Die Schweiz beschwört gerne das Bild des grünen Alpenlandes, das sich einer intakten Natur erfreut und umsichtig mit Ressourcen umgeht. Leider hält dieses Selbstbild einer genaueren Betrachtung nicht stand. Doch als Innovationshub verfügt die Schweiz über ein enormes Potenzial, mithilfe zündender Ideen Nachhaltigkeit in essenziellen Sektoren zu fördern.
Bescheidenheit ist eine Tugend, die in der Schweiz einen hohen Stellenwert geniesst. Wenn es allerdings um den sogenannten Treibhausgas-Fussabdruck geht, war es das mit Schweizer Bescheidenheit: Denn wie Zahlen des Bundesamtes für Umwelt belegen, liegt der hiesige CO2-Footprint mit 13 bis 14 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Kopf deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von circa sechs Tonnen. Besonders bedenklich: Der von der planetaren Belastbarkeitsgrenze ableitbare «Schwellenwert» liegt bei unter 0,6 Tonnen pro Kopf und Jahr. Diese Faktenlage macht deutlich, dass die Bekämpfung des Klimawandels zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit gehört – und die Schweiz steht dabei vor erheblichen Aufgaben.
Das offizielle Ziel des Bundes sieht eine drastische Reduktion der Treibhausgasemissionen vor, doch die Realität hinkt diesem Ziel noch merklich hinterher. Insbesondere der hohe Konsum in der Schweiz führt zu erheblichen Emissionen, die nicht nur durch die direkte Produktion vor Ort, sondern auch durch die Nutzung und den Import von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland entstehen. Die Importabhängigkeit – vor allem von Energie aus Europa, die oft aus fossilen Quellen stammt – untergräbt die Vorstellung der Schweiz als «grünes» Land. Die Zielsetzung von «Net Zero» bis 2050 erscheint angesichts dieser Ausgangslage als Wunschdenken.
Schlüsselsektoren und Innovationspotenzial
Zu den Hauptquellen der CO2-Emissionen in der Schweiz zählen der Verkehr, der Gebäudesektor, die Industrie sowie die Landwirtschaft. Die gute Nachricht: In all diesen Bereichen gibt es technologische Ansätze und kreative Lösungen, die das Potenzial haben, Emissionen signifikant zu senken. Und gerade die Schweiz, die berechtigterweise als Innovations-Hotspot dient, kann hier ein enormes Potenzial ausschöpfen. Schon heute gibt es dafür diverse Praxisbeispiele. So besteht etwa im Handlungsfeld «Verkehr» die Möglichkeit, Firmenflotten zunehmend auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Solche Fahrzeuge bieten nicht nur eine lokal emissionsfreie Mobilität, sondern sie können auch in ein intelligentes Energienetz eingebunden werden, um überschüssige Energie zurückzuspeisen und so das Gesamtsystem zu stabilisieren. Der Siegeszug bidirektionaler Ladesysteme stellt hierfür ein Schlüsselelement dar. Und da die Abdeckung mit Ladeinfrastrukturen immer engmaschiger wird, ist der Einsatz der E-Mobilität auch im gewerblichen Kontext zunehmend praktikabel.
Insbesondere der hohe Konsum in der Schweiz führt zu erheblichen Emissionen, die nicht nur durch die direkte Produktion vor Ort, sondern auch durch die Nutzung und den Import von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland entstehen.
Im Gebäudesektor wiederum ist vor allem die steigende Nutzung von Wärmepumpen bemerkenswert; doch auch smarte Gebäudesteuerungen sowie energieeffiziente Dämmungen bieten enorme Chancen für eine Reduktion der Emissionen. Spannend sind ferner moderne Solarpanels, die mittlerweile nicht nur effizient Strom erzeugen, sondern auch ästhetisch ansprechend sind. Die Kombination aus nachhaltiger Energiegewinnung und ressourcenschonendem Heizen kann die Umweltbilanz von Gebäuden massiv verbessern. Hinzu kommen Technologien wie digitale Zähler sowie vernetzte Thermostate, die den Energieverbrauch optimieren und dadurch unnötige Emissionen vermeiden.
Künstliche Intelligenz macht die Industrie smart
Der Industriesektor wiederum dürfte laut Fachleuten in den kommenden Jahren dank des Einsatzes von künstlicher Intelligenz (KI) ganz neue Wege einschlagen. Produktionsprozesse effizienter zu gestalten und Ressourcen gezielter einzusetzen, lauten hier die zentralen Ziele. Automatisierung und intelligente Steuerungssysteme ermöglichen es zum Beispiel, Energie und Rohstoffe besser zu nutzen, Abfälle zu minimieren sowie Emissionen zu senken. Und auch in der Landwirtschaft bietet der technologische Fortschritt spannende Lösungen, um den ökologischen Fussabdruck zu verkleinern: Mithilfe von Datenanalysen kann etwa die Fruchtfolge optimiert werden, wodurch der Boden gesünder bleibt. Bestimmte Pflanzenarten verfügen zudem über die Fähigkeit, Kohlenstoff langfristig im Boden zu binden, was ein weiteres Instrument zur Emissionsreduktion erschliesst.
Kleines Puzzleteil mit grosser Wirkung
Derartige Innovationsbemühungen werden allerdings in der Schweiz häufig mit dem Argument abgetan, dass umfangreiche Klimaschutzmassnahmen in kleineren Ländern verpuffen, weil die «Grossen» sich nicht ebenfalls für mehr Nachhaltigkeit starkmachen. Doch diese Perspektive greift zu kurz, wie Fachleute betonen. Denn jeder Beitrag zählt, und nur wenn alle Länder – unabhängig von ihrer Grösse – ihre Emissionen reduzieren, kann eine globale Wende erreicht werden. Hinzu kommt, dass Innovationen, die in einem Land entwickelt und erfolgreich umgesetzt werden, als Modell für andere Regionen weltweit dienen können. Die Schweiz kann hier eine Vorbildrolle einnehmen und mit ihren Entwicklungen und Innovationen zum Multiplikator werden. Zudem haben Länder wie China, die oft als Klimasünder angeprangert werden, in den letzten Jahren massiv in erneuerbare Energien investiert und gehören inzwischen zu den grössten Herstellern von Solartechnologien. Dieser Ansatz zeigt, dass technologische Fortschritte und Umweltschutz keine Gegensätze darstellen, sondern vielmehr Hand in Hand gehen können und sollten.
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