Interview von Jessica Petz

Cédric Waldburger: Wenig haben und trotzdem alles erreichen

Der Investor Cédric Waldburger besitzt so wenige Dinge, dass diese in seinen Rucksack passen und immer dabei sind. Umso mehr passiert hingegen in seinem Kopf, während er Millionen in Start-ups investiert,  sich mit Blockchains befasst, Zeit mit seiner Familie verbringt und als digitaler Nomade um die Welt reist. Wie er das alles schafft und trotzdem mehr als genug hat, erzählt er im Interview mit «Fokus».

Der Investor Cédric Waldburger besitzt so wenige Dinge, dass diese in seinen Rucksack passen und immer dabei sind. Umso mehr passiert hingegen in seinem Kopf, während er Millionen in Start-ups investiert,  sich mit Blockchains befasst, Zeit mit seiner Familie verbringt und als digitaler Nomade um die Welt reist. Wie er das alles schafft und trotzdem mehr als genug hat, erzählt er im Interview mit «Fokus».

Cédric Waldburger, Ihr erstes Start-up gründeten Sie mit 14. Was macht ein gutes Start-up bzw. eine gute Idee aus?

Das Rezept zu einer guten Idee ist, etwas Neues mit dem zu verbinden, was wir alle kennen und spüren. Es wird eine neue Technologie auf ein Problem in der echten Welt angewandt, um diese weiterzuentwickeln, beispielsweise die Blockchain. Dies ist eine recht neue Technik, die aktuell nach Anwendungsfällen sucht, wie diese einen positiven Einfluss auf das Leben von Menschen haben kann. Auf der anderen Seite macht ein gutes Start-up neben der guten Idee noch das Team aus. In meinen 20 Jahren Erfahrung, habe ich noch nie ein Start-up gesehen, das ohne eine gute Zusammenarbeit untereinander Erfolg hatte.

Cédric Waldburger

Wie vereinigt sich in Ihren Augen Essenzialismus mit dem Leben als Start-up-Investor?

Essenzialismus ist am Ende das, was alle Gründer:innen leben: Ressourcen wie Zeit, Energie und Geld sind beschränkt und man muss sich damit auf die Initiativen konzentrieren, die am vielversprechendsten sind. Mit jeder Minute und jedem Franken, den man in eine Idee oder in ein Start-up investiert, soll ein möglichst grosser Output erreicht werden. Ich lebe das natürlich sehr plakativ, indem meine Kleidung komplett schwarz ist und ich im Allgemeinen sehr wenige Gegenstände besitze. Aber genau deswegen vereinigen sich beide Komponenten in meinem Alltag sehr gut.

In Start-ups zu investieren, kostet Geld. Wie finanziert ihr euch als Unternehmen?

Bei tomahawk.vc investieren wir das eigene Geld sowie von einigen wenigen Investoren. Diese zahlen uns einerseits eine Managementgebühr, mit der wir unsere Löhne und andere Ausgaben finanzieren. Auf der anderen Seite geben sie uns Geld, welches wir anlegen und in den nächsten zwei, drei, fünf oder zehn Jahren vervielfacht wieder zurückzahlen können. Betrachtet man das ein wenig abstrahiert, handelt es sich hierbei um nichts anderes als einen Investmentfond. Das Prinzip ist, dass beliebige Investoren unter einer breiten Menge an Leuten Geld einzahlen. Das Geld wird dann von uns durch Strategien so verteilt, dass jedes Start-up das beste Investment mit dem oder der besten Partner:in erhält.

Die Blockchain ist für viele immer noch Neuland. Wie entwickelt sich der Innovationsstandort Schweiz?

Die Situation in der Schweiz ist sehr spannend. Schon in den frühen 2010er-Jahren war diese federführend, wenn es darum ging, digitale Assets wie Bitcoin, Ethereum oder ähnliche Token einen legalen Rahmen zu geben. Der Kanton Zug hat zur damaligen Zeit schon sehr viele Möglichkeiten offenbart, einen Teil seiner Steuern in digitaler Währung zu zahlen und hat ein Framework für diese Assets geboten, dass diese aus steuerlicher und legaler Sicht eingebaut werden. In den letzten Jahren haben aber auch andere Länder in diesen Bereichen aufgeholt, sodass das Thema Blockchain ein weltweit aktuelles Thema ist. Es ist wichtig für die Schweiz, weiterhin nahe am Puls der Zeit zu bleiben und an der Attraktivität der Schweiz als Standort in Bezug auf die Blockchain zu arbeiten.

Inwieweit ist das offene und verteilte Design der Blockchain mit dem Datenschutz zu vereinbaren? Müssen da eventuell Anpassungen vorgenommen werden?

Es gibt jetzt schon Blockchains, die Datenschutzmöglichkeiten in der Blockchain selbst vorgesehen haben. Andererseits gibt es eine riesige Auswahl an Optionen für Applikationen auf der Blockchain, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und das ermöglichen. Das wird noch sehr spannend werden, da man bei den meisten Blockchains keine Möglichkeit hat, etwas zu ändern oder zu löschen. Es gibt aber auch aufstrebende, neue Blockchains wie zum Beispiel den Internet Computer, die es möglich machen, Daten zu löschen – und damit mehr kompatibel mit den Datenschutzgesetzen sind.

Obwohl ich häufig alleine war, hat mir nie ein fixer Rückzugsort gefehlt und ich habe mich nie einsam gefühlt.

Der Grundgedanke der Blockchain ist, dass Einträge nur hinzugefügt und niemals verändert werden können. Wie wollen Sie das Problem endlos wachsender Datenbanken lösen, die nie bereinigt werden können?

Es gibt mittlerweile schon Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, eine Blockchain-Lösung zu entwickeln, welche die Löschung obsoleter Daten erlaubt. Genauso wie es Menschen gibt, deren Facebook-Profil den ersten Post noch anzeigt, gibt es auch diejenigen, die alte Fotos kontinuierlich aussortieren, um Speicherplatz zu schaffen. So wird es auch in der Blockchain-Welt beide Varianten geben müssen.

55, 64 oder 61 – Wie viele Gegenstände besitzen Sie aktuell und spielt die Zahl für Sie eine Rolle?

Ich führe keine explizite Liste mehr. In Gesprächen hatte ich oft das Gefühl, dass einige das als Wettbewerb angesehen haben. Für mich geht es nicht unbedingt darum, möglichst wenig zu besitzen, sondern meine Gegenstände auf das zu reduzieren, was wirklich nötig ist. Für mich ist es wichtig, dass ich flexibel unterwegs bin und alle meine Sachen in meinen schwarzen Rucksack passen – und das ist immer noch der Fall.

Wie war es, ohne festen Wohnsitz zu leben?

Es war sehr gut. Ich fühle mich extrem glücklich an sehr vielen Orten, da ich überall viele Freunde habe. Früh habe ich gemerkt, dass das Gefühl von Zuhause nicht von einem Haus, einem Bett oder einem Tisch abhängt. Wichtiger ist, mit wem ich esse und mit wem ich Geschichten teile. Obwohl ich häufig alleine war, hat mir nie ein fixer Rückzugsort gefehlt und ich habe mich nie einsam gefühlt.

Sie sind Vater einer Tochter. Inwieweit hat diese Veränderung Ihren Lebensstil verändert?

Eine Tochter zu haben und ihr das Leben zu zeigen, finde ich extrem schön und es gibt mir so viel zurück. Bevor ich Vater geworden bin, wurde mir jedoch immer wieder Angst gemacht, dass man überhaupt keine Kontrolle mehr darüber haben wird, wie viel man besitzt. Zum Glück ist dies nicht der Fall und insofern hat sich mein Lebensstil kaum verändert. Klar braucht meine Tochter Kleidung, Schuhe und Spielsachen, aber wir haben da einen guten Weg gefunden, dies in einem machbaren Rahmen zu halten. Ich versuche ihr da früh mitzugeben, dass wir durch den Essenzialismus das Potenzial erhalten, nicht an einen Ort gebunden zu sein. Das wichtigste ist, dass meine Frau, meine Tochter und ich unser Zuhause an einen neuen Ort verschieben können, wo wir von einer neuen Kultur lernen können. Diese Freiheit geniessen wir sehr.

Inwieweit können materielle Gegenstände einen im Leben hindern?

Dazu fällt mir eine Anekdote ein: Während des Studiums habe ich mit meinem damaligen Kommilitonen immer darüber gesprochen, wie wir beide in die Welt rausgehen, Firmen gründen und die Welt positiv verändern würden. Ich habe dies direkt nach meinem Abschluss umgesetzt. Er hat erstmal ein Traineeship bei einer grossen Firma absolviert und sich eine Wohnung gemietet. Daraufhin kam ein bequemer Arbeitsvertrag, worauf er sich eine schöne Couch gekauft hat. Wenn ich ihn heute nach dem Grund frage, weshalb er nicht die Welt bereist, ist der Grund: Er kann doch seine Wohnung nicht mit dieser neuen Couch untervermieten. Und das hat irgendwie Eindruck hinterlassen. In meinem Wertesystem ist für mich eine Couch nichts, was mich davon abhalten sollte, reisen zu gehen. Aber natürlich ist es eine individuelle Entscheidung, ob man die Couch oder die Freiheit möchte.

Wir haben schon viel über Ihre Stärken geredet, aber worin liegen Ihre Schwächen?

Ich habe eine extreme Neugierde und das führt dazu, dass ich mich selten auf bloss ein Projekt konzentrieren will. Daher habe ich schon immer die Tendenz gehabt, während ich an einer Idee arbeite, auch an einer zweiten oder dritten zu feilen. Als Gründer war dies eine Schwäche, da man auf eine Idee fokussiert sein muss. In meiner Rolle als Investor habe ich diese Schwäche in eine Stärke verwandelt. Als Investor und Mentor verschiedener Firmen ist es meine Stärke, da ich schnell zwischen verschiedenen Projekten wechseln und mich in neue Umgebungen reindenken kann.

Welche Träume haben Sie noch für Ihre Zukunft?

Träume? (lacht) Normalerweise fragen mich Menschen nach meinen Zielen oder Ambitionen, aber nicht nach Träumen. Auf der einen Seite freue ich mich auf all die Jahre, die mit meiner Tochter kommen, und dass ich mit ihr die Welt entdecken kann. Das ist ein Traum, der mit jedem Jahr immer mehr zur Realität wird. Auf der anderen Seite will ich weiterhin mit Unternehmen zusammenarbeiten und Ideen ausklügeln, um das Leben von Milliarden von Menschen positiv beeinflussen zu können.

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18.11.2022
von Jessica Petz
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