragezeichen auf. So wurden in den USA unerwartet hohe Inflationsdaten gemessen und die Arbeitsmarktdaten fielen im Mai ernüchternd aus. Diese Unsicherheit spiegelt sich in den Märkten durch erhöhte Volatilität in den Aktienmärkten und steigenden Yields wider. Gekoppelt mit hohen Bewertungen in den Aktienmärkten und weiterhin bestehenden Negativzinsen stellt sich Investierenden die Frage, wie sie ihr Portfolio für die nächste Phase positionieren sollen.

Inwiefern erwiesen sich aktiv gemanagte alternative Anlagen in der Pandemie als eine krisenresistente Investmentstrategie?

Als im März 2020 klar wurde, dass es sich bei Covid-19 um eine weltweite Pandemie handelt und die globale Wirtschaft nahezu stillstand, erlitten die Aktienmärkte massive Einbrüche und viele Anlegende erfuhren hohe Verluste. Aktiv gemanagte alternative Investitionsstrategien konnten Verluste abfedern, indem sie auf veränderte Marktbedingungen rasch reagiert und ihre Positionen den neuen Gegebenheiten angepasst haben. Solche Manager:innen haben die Gewinner und Verlierer der Pandemie relativ früh identifiziert und beispielsweise von ihren Long-Positionen in Technologiefirmen wie Zoom profitiert. Sogenannte Makrostrategien, die in eine breite Palette von Anlagekategorien investieren, reduzierten ebenfalls die Aktien- wie auch Ölkomponenten, setzten auf andere Positionen wie etwa Gold oder Währungen und erzielten so zum Teil erhebliche Gewinne.

Verglichen mit Aktienmärkten fuhren Hedge-Fonds-Indizes nur einen Drittel der Verluste im ersten Quartal 2020 ein. Zwar gab es signifikante Performanceunterschiede innerhalb einzelner Strategien, aber gerade defensive und sehr aktive Manager:innen meisterten die Krise gut.

Welche Hedgefonds-Strategien werden unterschieden und welche Faktoren bestimmen deren Krisenresistenz?

Ausschlaggebend für die Krisenresistenz einer Investmentstrategie ist deren Korrelation zu verschiedenen Märkten und Anlagekategorien. Im Grunde sollte vermieden werden, dass der Anlagewert sich mit dem Markt bewegt. Während solche Anlagen in starken Bullmärkten, wie wir sie in den Jahren nach der Finanzkrise gesehen haben, eine limitierte Aufwärts-Partizipation aufwiesen, also weniger profitabel waren als pure Aktienportfolios, verhalten sie sich in einer Krise stabiler und fahren weniger Verluste ein.

Die bekannteste aktienbasierte Hedgefonds-Strategie ist Equity Long/Short. Kurzfristig orientierte aktive Manager:innen können in einem volatilen Umfeld sehr schnell reagieren, indem sie das Investmentportfolio sofort an das aktuelle Marktumfeld anpassen, von Marktverwerfungen profitieren und so unkorrelierte Renditen erwirtschaften.

Auf der Fixed-Income-Seite waren alternative Strategien, die höchst selektiv in Konsumkredite investieren, bemerkenswert resilient. Obwohl die Arbeitslosigkeit in den USA im Jahr 2020 in die Höhe schoss, nahmen die Ausfallraten bei Konsumkrediten nur gering und nur temporär zu und führten so zu soliden Renditen.

Schlussendlich gelten auch Managed-Futures- oder CTA-Strategien als gute Portfolio Diversifizierer, die das Risiko gerade in einem breiteren Portfolio-Kontext reduzieren können. Das sind automatisierte Strategien, die Markttrends erkennen und bei stetig fallenden Märkten entsprechend Short gehen.

Inwiefern erwiesen sich im Bereich alternativer Zinsprodukte Konsumkredite von Online-Lending-Plattformen als bemerkenswert krisenfest?

Traditionellerweise vergaben Banken Konsumkredite. Diese sind für Investierende interessant, da sie gerade im momentanen tiefen Zinsumfeld attraktive Zinsen erhalten. Nach der Finanzkrise wurden Banken im Belehnen aber viel restriktiver und weniger flexibel. In den USA etwa sahen wir zudem eine massive Konsolidierung der Bankenbranche. Gleichzeitig erlebten wir eine ungebremste technologische Entwicklung, auch im Finanzbereich. Online-Lending-Plattformen gewannen an Popularität und ersetzten gerade bei Konsumkrediten vermehrt traditionelle Banken. Diese Plattformen und auf Konsumkredite spezialisierte Portfolio Manager:innen verfügen über reiche Datensätze, um das Risiko einzelner Kreditnehmenden exakter einzuschätzen und somit robuste Portfolios aufzubauen. Bei der Analyse von Daten aus den USA, wo dieser Markt besonders weit entwickelt ist, wurde ersichtlich, dass die Rückzahlrate und somit die Rendite für Investierende im Krisenjahr 2008 relativ stabil blieb. Das gleiche sahen wir im Jahr 2020, vor allem bei Manager:innen, die über sophistizierte Technologien zur Identifizierung von Kreditnehmenden verfügten. Die Ausfälle nahmen nicht erheblich zu und die Rendite blieb stabil.

Was würden Sie Personen raten, die sich bei der Wahl einer krisenresistenten Anlagestrategie aktuell unsicher sind?

Ich würde ihnen raten, auch bei alternativen Anlagen diversifiziert zu investieren. Bei aktiven Anlagestrategien wie Hedgefonds stehen zudem Kompetenz und Erfahrung des Investmentteams an zentraler Stelle. Manager:innen sollten eine konsistente Erfolgsbilanz aufweisen und von unabhängiger Seite auf Herz und Nieren geprüft worden sein. Zwar dürfen sie durchaus auch einmal Verluste eingefahren haben, sie müssen aber mit der vorgegebenen Strategie eingehen und im Marktkontext Sinn ergeben. Bei Manager:innen, die über mehrere Jahre in Bull- und Krisenmärkten immer hohe Renditen aufwiesen, läuten bei mir eher die Alarmglocken.

Letztlich sollte man beim Investieren immer realistisch bleiben: Über einen längeren Zeitraum hinweg ist praktisch keine Strategie völlig krisenfest. Zudem ist jede Krise anders. Diversifikation ist zwar wichtig, um die negativen Effekte zu reduzieren. Mit Verlusten muss aber immer – mindestens kurzfristig – gerechnet werden.

Interview Akvile Arlauskaite

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