glückliches lesbisches paar,   seinen kinn zu hause spielt. schöne vierköpfige familie,  eine tolle zeit zusammen drinnen hat. regenbogenfamilie.
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Familie Women

«Was nicht klappt, machen wir abends gemeinsam»

19.10.2022
von Julia Ischer

Was ist im Kühlschrank? Braucht unsere Tochter eine neue Jacke? Wann ist der Elternabend unseres Sohnes? In einer klassischen Familie sind es oft auch heutzutage noch die Frauen, die alle To-dos im Blick haben. Wie ist aber die Verteilung des Mental Loads in einer Regenbogenfamilie mit gleich zwei Frauen? «Fokus» hat nachgefragt.  

Die Familie von Sandra und Michaela könnte nicht glücklicher wirken. Zusammen mit ihrer zweijährigen Tochter Juna und dem sechs Monate alten Sohn Levian sind sie eine der über 10 000 Regenbogenfamilien in Deutschland. Auf die Frage nach der Identifikation mit diesem Begriff hin sagen die beiden Mamis aber, dass sie nur eine von vielen Varianten seien: «Eine Regenbogenfamilie bedeutet für uns bunt, anders und wunderschön zugleich zu sein. Wir sind keine Stereotype. Familienmodelle können so unterschiedlich und farbig sein wie ein Regenbogen.»

Der Weg zur Regenbogenfamilie

Seit 2017 sind die zwei Frauen miteinander verheiratet, den Kinderwunsch hatten sie schon von Anfang an. Sie beide wollten je einmal schwanger werden. Dieser Weg war aber gar nicht so einfach. «Es hat uns viel Herzblut, Geduld, Ausdauer und nebenbei natürlich Geld gekostet», betonen die beiden. Nach sieben erfolglosen IUIs bei der ersten Schwangerschaft, sind sie auf die Methode der IVF umgestiegen. Die zweite davon hat funktioniert, insgesamt dauerte der Prozess über ein Jahr. Ein Jahr voller Hoffnung und Enttäuschung. Bei der zweiten Schwangerschaft sind sie nach nur zwei erfolglosen IUIs auf die IVF umgestiegen. Diese hat gleich beim ersten Mal angeschlagen. Aber nicht nur die Schwangerschaft war ein weiter Weg: Bei gleichgeschlechtlichen Paaren muss der Elternteil, der nicht die leibliche Mutter oder der leibliche Vater ist, das Kind adoptieren. Daher dauerte es auch nach der Schwangerschaft noch eine Weile, bis sie wirklich offiziell eine Familie sein durften. 

Gemeinsame Elternzeit

Da beide jeweils ein Kind austragen wollten, konnten sie mit der Planung des zweiten relativ kurz nach Junas Geburt beginnen. Somit hatten sie die Möglichkeit, die beiden Elternzeiten von je zwei Jahren miteinander zu verbinden. «Das war unglaublich schön. Für uns gibt es nichts wichtigeres als Zeit mit der Familie zu verbringen», fügen Michaela und Sandra an. 

Familienmodelle können so unterschiedlich und farbig sein wie ein Regenbogen.

Der ganz normale Wahnsinn

Der Alltag der Familie hat sich mittlerweile gut eingependelt, auch dank dieser gemeinsamen Elternzeit. Da die Tochter seit Juni dieses Jahres für drei Stunden in den Kindergarten geht, kann sich Michaela in dieser Zeit um den Haushalt und die Einkäufe kümmern. Sandra arbeitet mittlerweile wieder, sie beginnt aber sehr früh damit und hat dann dementsprechend auch früh wieder Feierabend. Dadurch können die vier als Familie abends viel Zeit miteinander verbringen und die Kinder haben die Aufmerksamkeit beider Elternteile. Sobald die Kinder im Bett sind, kann Sandra Michaela bei liegengebliebenen Arbeiten helfen oder die beiden geniessen etwas Zweisamkeit.

«Wir haben uns schon immer gut ergänzt und unterstützt. Bei uns gibt es keine klare Aufteilung der Arbeiten. Die Ausnahme bildet die Arbeitsstelle von Sandra», meint Michaela bei der Frage nach der Arbeitsverteilung. Aus diesem Grund ist Michaela auch eher zuständig für den Haushalt. Dabei setze sie sich aber nie unter Druck: «Was nicht klappt, machen wir abends gemeinsam.»  

Mental Load in der Schwangerschaft

Für die Familie ist es selbstverständlich, sich immer zu unterstützen. So war es auch in der Schwangerschaft. Beide Frauen hatten während ihren jeweiligen Schwangerschaften mit Blutungen zu kämpfen, mussten sich viel ausruhen und bekamen gar ein frühzeitiges Beschäftigungsverbot ausgesprochen. In dieser Zeit war es für die Nichtschwangere sofort klar, dass sie die Aufgaben im Haushalt übernahm, Termine vereinbarte und an alle wichtigen To-dos dachte.   

Hürden und Vorurteile

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Familie glücklich und froh, einander zu haben. Aber auch ihnen wurden in der Vergangenheit einige Steine in den Weg gelegt. So bekamen sie beispielsweise eine Absage von einer Kinderwunschklinik, weil sie ein gleichgeschlechtliches Paar sind. Auch die zwei Adoptionen stellten eine grosse Hürde dar. Um den Antrag zu stellen, mussten sehr persönliche und intime Fragen schriftlich und mündlich beantwortet werden. Es kam auch jemand zu ihnen nach Hause, um alles zu überprüfen. Das Schlimmste daran sei das Wissen gewesen, dass so etwas bei klassischen Familien nie gemacht würde. 

Ausserdem herrschen immer noch Vorurteile gegenüber Regenbogenfamilien in der Gesellschaft. Vor allem, weil ein Kind in den Augen vieler Menschen beide Geschlechter benötigt, um sich richtig entwickeln zu können. Hierzu hat die Familie eine klare Meinung: «Kinder wachsen an der Liebe, die sie erfahren, und daran fehlt es ihnen bei uns gar nicht.» Es braucht nicht unbedingt einen männlichen Part in der Familie und schliesslich hätten die beiden Kinder Onkel und Grossväter.

Sie wünschen sich, genauso als Familie anerkannt zu werden wie eine klassische Familie. Denn das sind sie.  

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Weitere Informationen

Intrauterine Insemination (IUI)

Eine Insemination in die Gebärmutter zu einem bestimmten Zeitpunkt mittels Katheter. Hierbei wird der Eisprung ausgelöst. Stimuliert wird kaum oder gar nicht.

In-vitro-Fertilisation (IVF)

Hormone werden stimuliert, um möglichst viele Follikel heranreifen zu lassen und somit viele Eizellen zu gewinnen. Bei einer bestimmten Grösse werden diese Follikel punktiert. Danach kommen sie gemeinsam mit dem Spendersamen in eine Nährlösung, wo die Befruchtung stattfindet. Die befruchtete Eizelle wird wieder in die Gebärmutter eingesetzt.

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