Die Schweiz ist weltberühmt für ihre Schokolade und einige der ältesten Schokoladenhersteller sind bis heute bekannte Namen. Doch wie kam es dazu, wo doch die Kakaobohne weit weg von der Schweiz wächst?
Die Kakaobohne stammt ursprünglich aus dem Amazonasgebiet und wurde erstmals von den Mayas in Mittelamerika angebaut. Schon damals wurde sie zu einem Schokoladengetränk namens «Xocolatl» verarbeitet. Der Geschmack hatte allerdings wenig mit der heute bekannten Trinkschokolade zu tun, denn es war ein starkes Getränk, das mit Gewürzen wie Pfeffer abgeschmeckt wurde. Was wir heute unter Schokolade verstehen, hat kaum etwas damit zu tun, wie wir sie uns heute vorstellen.
Die Schokolade kam im 16. Jahrhundert nach Europa und war damals eng mit der Aristokratie verbunden. Im 17. Jahrhundert gelangte sie über Handelswege durch Italien und Frankreich in die Schweiz. Die Schweiz gehörte zunächst zu den Nachzüglerinnen und entwickelte sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer grossen Akteurin. Mit dem Niedergang der Aristokratie verlor die Trinkschokolade an Bedeutung, während die Nachfrage nach fester Schokolade stieg. Anfang des 20. Jahrhunderts konnte sich die Schweiz von der Konkurrenz absetzen und im Jahr 1912 wurden sogar 55 Prozent der Schokolade auf dem Weltmarkt in der Schweiz produziert.
Schweizer Pioniere verändern die Branche
Der Mann, der die Schokoladenproduktion in der Schweiz ins Rollen brachte, war François-Louis Cailler. Er erlernte das Handwerk in Turin und eröffnete nach seiner Rückkehr 1819 in Corsier-sur-Vevey die erste mechanisierte Schokoladenfabrik und leitete damit die Industrialisierung der Schokolade ein. Ihm ist auch die tafelförmige Schokolade zu verdanken.
Doch damit nicht genug: Überall tauchten neue Hersteller auf, die das traditionelle Wissen als Sprungbrett für ihre eigenen Innovationen nutzten. Bereits 1826 erfand Philippe Suchard in Serrières den Mélangeur, ein Gerät, mit dem Zucker und Kakaopulver gemischt und fein gemahlen werden konnten. Er war auch der erste Schweizer, der mit der Marke Milka eine Fabrik im Ausland (Deutschland) eröffnete und Ende des 19. Jahrhunderts produzierte er die Hälfte aller Schweizer Schokolade.
Der grosse Durchbruch in der Schokoladenszene gelang Rodolphe Lindt aber erst 1879, als er das Conchieren erfand. Damals schmeckte die Schokolade sandig und leicht säuerlich, bekam schnell einen weissen Belag und musste mühsam gekaut werden. Sein Bruder riet ihm, die Maschinen zu erhitzen und länger laufen zu lassen. Zudem fügte Lindt Kakaobutter bei, was damals schon bei einigen Herstellern in England üblich war. Nach drei Tagen und Nächten war die Masse kaum wiederzuerkennen, die Aromen hatten sich entwickelt und die Schokolade schmolz auf der Zunge. So entstand die berühmte «le chocolat fondant». Dieses Verfahren ist in der Branche erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt und vereinfachte und beschleunigte die Herstellung, da die Masse nun in Formen gegossen statt gepresst werden konnte.
Von der Milchschokolade zum goldenen Hasen
Doch nicht nur im Herstellungsprozess und in der Technik gab es Innovationen. Auch das Produkt selbst wurde weiterentwickelt. So kreierte Charles-Amédée Kohler 1830 die erste Schokolade mit Haselnüssen. Zudem bildete er in seinem Unternehmen Lehrlinge aus, darunter Rodolphe Lindt und Robert Frey.
Die bedeutendste Innovation kam jedoch von Daniel Peters, Caillers Schwiegersohn, der ebenfalls eine eigene Fabrik eröffnete. Jahrelang versuchte er, seiner Schokolade Milchpulver beizumischen, bis er die Idee hatte, Kondensmilch zu verwenden: Die Milchschokolade war geboren. Das Milchpulver und die Kondensmilch bezog er interessanterweise von seinem Freund und Nachbarn Henri Nestlé. Heute gehören die Marken Peters, Cailler und Kohler zu Nestlé. (Dem Unternehmen wird auch die Erfindung der weissen Schokolade zugeschrieben.)
Seitdem haben sich viele Marken mit ihren charakteristischen Produkten etabliert, wie zum Beispiel Toblerone die 1908 von Theodor Tobler und seinem Cousin Emil Baumann erfunden wurde. Das Unternehmen fusionierte mit Milka und gehört heute zu Mondelez International. Und auch der goldene Schokoladenhase mit der roten Schleife ist kaum noch aus der Lindt-Schokoladenwelt wegzudenken.
Die Zukunft der Schweizer Schokolade
Dieser Innovationsgeist ist ein wichtiger Grund für den weltweiten Erfolg der Schweizer Schokolade. Er ist heute noch ausgeprägt und zeigt sich in den vielen neuen Geschmackskombinationen, der patentierten Ruby-Schokolade, aber auch in der Forschung. Dabei gewinnt die Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung, da nach nachhaltigeren Lösungen für die Schokoladenproduktion gesucht wird. Die jüngste Studie des Departements Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften der ETH befasst sich genau mit diesem Thema. Wissenschaftler:innen haben in Zusammenarbeit mit Industriepartnern eine Schokolade aus der Kakaofrucht hergestellt, die nicht nur nachhaltiger, sondern auch gesünder ist.
Die Kakaofrucht besteht aus der Schale, der Frucht und den Kakaobohnen. Traditionell werden nur die Bohnen für die Herstellung verwendet, doch die Wissenschaftler:innen haben die Fruchtschale zu einem Pulver verarbeitet, das mit dem Fruchtfleisch vermischt wird, um ein Gelee zu formen. Diese Masse ist bereits süss und kann zumindest teilweise den Kristallzucker in der Schokolade ersetzen. Sie ist gesünder, weil sie mehr Ballaststoffe und weniger gesättigte Fettsäuren enthält.
Die Bauern profitieren ebenso, denn sie vermarkten nun neben den Bohnen auch den Rest der Frucht. In den Läden wird die Schokolade zwar noch nicht so schnell zu finden sein, denn bis jetzt fehlt eine rentable Wertschöpfungskette, aber die ETH scheint zuversichtlich: Sie hat das Rezept für die Kakaofruchtschokolade bereits zum Patent angemeldet.
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