lasst uns gross träumen –  gross handeln!
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Die Frau Editorial

Lasst uns gross träumen – und gross handeln!

29.06.2024
von SMA
Porträt Alkistis Petropaki

Alkistis Petropaki
Geschäftsführerin Advance – Gender Equality in Business

Können Sie sich vorstellen, die CEO Ihres Unternehmens zu sein? Lassen Sie mich raten: eher nein? Damit wären Sie nicht allen. Ich stelle diese Frage oft an Anlässen. Bei einem gemischten Publikum meldet sich die grosse Mehrheit der Männer mit: «Ja, natürlich!» Frauen melden sich viel seltener, wenn überhaupt. Warum eigentlich? Trauen sich Frauen nicht, von einer grossen Karriere zu träumen? Oder ist Macht für Frauen abschreckend? Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Was verstehen Sie persönlich unter Macht?

Es ist eine Tatsache: Wenn es um das Thema Macht geht, existieren viele negative Bilder. Sofort tauchen Begriffe wie «kommandieren», «dominieren», «ellbögeln» oder gar «Machtmissbrauch zur eigenen Bereicherung» auf. Beispiele dafür sehen wir weltweit leider zur Genüge. Geht es denn nicht anders? Ich behaupte, doch.

Nüchtern betrachtet ist Macht nichts anderes als eine Kraft, mit der wir Dinge verändern und gestalten können. Eine Kraft, die uns ermöglicht, Einfluss zu nehmen. Es ist an der Zeit, dass wir uns als Frauen ganz bewusst die vielen positiven und konstruktiven Seiten von Macht und Einfluss vergegenwärtigen. Denn ich bin überzeugt, dass wir die grossen Herausforderungen unserer Zeit nur meistern, wenn auch die weibliche Perspektive ausreichend in Führungspositionen repräsentiert ist – und zwar in allen Bereichen. Zahlreiche Studien belegen es: Geschlechtergemischte Gremien treffen besser informierte, intelligentere und häufig nachhaltigere Entscheide. 

Macht ist, was wir daraus machen

Wenn uns nicht gefällt, was andere mit Macht machen, lautet die mutige Antwort, selbst eine einflussreiche Position zu erlangen und es anders und besser zu machen. Nur wer Einfluss hat, kann positive Veränderungen vorantreiben, neue Sichtweisen verankern und veraltete Strukturen modernisieren. 

Wo fangen wir an? Erkunden Sie für einen Moment Ihre eigenen Ambitionen – ich bin sicher, Sie werden einige entdecken. Stehen Sie selbstbewusst dazu. Und falls jetzt die Fragen auftauchen: «Kann ich das? Bringe ich alles mit, was es dazu braucht?», vergessen Sie diese Fragen bitte gleich wieder. Sie müssen nämlich gar nicht alles können. Wenn Sie gut ausgebildet sind und über grundsätzliche Führungsqualitäten verfügen, dürfen Sie darauf vertrauen, dass Sie lernen und sich aneignen, woran es eventuell noch fehlt. Das machen Männer übrigens genauso. Und ganz ohne Selbstzweifel. 

Bin ich für Macht gemacht?

Natürlich eignen sich nicht alle Menschen für Führungspositionen, geschweige denn CEO-Rollen. Aber – und davon bin ich fest überzeugt – es gibt sehr viel mehr Frauen als die wenigen, die wir heute sehen, die sich eignen würden oder geeignet hätten für eine solche Position. Gehen wir weiter auf Erkundungstour: Vielleicht liegt es Ihnen, in Szenarien zu denken, die Richtung vorzugeben und Menschen zu motivieren, mit anzupacken. Das sind klare Führungskompetenzen. Oder möglicherweise haben Sie eine besondere Stärke darin, Vorteile und Risiken abzuwägen. Auch das: eine wichtige Führungskompetenz. Oder vielleicht fällt es Ihnen leicht, mit Menschen aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenzuarbeiten, Silos aufzubrechen und Brücken zu bauen. Dito: eine Führungskompetenz. 

Die grossen Herausforderungen unserer Zeit können wir nur meistern, wenn auch die weibliche Perspektive ausreichend in Führungspositionen repräsentiert ist – und zwar in allen Bereichen.

Was wir sehen oder nicht sehen, beeinflusst unsere Bilder im Kopf

Warum halten Frauen ihre Ambitionen tendenziell eher zurück, trauen es sich nicht zu oder «sehen» sich nicht in einer Führungsrolle? Genau: Weil wir es nicht sehen bzw. es immer noch zu wenig sichtbare und positive weibliche Vorbilder gibt. Unsere Bilder im Kopf zum Thema Macht sind unweigerlich von männlichen Schablonen geprägt, weil historisch und auch heute noch die grosse Mehrheit der sichtbaren Leader Männer sind. Kein Wunder, wirken diese Bilder für die meisten Frauen nicht attraktiv. 

Die Entstehung dieser Bilder beginnt zu Hause, und zwar bereits in der Kindheit: Wer hat die wichtigen Entscheidungen gefällt? Wer hat das meiste Geld nach Hause gebracht, das teure Auto gekauft oder über das Ferienbudget bestimmt? Diese Überlegungen zeigen auch unweigerlich auf, wie wichtig unsere eigene Vorbildrolle gegenüber den jungen Generationen ist. 

Bilder lassen sich ändern – tun wir es bewusst

Die gute Nachricht ist, dass wir diese Prägungen ändern können, sobald wir sie erkannt haben. Wir können unseren Blick auch aktiv auf positive Vorbilder richten, von denen es glücklicherweise immer mehr gibt. Heute gibt es in der Schweiz objektiv keinen Grund mehr für Frauen, sich überholten (Geschlechter-)Mustern zu fügen. Ausserdem: Die stereotypen Muster sind für beide Geschlechter eine Last. Auch Männer haben genug vom Druck, Karriere machen zu «müssen» und die Ernährer-Rolle einzunehmen. Wie lange wird es dauern, bis in der Arbeitswelt Frauen nicht nur als potenzielle Mütter betrachtet werden, die sich vielleicht nach der Familiengründung aus dem Berufsleben zurückziehen, sondern auch als mögliche Führungspersonen? Und umgekehrt Männer nicht nur als zukünftige Leader, sondern auch als potenzielle Väter, welche ihre Kinder nicht nur am Wochenende oder in den Ferien sehen wollen?

Lust auf Macht?

Ich finde: Wir Frauen sind angesichts der grossen Herausforderungen unserer Zeit dazu aufgerufen, insbesondere in der Wirtschaft und in der Politik stärker in die Verantwortung zu gehen und – gemeinsam mit anderen – für gesundes, nachhaltiges Wachstum zu sorgen. Lasst uns also den Mythos «Macht» entschärfen. Stellen Sie sich die Anfangsfrage nochmals: Könnte ich das Unternehmen leiten, in dem ich jetzt angestellt bin? Falls (noch) nicht: Was bräuchte es dazu? Und was würde ich als erstes ändern? 

Text Alkistis Petropaki,
Geschäftsführerin Advance – Gender Equality in Business

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