Interview von SMA

Christoph Mäder: «Netto-Null bis 2050 ist ein ambitioniertes Ziel»

Christoph Mäder ist Präsident des Wirtschaftsdachverbands economiesuisse. Für ihn sind die Schweizer Klimaziele erreichbar, wie er im Interview betont.

Christoph Mäder ist Präsident des Wirtschaftsdachverbands economiesuisse. Für ihn sind die Schweizer Klimaziele erreichbar, wie er im Interview betont.

Christoph Mäder, alle Welt spricht von Nachhaltigkeit und Klimaprogrammen. Was genau meint economiesuisse damit?

Eine nachhaltige Entwicklung in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht ist nur zusammen mit den Unternehmen erfolgreich zu realisieren. Wir engagieren uns deshalb für eine liberale und nachhaltige Marktwirtschaft, in der ökonomische, soziale und ökologische Ziele ganzheitlich berücksichtigt werden. Das ist so in unseren Statuten verankert. Im Klimaschutz sind wir bereits intensiv an der Arbeit. Mit dem Bekenntnis zu einem Netto-Null-Ziel haben wir uns ein ambitioniertes Ziel gesetzt und ein «Klimaprogramm der Schweizer Wirtschaft» mit neun Aktionsfeldern entwickelt.

Die CO2-Ziele für 2050 sind vorgegeben. Sind sie überhaupt erreichbar?

Netto-Null bis 2050 ist tatsächlich ein ambitioniertes Ziel. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen verstärken. Im Idealfall erreichen wir dieses Ziel koordiniert mit dem Rest der Welt und der Einführung eines global einheitlichen Preises für CO2-Emissionen. Einen grossen Beitrag gegen die Klimaerwärmung kann die Schweizer Wirtschaft in ihrer Rolle als weltweit vernetzte Innovatorin und Technologielieferantin erzielen. Gefragt sind etwa Technologien für die Erreichung sogenannter «Negativemissionen» oder für die Entwicklung synthetischer Treibstoffe.

Und lässt sich so «nachhaltig wirtschaften»?

Auf jeden Fall. Das universelle Prinzip der Nachhaltigkeit geht letztlich sogar auf die Wirtschaft zurück, konkret auf die Waldwirtschaft: Man soll immer nur so viel Holz fällen, wie nachwächst, heisst der Grundsatz nachhaltiger Forstwirtschaft seit 300 Jahren. economiesuisse begrüsst den Ansatz, Nachhaltigkeit in erster Linie durch Einpreisen externer Kosten sowie der verbesserten Information der Konsument:innen zu erreichen. Allerdings dürfen Massnahmen zur Förderung nachhaltigen Konsums und nachhaltiger Produktion nicht einseitig zulasten von Schweizer Unternehmen umgesetzt werden. Sonst werden inländische Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten benachteiligt, was am Schluss weder Mensch noch Umwelt dient.

Können Sie ein gutes Fallbeispiel eines Schweizer Unternehmens geben, das Nachhaltigkeit gut vorlebt?

Ein interessantes Beispiel liefert Novartis. Das Unternehmen hat sich bis 2025 ehrgeizige Ziele gesetzt, um in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen 200 Prozent mehr Patientinnen und Patienten mit ihren innovativen und strategisch wichtigen Medikamenten zu versorgen und den Zugang über ihre weltweiten Flagship-Programme um 50 Prozent zu steigern. Als klares Bekenntnis zu diesen Zielen hat Novartis eine Nachhaltigkeitsanleihe im Umfang von 1,85 Milliarden Euro aufgelegt, die die erste ihrer Art im Gesundheitswesen sowie die erste an gesellschaftliche Ziele gebundene Nachhaltigkeitsanleihe überhaupt ist. Sollte Novartis ihre Ziele verfehlen, erhalten die Investor:innen einen höheren Kupon.

Sie haben am Tag der Wirtschaft eine Statutenänderung bekannt gegeben. Was konkret soll passieren?

Das war ein erster, aber wichtiger Schritt, der die Ambitionen der Schweizer Wirtschaft untermauert und Ausdruck von grosser Einigkeit ist. Letztlich geht es aber darum, dass Nachhaltigkeit auch im Unternehmeralltag gelebt wird. Diesbezüglich arbeiten wir an konkreten Umsetzungsmassnahmen, welche auch über die üblichen wirtschaftspolitischen Bemühungen hinaus gehen. So beteiligen wir uns konkret an einer Multistakeholder-Initiative, um die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und den Dialog zwischen Unternehmen und Konsumenten zu Themen der Nachhaltigkeit zu fördern.

Die Wirtschaft setzt sich für eine Gleichbehandlung von Brenn- und Treibstoffen ein. Was sehen Sie hier für Chancen und Risiken?

Lenkungsabgaben können klimaverträgliches Verhalten fördern und verursachen geringe Umsetzungskosten. Die Schweiz ist einer der wenigen Staaten, die bereits eine CO2-Abgabe eingeführt haben. Im Grundsatz sind wir bereit, die Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe auch auf Treibstoffe auszuweiten, um einen weiteren Schritt in Richtung Kostenwahrheit zu machen. Wir benötigen aber insgesamt einen ausgewogenen Instrumentenmix. Zudem zeigt sich in der aktuellen Debatte aber auch, dass die Stimmbevölkerung bezüglich Treibstoffpreiserhöhungen äusserst sensitiv reagiert. Diesen Punkt muss die Politik in der Diskussion unbedingt wieder stärker beachten. 

Welche Rolle wird economiesuisse konkret spielen, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen?

economiesuisse wird sich auf dem politischen Weg für optimale Rahmenbedingungen einsetzen, damit das Ziel Netto-Null bis 2050 erreicht werden kann. Wir unterstützen beispielsweise freiwillige Einsparungen von Unternehmen mit einer Kampagne zur Förderung von wissenschaftsbasierten Klimazielen (Science Based Targets Initiative). Diese Kampagne soll dazu beitragen, in den nächsten zehn Jahren Treibhausgasemissionen im Umfang von mehreren Millionen Tonnen einzusparen und klimabedingte Schäden in der Milliardenhöhe zu verhindern.

Bild Andre Springer 

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17.12.2021
von SMA
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