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iStockPhoto/Yuliya Soklakova
Editorial Gesundheit

Der Blick auf Behinderung: vom Defizit zu einem Teil der menschlichen Vielfalt – Eine Einladung zum Perspektivenwechsel!

31.05.2024
von SMA
Matyas Sagi-Kiss

Matyas Sagi-Kiss

Es irritiert mich immer wieder, wenn ich feststelle, dass wir Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit meist als bemitleidenswerte Opfer ihres «Schicksals» oder heroische Überwinder:innen eben dieses vermeintlich unausweichlichen Schicksals wahrgenommen werden. In Film, Fernsehen und leider nicht zuletzt auch in den Medien gibt es selten Menschen mit Behinderung, deren «Story Line» sich nicht um ihre Behinderung dreht. Nicht selten geht es darum, dass die Person von ihrer Behinderung geheilt wird oder sich den Weg aus dem Suizid erkämpft. Dahinter steht im Grunde immer eine ableistische Wertung, die der Gesellschaft dabei hilft, damit klarzukommen, dass sie selbst Menschen mit Behinderung ausgrenzt. Almosen als natürlicher Reflex in Folge Mitleid, gewissermassen als Ablasshandel zur Psychohygiene sind ein weiterer Fluchtweg, wenn der Blick in den Spiegel als Gesellschaft in Anbetracht des Ableismus zu schwer zu ertragen ist. Zuschauen und Nichtstun sind keine Option. Stattdessen könnten wir auch aktiv werden und den strukturellen Ableismus bekämpfen! Tun wirs doch!

Wir Menschen mit Behinderung sind mehr als ausschliesslich Menschen mit Behinderung, wir sind wie Sie. Matyas Sagi-Kiss

Wenn Sie diese Beilage in der Hand halten und lesen, dann stehen die Chancen gut, dass Sie bereit sind, Vorurteile abzuschütteln. Wir Menschen mit Behinderung sind nämlich mehr als ausschliesslich Menschen mit Behinderung, wir sind wie Sie. Besondere und somit sonderbare Bedürfnisse gibt es nicht, sondern bestenfalls einen behinderungsbedingt erforderlichen Nachteilsausgleich. Wir sind keine eigene Spezies, bei welcher ein spezieller Umgang erlernt werden muss und auch keine vom «Schicksal» vorbestimmten Opfer oder Held:innen. Wir sind genauso verschieden wie Menschen ohne Behinderung auch.

Im Idealfall öffnet Ihnen diese Beilage die Augen und lässt Sie Vorurteile spielerisch und lustvoll aus dem Weg räumen. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel, finden Sie nicht auch? Viel Freude beim Lesen.

Text Matyas Sagi-Kiss
Porträtfoto © Claudia Brandenberger, Personality Photography


Simone Feuerstein

Simone Feuerstein

«Kann ich Ihnen helfen?» «Ja, gerne sage ich wie». Diese Frage beantworte ich oft so. Nicht, weil es toll ist von fremden Leuten Hilfe anzunehmen, sondern weil der eigenständige Zugang fehlt. Mit Behinderung in einer hindernisfreien Umwelt Alltägliches, Verpflichtungen und Interessen selbstbestimmt verfolgen. Der «Status quo» ist bitter-süss, denn das Ziel ist nicht erreicht. Der Begriff «Inklusion» ist wie ein Zuckerzusatz fast allerorts zu finden und trügt die Sinne auf das reale Vorhandensein der Behindertengleichstellung.

Rechte nicht leben können, die andere selbstverständlich ausüben. Im öffentlich-/kulturellen Leben sowie bei der Mobilität liegt bis zur flächendeckend autonomen Zugänglichkeit noch Arbeit vor uns. Für Betroffene bedeutet das bis dahin Bürokratie und Abhängigkeit. In Gesundheitsfragen sind Bevölkerungsgruppen und unterschiedliche Behinderungsformen nicht eingeschlossen – mit schwerwiegenden Folgen. In der Wirtschaft liegt strukturelles und gesellschaftliches Potenzial brach aufgrund von Hürden und Ängsten. Erreichtes in Regelklassen bekämpft man mancherorts aktiv, obwohl Alternativen bestehen und das Miteinander Verständnis schaffen und Generationen verbinden kann.

Teilhabe und Gleichstellung in allen Bereichen sicher­stellen, führen nicht nur zu besserer Lebensqualität und mehr Unabhängigkeit. Simone Feuerstein

Ein neues Verhältnis zur Verhältnismässigkeit gewinnen, indem jeder sich fragt, wie Investitionen priorisiert würden, wenn man selbst nicht wie andere die gleichen Rechte geniessen könnte? Die Antworten können das gemeinsame Handeln ändern. Teilhabe und Gleichstellung in allen Bereichen sicherstellen, führen nicht nur zu besserer Lebensqualität und mehr Unabhängigkeit. Sie entlasten langfristig, treiben Weiterentwicklungen an als auch sind sie nicht nur eine Frage persönlicher Wünsche. Sie sind auch Pflichten, die es zu erfüllen gilt.

Text Simone Feuerstein
Porträtfoto © Marion Nitsch

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