
Verena Nold
Direktorin santésuisse
Im Herbst steht das Schweizer Gesundheitswesen regelmässig im Fokus der Aufmerksamkeit. So auch dieses Jahr. Kaum hat der Bundesrat die neuen Krankenkassenprämien präsentiert, folgen Land auf, Land ab laute Voten und Kommentare. Dabei geht eines gerne vergessen: Das Schweizer Gesundheitssystem und mit ihm die medizinische Versorgung sind hervorragend. Damit dies weiterhin so bleibt, genügen Voten und Kommentare nicht. Vielmehr müssen sich alle Akteure mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass Reformen zum Wohle der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler gelingen. Andernfalls sind die Prämien für sehr viele Versicherte in wenigen Jahren bereits nicht mehr finanzierbar.
Krankenkassenprämien als Sorge Nummer eins
Die Gesundheitskosten wachsen seit Jahren stärker als die Löhne. Je nach Franchise, Kanton und Versicherer stieg die monatliche Krankenkassenprämie für eine erwachsene Person seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) 1996 von 173 auf 554 Franken. Das entspricht einer realen Teuerung von plus 220 Prozent. Kein Wunder, gehören die Prämien für die Krankenversicherung zu den grössten Sorgen von Herrn und Frau Schweizer.
Vielfach werden der technische Fortschritt und die höheren Kosten in den letzten Lebensjahren als Kostentreiber ins Feld geführt. Doch der technische Fortschritt führt auch zu Effizienzsteigerungen bei den Behandlungsmethoden, die die steigenden Kosten im Sinne des Koste-Nutzen-Verhältnisses teilweise rechtfertigen. Und der Faktor Alter wird gerne überschätzt. Zwar steigen die Kosten mit zunehmenden Lebensjahren, doch diese machen gemäss Analysen von santésuisse nur rund 20 Prozent des für die Prämienentwicklung entscheidenden Kostenwachstums aus. 80 Prozent sind also auf andere Faktoren zurückzuführen.
Die grössten Kostentreiber
Die grössten Kostentreiber bleiben auch in diesem Jahr die ambulanten Arzt- und Spitalleistungen mit einem Plus von 400 Millionen Franken. Besonders ausgeprägt ist der Kostenanstieg zudem bei den Pflegeleistungen, vor allem im Spitex-Bereich (+9 Prozent). Anhaltend hoch fällt das Kostenwachstum auch bei den Apotheken aus (+5,6 Prozent) und auch die Kosten für Medikamente steigen ebenfalls laufend weiter. Insgesamt belaufen sich diese mittlerweile auf gegen zehn Milliarden Franken pro Jahr und machen damit nahezu einen Viertel der Ausgaben in der Grundversicherung aus. Ein Kostensprung ist auch bei den Laboranalysen zu beobachten. Dieser betrug bereits im ersten Halbjahr 2024 12,4 Prozent, das entspricht einem Anstieg von rund 60 Millionen Franken.
Um die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler zu entlasten, sind strukturelle Reformen im Gesundheitswesen dringend notwendig. – Verena Nold
Nur einen marginalen Einfluss auf die Gesundheitskosten haben dagegen die Verwaltungskosten der Krankenversicherer. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Grundversicherung sind diese sogar rückläufig. Arbeitet ein Krankenversicherer nicht effizient, kann er langfristig nicht überleben. Die Konsolidierung, die in den letzten Jahren stattgefunden hat, zeigt, dass der Wettbewerb funktioniert. Gab es im Jahr 2000 noch 110 Krankenversicherer, sind es aktuell noch 39. Als einziger Akteur im Gesundheitswesen setzen sich die Krankenversicherer im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten für faire Preise ein und wehren sich gegen unnötige Behandlungen und Leistungen. Die verschiedenen qualitativ hochstehenden und kosteneffizienten alternativen Versicherungsmodelle sind Angebote, die auf individuelle Bedürfnisse jedes einzelnen Versicherten ausgerichtet sind. Zudem sorgen die Krankenversicherer für Stabilität und Solidarität im Gesundheitswesen. Dank systematischen Rechnungskontrollen sparen sie Milliarden zugunsten der Prämienzahlerinnen und Prämienzahler.
Reformen liegen auf dem Tisch
Um die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler zu entlasten, sind strukturelle Reformen im Gesundheitswesen dringend notwendig. Dazu zählt eine nationale bzw. überregionale Spitalplanung genauso wie verbindliche Qualitätskriterien für die Vergütung von Behandlungen sowie die konsequente Digitalisierung des Gesundheitswesens. Zudem soll der Leistungskatalog konsolidiert statt ausgebaut und die Mehrfachrolle der Kantone im Gesundheitswesen entflochten werden. Und zu guter Letzt braucht die Schweiz dringend auch Massnahmen bei Medikamenten und Medizinalprodukten. Den Krankenversicherern soll es erlaubt sein, Produkte, die günstig im Ausland eingekauft wurden, ebenfalls vergüten zu dürfen.
Text Verena Nold, Direktorin santésuisse
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