Die junge Catherine Cruchon trat 2010 als Önologin in das Familiengut Henri Cruchon ein. Im Interview erzählt sie von ihrer Leidenschaft für Bio-Wein und warum ganzheitliches Denken in der Landwirtschaft so wichtig ist.
Catherine Cruchon, wie entstand Ihre Leidenschaft für Wein?
Ich wurde praktisch in einem Weinfass geboren (lacht). Die Liebe zum Wein ist Teil meiner Familie, meiner DNA. Mein Vater und mein Onkel sind Winzer. Ich wurde in diese Welt hineingeboren, jedoch hat mich niemand dazu gezwungen, in diesem Geschäft zu bleiben.
Ich habe die Atmosphäre dieser Welt schon immer gemocht. Besonders mag ich die Erntezeit. In dieser Zeit helfen uns viele Freunde. Wir essen alle zusammen und veranstalten am Tagesende kleine Partys. Ich könnte nie in einem allzu seriösen Umfeld arbeiten, wie beispielsweise einer Bank.
Auch liebe ich die Teamarbeit, die in der Weinwelt erforderlich ist. Unser Unternehmen ist sehr geschlossen. Ich verstehe mich sehr gut mit meinen Kollegen, ob sie in unserem oder anderen Unternehmen arbeiten. Wir teilen die gleichen Werte und ich liebe es, Erfahrungen und Ideen und den Wein mit ihnen zu teilen (lacht).
Ich denke, dass die Natur uns demütig macht, was einer der Gründe ist, warum ich gerne mit der Natur arbeite. Man kann zum Beispiel viele Jahre lang hart arbeiten, um ein Ziel zu erreichen, aber wenn die Natur nicht mitspielt, muss man einfach bescheiden sein und sich ihr anpassen.
Welches sind Ihre Lieblingsweine?
Wir haben in der Schweiz so viele gute Weine, die Liste ist lang! (lacht) Ich liebe den Weisswein von Laura Paccot von der Domaine La Colombe. Ich mag, was Vincent Chollet in Lavaux produziert. Ich liebe auch den Wein von Anne-Claire Schott, in der Region beim Bieler See.
Im Allgemeinen mag ich Weine, die Charakter haben, egal ob sie weiss oder rot sind – die Wahl hängt von meiner Stimmung ab (lacht). Wenn ich für den Rest meines Lebens nur eine Sorte Weisswein trinken müsste, würde ich den Chasselas wählen. Man kann nie zu viel Chasselas trinken (lacht). Chasselas ist so zart und elegant. Aber es gibt so viele Sorten.
Ich mag Winzer, die die Bedeutung der Einfachheit betonen. Deshalb sind die Weine, die ich mag, einfach und natürlich, mit wenig Sulfiten, Weine aus biologischem Anbau. Bei den Rotweinen liebe ich zum Beispiel Pinot Noir, Grenache oder Nebbiolo. Im Allgemeinen mag ich keine Rotweine, die zu schwer sind, zu viel Alkohol oder zu viel Zucker enthalten.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich Eleganz, Komplexität aber auch Einfachheit mag (lacht).
Welchen Teil Ihrer Arbeit mögen Sie am liebsten?
Abgesehen von der Degustation? (lacht) Ich glaube, die Ernte ist die beste Zeit des Jahres. Es ist so viel los. Es ist eine sehr wichtige und heikle Zeit: Wenn etwas schief geht, haben wir das ganze Jahr über Probleme. Es ist auch eine anstrengende Zeit, weil wir so hart arbeiten, aber ich liebe es. Wir ernten die Trauben. Ihr Saft hat noch nicht den Geschmack von Wein, doch während der Gärung werden alle Aromen freigesetzt und wir beginnen, den von uns produzierten Wein und das Terroir, von dem er stammt, wirklich zu erkennen. Kurzum, es ist ein aussergewöhnlicher Moment in der Weinherstellung: In diesem Moment wird der Wein wirklich geboren!
In den Önologie-Schulen ist der Frauen- und Männeranteil jetzt ausgeglichen; oftmals hat es sogar mehr Frauen.
Catherine Cruchon
Stimmt es, dass die Frauen in der Weinbranche weniger vertreten sind?
Das war mal so, es hat sich inzwischen aber geändert. In den Önologie-Schulen ist der Frauen- und Männeranteil jetzt ausgeglichen; oftmals hat es sogar mehr Frauen. Im Weinbau ist das weniger der Fall. Das kann mit der Körperlichkeit zusammenhängen, denn es ist ein harter Job. Was ich an der Weinwelt mag, ist, dass die Menschen sehr aufgeschlossen sind. Ich denke, das liegt daran, dass sie in ständigem Kontakt mit anderen Menschen und mit der Natur sein müssen. Ich hatte noch nie Probleme oder Bemerkungen bezüglich meines Geschlechts.
Was ist ein Bio-Wein?
Der ökologische Weinbau beginnt im Weinberg. Es werden keine Herbizide oder synthetische Düngemittel verwendet. Stattdessen verwenden wir natürliche Düngemittel, wie zum Beispiel Kompost.
Meiner Meinung nach hat der Einsatz von Chemikalien einen starken Einfluss auf die Ökologie. In Wasser und Luft gibt es sehr starke atomare Bindungen zwischen den Molekülen. In der Erde sind die Bindungen elektromagnetisch, was bedeutet, dass sie sehr zerbrechlich sind und leicht durch chemische Düngemittel und Herbizide gebrochen werden können. Wenn diese Bindungen brechen, liefert der Boden kein trinkbares Wasser mehr und das Leben im Boden hört auf zu existieren. Wussten Sie, dass die Biomasse im Boden als gleichwertig mit der Anzahl der Tiere auf der Erde angesehen wird?
Auch geschmacklich spürt man den Unterschied. Wenn wir einen Wein trinken, der von einem leblosen Boden stammt, wird dieser uns nie so viel gute Energie liefern, wie ein Wein aus biologischem Anbau. Deshalb denke ich, dass wir uns der Natur anpassen müssen und nicht die Natur zwingen dürfen, sich an uns und unsere Bedürfnisse anzupassen. Das ist es, was den ökologischen Landbau ausmacht!
Wenn wir einen Wein trinken, der von einem leblosen Boden stammt, wird dieser uns nie so viel gute Energie liefern, wie ein Wein aus biologischem Anbau.
Catherine Cruchon
Was ist der Unterschied zwischen biologischem und biodynamischem Wein?
Biodynamischer Wein ist biologisch. Es ist einfach eine andere Art, die Dinge zu betrachten. In der biologischen Landwirtschaft werden Pflanzen mit biologischen Produkten behandelt, um zu verhindern, dass sie krank werden. Die Biodynamik versucht auch, die natürlichen Abwehrkräfte der Pflanzen zu stimulieren, damit sie sich selbst verteidigen können und keine Krankheiten entwickeln.
Aus dieser Perspektive geht es also darum, so wenig wie möglich abzutöten. Wenn man zum Beispiel ein Insekt mit einem Insektizid tötet, tötet man nicht nur das Insekt, sondern auch positive Elemente und Insekten, die der Pflanze helfen, sich vor anderen Schädlingen zu schützen. Dies führt dann zur Entwicklung anderer Insekten und der Notwendigkeit, Jahr für Jahr mehr und verschiedene Insektizide einzusetzen.
So versucht die Biodynamik, den Boden so widerstandsfähig wie möglich zu machen, um den Einsatz von Insektiziden zu vermeiden. Da wir ausserdem wissen, dass die anderen Planeten über den Mond die Erde und unsere Pflanzen beeinflussen, richten wir uns auch nach dem Mondkalender. So können sich die Pflanzen bestmöglichst entwickeln.
Wie werden biologisch erzeugte Weine heute wahrgenommen?
Sie werden inzwischen sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Gastronomie gut wahrgenommen. Das war vor zehn Jahren noch nicht der Fall. Ich denke, dass die Leute den Wein nicht bloss kaufen, weil er biologisch ist. Aber wenn sie erfahren, dass er biologisch ist, sind sie noch glücklicher mit dem Wein.
Wie sehen Sie die Zukunft der Bio-Weine?
Ich hoffe, Bio-Weine werden die Zukunft der gesamten Landwirtschaft sein! Dazu müssen wir aber mit Politik, Wirtschaft, Bildung, Forschung und Verbrauchern zusammenarbeiten. Vor allem die Verbraucher müssen bereit sein, den richtigen Preis für das richtige Produkt zu zahlen. Wenn die Qualität des Bio-Weins in der Schweiz hervorragend ist, dann liegt das daran, dass wir strenge Regeln befolgen und gute Rohstoffe haben sowie aussergewöhnliche Terroirs, die gut gepflegt werden.
Bio-Weine haben einen Preis, der sicher höher ist als der eines traditionellen Weins, zum Beispiel von einem französischen oder italienischen Terroir, das weniger Regeln beachten muss als in der Schweiz. Wir haben den so genannten Bundes-Bio-Wein, die Bio-Knospe und den Demeter-Standard. Bundes-Bio, das niedrigste Bio, das wir haben, ist gleichwertig mit europäischem Bio. Der bekannteste Standard ist die Bio-Knospe, die strengere Regeln hat und deshalb teurer ist. Es gibt auch Demeter, das noch strenger ist als die Knospe und auf internationalen Regeln basiert.
Wenn wir also einen besseren Wein machen wollen, aus biologischem Anbau und mit strengen Regeln, die seine Qualität garantieren, müssen wir alle zusammenarbeiten, um das zu erreichen: Es muss ein globales Projekt sein!
Sie verwenden eine poetische Sprache, wenn Sie über Wein und dessen Herstellung sprechen. Glauben Sie, dass dies ein kreativer und künstlerischer Prozess ist? Betrachten Sie sich in diesem Sinne als Künstlerin?
Ich bin keine Künstlerin. Ich denke, der Künstler nimmt Farben, setzt sie zusammen und macht daraus ein Meisterwerk. Ich kreiere nicht den Geschmack des Weins, den ich produziere. Ich kombiniere einfach Elemente so, dass der Wein seinen Geschmack so gut wie möglich ausdrückt. Ich bin auch kein Parfümschöpfer, der Elemente kombiniert und das perfekte Parfüm kreiert. Ich würde nicht sagen, dass ich keine Künstlerin bin, sondern eher eine Handwerkerin. Für mich sind das Terroir, die Reben und die Trauben die Künstler. Natürlich helfe ich ihnen, sich auszudrücken, aber ich habe keine Rolle als Künstlerin!
Interview: Andrea Tarantini / Übersetzung aus dem Französischen: Fatima Di Pane
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