Interview von SMA

Amy Baserga: «Ich wusste am Abend vorher nicht, ob ich überhaupt starten soll»

Amy Baserga ist nicht nur eine der talentiertesten Biathletinnen der Schweiz, sondern bewegt mit ihrer Geschichte die ganze Sportwelt.  Nur wenige Monate nach dem Tod ihrer grossen Liebe gewinnt sie an der Junioren-WM zweimal Gold.

Amy Baserga ist nicht nur eine der talentiertesten Biathletinnen der Schweiz, sondern bewegt mit ihrer Geschichte die ganze Sportwelt.  Nur wenige Monate nach dem Tod ihrer grossen Liebe gewinnt sie an der Junioren-WM zweimal Gold.

Amy Baserga, Sie sind 21 Jahre alt und haben bereits Höhen und Tiefen erlebt, wie andere in einem ganzen Leben nicht. Lassen Sie uns am absoluten Tiefpunkt beginnen: der plötzliche Unfalltod ihres Freundes.

Ein Punkt im Leben, der das aus mir gemacht hat, was ich heute bin. Ich habe damals den Entschluss gefasst, noch stärker aus der schlimmsten Phase meines Lebens hervorzukommen. Und ich möchte andere dazu motivieren, ihre Ziele auch in schweren Momenten weiterzuverfolgen.

Amy Baserga

Das haben Sie gemacht und auch in dieser Zeit an Ihrer grossen Leidenschaft Biathlon festgehalten. Wie schafften Sie es, trotz Schicksalsschlag Ihre Karriere weiter voranzutreiben?

Ein Schlüsselerlebnis hatte ich, als der beste Freund meines verstorbenen Lebenspartners kurze Zeit nach seinem Tod ein Velorennen gewonnen hatte. Da sagte ich mir: Ich darf den Sport auf keinen Fall aufgeben – ich will auch für meinen Freund weiter Biathlon machen. Schliesslich hat er mich immer unterstützt und sich mit Leidenschaft dafür eingesetzt.

Wie gelang es, den Kopf fürs Training freizukriegen?

Indem ich früh merkte, dass ich mit meinem Umfeld sprechen muss. Wenn ich mal einen schlechten Tag hatte, dann habe ich das meinen Trainern mitgeteilt. Ich konnte dann das Training entsprechend anpassen. Es hat auch geholfen, die schlechten Tage – und von diesen gab es viele – einfach zu akzeptieren. Dann habe ich mir halt einfach tiefer Ziele gesetzt – beispielsweise eine Runde joggen.

So haben Sie sich Schritt für Schritt an die WM im gleichen Jahr gekämpft. Der Rest der Geschichte gleicht einem Märchen: Sie gewannen Gold im Sprint.

Bis dahin war alles unglaublich turbulent. Ich hatte Trainingsrückstand und alle Rennen gerade noch so reingequetscht. Mental war ich total müde. Ich wusste am Abend vor dem Rennen gar nicht, ob ich überhaupt starten soll, habe das erst am nächsten Morgen entschieden.

Ich hätte niemals damit gerechnet, das Rennen zu gewinnen. Amy Baserga

Wie ist es Ihnen dann gelungen, all diese Emotionen auszublenden und zum Sieg zu laufen?

Ich habe mich einfach wieder auf das Wesentliche besonnen: Dass ich diesen Sport über alles liebe, es nicht selbstverständlich ist, an einer WM mitlaufen zu dürfen. Plötzlich war mein Kopf frei – und ich konnte ohne Druck und einfach nur mit grosser Freude ins Rennen gehen. Ich hätte aber niemals damit gerechnet, das Rennen zu gewinnen.

Sie verfügen über eine Willenskraft, die beeindruckt. Was raten Sie jungen Menschen, die sich in ähnlich schwierigen Situationen befinden?

Reden! Es hilft, sich jemandem anzuvertrauen, bloss nicht alles in sich reinzufressen. Und sich auch an schlechten Tagen kleine Ziele setzen. An manchen Tagen war es für mich bereits ein Erfolg, dass ich es aus dem Bett geschafft habe. Es muss nicht immer gleich WM-Gold sein!

Bilder zVg / Amy Baserga

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

25.08.2022
von SMA
Vorheriger Artikel Dean Schneider: Der Schweizer Tierschützer und seine Mission in Südafrika
Nächster Artikel Go for it oder abstinent sein – wie verhält sich die Jugend der Sexualität gegenüber?