Interview von Kevin Meier

Lea von Bidder: «Innovation an sich bringt nichts»

Seit einigen Jahren prägt Lea von Bidder, Mitbegründerin und CEO von Ava, die Start-up-Szene. Mit Fruchtbarkeitstrackern möchte sie aber nicht nur die Innovation zelebrieren, sondern mit Forschung eine spürbare Veränderung in der Welt bewirken.

Seit einigen Jahren prägt Lea von Bidder, Mitbegründerin und CEO von Ava, die Start-up-Szene. Mit Fruchtbarkeitstrackern möchte sie aber nicht nur die Innovation zelebrieren, sondern mit Forschung eine spürbare Veränderung in der Welt bewirken.

Frau Lea von Bidder, was hat Sie damals inspiriert, Ava zu gründen?

Meine Mitbegründenden und ich haben erkannt, dass im Bereich «Women’s Health», insbesondere der Fruchtbarkeit, die Zeit vor 40, 50 Jahren stehen geblieben ist. Damals versuchte meine Mitbegründenden, schwanger zu werden. Die verfügbaren Methoden zu jenem Zeitpunkt waren noch nie in irgendeiner Weise mit Hightech in Berührung gekommen. Da sahen wir eine Lücke, worin niemand investierte. Wir wollten die neuen Technologien und vor allem auch die künstliche Intelligenz in den Frauengesundheitsbereich bringen. Denn dieser Bereich wird bis heute kaum finanziert. Wir sahen das Potenzial und wollten es angehen. Dazu kommt noch ein sehr emotionaler Teil: Wir hatten das Gefühl, dass wenn wir nicht in die Frauengesundheit generell investieren und technologische Errungenschaften in diesen Bereich bringen, wird das vermutlich niemand tun. Schlussendlich sind wir eine sehr missionsgetriebene Unternehmung mit dem Ziel, die Frauengesundheit auf einen höheren Standard anzuheben.

Was war Ihr Mindset, als Sie noch in den Startlöchern standen?

Von Beginn an haben wir sehr gross und visionsbezogen gedacht. Unser Mindset war, dass wir mit dieser Technologie wirklich einen Unterschied im Leben von Frauen und Paaren bewirken können – wahrscheinlich noch weitergehender als wir denken. Diese Technologie hat beinahe unendliches Potenzial. Uns war klar, dass die Fruchtbarkeit erst der Anfang ist. Das ist nach wie vor so.

Heute zählen Sie zu den wichtigsten Jungunternehmerinnen. Was würden Sie jungen Frauen raten, die in der Welt der Start-ups aufsteigen wollen?

Das Gleiche, was ich auch Männern raten würde. Wenn man will, sollte man versuchen, beruflich etwas zu tun, das eine Wirkung erzielt. Für einige ist eine Firma der richtige Ort dafür. Für andere funktioniert es besser, wenn sie ihr eigenes Unternehmen gründen. Das Leben ist kurz und ich würde deshalb empfehlen, die Zeit so gut es geht zu nutzen.

Sie selbst haben sich mit viel Ehrgeiz in der Hightech-Welt des Silicon Valley durchsetzen können. Welche Eigenschaften braucht es in diesem Umfeld?

Es braucht eine grosse Vision und eine gewisse Portion Selbstbewusstsein. Ausserdem sollte man auch etwas Humor haben und sich selbst nicht wahnsinnig ernst nehmen (lacht). Und man braucht natürlich Freude an der Entwicklung. Auch heute verspüre ich noch eine Riesenfreude, wenn wir darüber nachdenken, was wir alles tun und bauen können. Um sich in diesen Reihen zu bewegen, braucht es zudem eine grosse Portion Ambition. Diese Welt ist sehr ehrgeizig.

Was bedeutet Ihnen die Forbes «30 under 30»-Auszeichnung persönlich?

Jetzt, da ich über 30 bin, erinnert es mich daran, dass ich alt geworden bin (lacht). Nein, für uns als Organisation war das ein grosser Beweispunkt. Man wird zwar als Person ausgezeichnet, aber schlussendlich ist es eine Auszeichnung für Ava.

Mittlerweile gibt es mehrere Tausend Babys, die durch Ihr Ava-Armband auf die Welt kommen konnten. Wie fühlt sich das für Sie an?

Das ist unglaublich toll und berührend, insbesondere wenn man einige der Ava-Babys und -Eltern treffen darf. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, zu wissen, dass man so vielen Menschen geholfen hat. Es kommt immer wieder vor, dass Leute beispielsweise auf Konferenzen auf mich zukommen und erklären, wie sie den Prozess erlebt haben. Ein Start-up zu gründen und zu führen, ist schwierig. Aber diese Erlebnisse setzen dies in einen anderen und wunderschönen Kontext.

Sie spüren also auch die emotionale und menschliche Seite der Innovation.

Absolut. Innovation an sich bringt nichts (lacht). Sie kann nie das alleinige Ziel sein. Deshalb ist es wichtig, die Vision immer vor Augen zu haben.

Mit dem Kauf jedes Ava-Armbands tut man gleichzeitig auch etwas für die Verbesserung der Frauengesundheit. Können Sie näher darauf eingehen?

Uns war es wichtig, unserer Kundschaft vor Augen zu führen, dass unser grösster Kostenpunkt der Research im Frauengesundheitsbereich ist. Wir reinvestieren, um die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben. Denn in einem grösseren Kontext ist unsere Forschung nicht nur relevant für unser Produkt, sondern für die Frauengesundheit als Ganzes und darüber hinaus. Wir haben ein sehr gutes Verständnis darüber entwickelt, wie sich die physiologischen Parameter von Frauen durch den Zyklus ändern. Dieses Grundverständnis fehlt in vielen Organisationen, obwohl es eine Voraussetzung für verlässliche Diagnosen ist. Ich gehe davon aus, dass diese Forschung zukünftig in vielen Bereichen relevant sein wird.

Sie sind nun selbst Mutter. Gratulation! Sprechen wir hier auch von einem Ava-Baby?

Vielen Dank und ja, es ist auf jeden Fall ein Ava-Baby.

Was mögen Sie besonders am Muttersein?

Es gibt sehr viele Augenblicke der Liebe im Leben. Wenn man ein Kind hat, gibt es wesentlich mehr Momente, in denen man Verbindung und Freude verspürt.

Bild Kelly Smith Vorves

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31.07.2021
von Kevin Meier
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