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Business Innovation

Vom Innovationsleader zum Mitläufer – der Abstieg geschieht schneller als gedacht

16.07.2022
von SMA

Die Geschichtsbücher sind voll mit Beispielen von Innovationsleadern unter Unternehmen, die entweder mit neuen Technologien zu früh auf den Markt kamen, oder aufgrund eines plötzlichen Wandels den Anschluss verpassten. Auf welche Firmen dies in Zeiten der Digitalisierung zutreffen wird, wird man sehen. Die hier aufgegriffenen Beispiele zeigen auf jeden Fall, wie man besser nicht vorgeht. 

Im Jahr 1999 gab es nur wenige Dinge, die annähernd so cool waren wie der Film «The Matrix» mit Keanu Reeves in der Hauptrolle. Die dystopische Zukunftsvision, in der Maschinen Menschen als lebende Batterien züchten, begeisterte und schockierte die Filmfans im ausgehenden Jahrtausend.

Ebenso cool wie der Film an sich war die Tatsache, dass Filmheld Neo ein damals neuartiges Nokia-Mobiltelefon benutzte. Klar, dass man das Modell «Nokia 7110» (eine für den Film modifizierte Version des 8110) später käuflich erwerben konnte. 

Der finnische Mobilfunkkonzern war in den 1990er-Jahren der unangefochtene Marktführer und Innovationsleader im aufstrebenden Feld der mobilen Telefonie. Wie wir heute wissen, bereitete Apple im Jahr 2007 mit dem Launch des iPhones dem Erfolg der Finnen ein jähes Ende. Dabei hat sich das Narrativ etabliert, dass der damalige Branchenprimus die Wirksamkeit von Touchscreen und schneller Internetanbindung einfach nicht auf dem Schirm hatte.

Wenn man allerdings einem Interview Glauben schenkt, das der ehemalige Nokia-Entwicklungschef Frank Nuovo dem «Wall Street Journal» zu dieser Zeit gab, reichen die Verfehlungen der Nokia-Führungsriege noch deutlich tiefer.

Denn im Interview erzählt Nuovo, dass man rund sieben Jahre vor dem Start des ersten iPhones den Prototypen eines Mobiltelefons mit Farb-Touchscreen entwickelt hatte. Mit dem Gerät war man in der Lage, ein Autorennspiel zu spielen, online einzukaufen und Restaurants zu finden. Im Interview untermauert Nuovo seine Behauptungen mit entsprechenden Präsentationsfolien.

Gemäss ihm soll Nokia Ende der 90er-Jahre auch über Pläne für einen Tablet-PC mit Touchscreen verfügt haben. Das Potenzial dieser Anwendung habe man in der Führungsetage schlicht nicht erkannt. Selbst als das iPhone dann herauskam, wähnte man sich laut Insiderquellen sicher, da das Gerät «technisch nicht mit Nokia-Produkten mithalten» konnte. Wir wissen heute, dass es anders kam: Das iPhone markierte den Startschuss zu Apples Aufstieg zur wertvollsten Marke der Welt. Und Nokia musste seine Mobilfunksparte an Windows verscherbeln.

Auch Bill Gates griff daneben

Die Managerinnen und Manager von Microsoft sind eigentlich durchaus erfolgsverwöhnt. Firmengründer Bill Gates war in den späten 90er- und frühen 2000er-Jahren sogar der vermögendste Mann der Welt und Microsoft Windows stellte das weitverbreitetste Betriebssystem überhaupt dar. Doch auch dieser Konzern musste die eine oder andere Schlappe hinnehmen.

Der Launch von «Coca-Cola Blak», einer Mischung aus Cola und Kaffee, war alles andere als von Erfolg gekrönt.

Während man mit dem XBox-Brand 2001 relativ erfolgreich in den Videospiele-Markt einstieg, endete der Versuch, sich als Anbieter von MP3-Playern zu etablieren, desaströs. 2006 schickte man den «Zune» ins Rennen, um Apples damals dominierenden iPod zu vernichten. Der Angriff ging nach hinten los, das Gerät fiel bei den Zielgruppen durch und schaffte nicht einmal den Sprung über den grossen Teich. Doch auch im Heimmarkt Amerika gestalteten sich die Verkäufe harzig. 2011 wurde das Projekt ohne viel Aufhebens wieder beerdigt. 

Man muss allerdings nicht notwendigerweise auf den Tech-Markt schauen, um interessante Wirtschaftsflops zu entdecken. 2006 wollte Coca-Cola dem ansteigenden Konsum von Energydrinks entgegenwirken und sich mit einem neuen Produkt als hipper Brand bei den jungen Zielgruppen platzieren. Der Launch von «Coca-Cola Blak», einer Mischung aus Cola und Kaffee, war aber alles andere als von Erfolg gekrönt.

Der bizarre Getränkemix blieb in den Regalen liegen und bereits zwei Jahre nach dem Release wurde die Produktion eingestellt. Deutlich besser lief nur ein Jahr später die Markteinführung von «Coca-Cola Zero». Die Coke ohne Zuckerzusatz richtete sich von der Markensprache her an ein vorwiegend männliches Publikum, welche sich vom Brand «Coca-Cola Light» nicht angesprochen fühlte. Der Erfolg stellte sich fast augenblicklich ein: Im selben Jahr berichtete das Schweizer Wirtschaftsmagazin «Cash», dass die neue Brause einen Traumstart hingelegt habe. Heute gehört die Marke «Zero» zu den Zugpferden des Konzerns.

Nicht alles gelingt bei Innovationsleadern

Diese drei Beispiele von wirtschaftlichen Fehleinschätzungen und missglückten Produkteinführungen zeigen zwei Dinge. Zum einen belegen sie, dass niemand vor Misserfolg gefeit ist. Auch jahrelange Marktführerschaften können abrupt enden, wenn sich ein Gefühl der Unantastbarkeit etabliert hat.

Zum anderen machen sie aber auch klar, dass ein Misserfolg nicht das Ende bedeutet. Klar – Nokia, Microsoft und Coca-Cola sind Weltkonzerne mit enormen finanziellen Mitteln. Doch dementsprechend teuer sind auch ihre gescheiterten Projekte. Die alte Unternehmer:innen-Weisheit, dass man aus Rückschlägen lernen sollte, um dann einen neuen Ansatz zu versuchen, hat nach wie vor für Firmen aller Grössen Bestand. 

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