In der Schweiz werden Menschen mit einer Behinderung durch den Assistenzbeitrag IV (AB-IV) unterstützt. Anspruchsberechtigt sind Personen, die eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen und auf eine regelmässige Begleitung angewiesen sind, aber trotzdem selbstbestimmt zu Hause leben möchten. Der Beitrag wird für die Anstellung von Assistenzpersonen verwendet, die in allen Lebensbereichen helfen können, vom Haushalt über die Freizeit bis hin zum Schulbesuch oder Arbeitsplatz.
Nicht alle haben Anspruch auf einen Assistenzbeitrag
Allerdings haben nicht alle Anspruch auf einen Assistenzbeitrag, erklärt Simone Braun, Geschäftsführerin des Assistenzbüros. Wer anderweitig versichert ist, sei es durch die Unfallversicherung oder die Militärversicherung, hat keinen Anspruch auf den AB-IV. Auch nicht alle Personen, die eine Hilflosenentschädigung der IV erhalten, erfüllen die strikten und komplexen Anspruchsvoraussetzungen. Zum Beispiel für Personen mit einer kognitiven oder psychischen Beeinträchtigung ist es sehr schwierig, einen AB-IV zu erhalten. Bezüger:innen einer Hilflosenentschädigung der AHV haben keinen Anspruch auf einen Assistenzbeitrag, ausser sie erhielten diesen schon vor Erreichen des AHV-Alters.
Zudem sei das Modell nicht für alle geeignet, ergänzt Renate Gäumann, Abklärungsfachfrau des Assistenzbüros, denn es erfordere ein hohes Mass an Organisationsfähigkeit und juristisch-sozialer Kompetenz, da die betroffene Person als Arbeitgeber auftrete. Neben der administrativen Unzugänglichkeit schränkt der Assistenzbeitrag auch ein, wer angestellt werden kann. So können zum Beispiel Ehepartner:innen und Familienmitglieder in direkter Linie (Eltern, Grosseltern, Kinder, Enkel) nicht angestellt werden. Auch wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann es sein, dass der AB-IV nicht alle Kosten deckt. Deshalb sind die Kantone verpflichtet, Hilfe zu leisten und den Restbetrag zu finanzieren. Wie das jedoch umgesetzt wird, gestaltet jeder Kanton selbst und anders.
Das Assistenzbudget soll Lücken überbrücken
Das Assistenzbudget ist eine Variante dieser subsidiären Finanzierung durch den Kanton. Das bedeutet, dass diese Möglichkeit erst dann zur Verfügung steht, wenn alle anderen Möglichkeiten wie zum Beispiel der AB-IV ausgeschöpft sind. Dieses Budget kommt Personen zugute, für die der Assistenzbeitrag nicht ausreicht oder die keinen Zugang dazu haben. Ein grosser Vorteil ist laut Renate Gäumann, dass Familienangehörige in einem begrenzten finanziellen Rahmen angestellt werden können, da sie oft die Hauptpflegepersonen sind. Das Assistenzbudget kann ihre Arbeit kompensieren oder sie durch angestellte Assistenzpersonen entlasten.
Ein Beispiel ist die Situation von Andrea Müller. Sie erlitt bei der Geburt ihres dritten Kindes eine Hirnblutung, die zu einer schweren Behinderung führte und eine umfassende Betreuung erforderlich machte. Ihr Mann wollte aber, dass sie zu Hause bleibt und die Kinder aufwachsen sieht. Das Assistenzbudget ermöglichte es ihm, 80 Prozent zu arbeiten, um morgens und abends einen Teil der Pflege zu übernehmen. Ausserdem hilft es, die Pflege tagsüber zu finanzieren. Ohne die zusätzliche finanzielle Unterstützung wäre es für die Familie Müller nicht möglich gewesen, weiterhin gemeinsam zu Hause zu leben.
Das Assistenzbüro als Anlaufstelle
Das klingt in der Theorie einfach, wird aber von jedem Kanton eigenständig und sehr unterschiedlich oder gar nicht umgesetzt, was das Thema sowohl für die Betroffenen als auch für die Behörden sehr komplex macht. Die Fortschritte sind sehr unterschiedlich und auch die Instrumente zur Berechnung des Assistenzbedarfs sind nicht einheitlich.
Das Assistenzbüro ist die Fachstelle und Know-how-Träger im Bereich Leben mit Assistenz. Der Verein wurde vor über zehn Jahren von Betroffenen gegründet und hat sich ein umfassendes und spezialisiertes Fachwissen sowie Erfahrung in einem sehr unübersichtlichen System angeeignet. Er setzt sich für die Weiterentwicklung der verschiedenen Assistenzmodelle ein. Er bietet individuelle Beratung an, unabhängig der Beeinträchtigung, aber auch Beratung und Unterstützung für Behörden und Organisationen.
Seit Kurzem gibt es auf der Website des Assistenzbüros auch einen Bereich für Organisationen im Assistenzbereich, in dem sie ein Profil erstellen können. Dies entspricht dem zusätzlichen Ziel des Vereins, der digitale Themenhost für das Leben mit Assistenz zu werden. Simone Braun ist der Meinung, dass es einen Ort geben muss, an dem alle Informationen gebündelt werden und Betroffene Antworten oder eine Fachperson finden, die ihnen weiterhelfen kann. Dies ist eine sinnvolle Ergänzung zu der seit Jahren auf der Webseite angebotenen Inseratenplattform, auf der sich Betroffene oder Helfer:innen suchen und finden können.
Das Assistenzbüro arbeitet auch mit Behörden zusammen und hat Mandate von verschiedenen Kantonen, zum Beispiel bei der Beratung oder der Bedarfsabklärung für das Assistenzbudget. Diese Aufgabe ist wichtig, weil die politischen Entscheidungsträger:innen in der Regel nicht in diesem Bereich tätig sind und von der Erfahrung des Assistenzbüros in der praktischen Umsetzung profitieren können.
Insgesamt handelt es sich um ein seit zehn Jahren existierendes Lebensmodell, das stetig wächst und bekannter wird. Obwohl schon viel passiert sei, stecke vieles noch in den Kinderschuhen, so Simone Braun. Die Dienstleistungen des Assistenzbüros sollen entsprechend weiter ausgebaut werden. Ziel des Assistenzbüros ist es, weiterhin die Fachstelle und Know-how-Träger zum Thema Leben mit Assistenz zu bleiben. Synergien zu nutzen und ein Netzwerk der verschiedenen Möglichkeiten online sichtbar zu machen, sieht das Assistenzbüro als sinnvolle Ergänzung und als Statement, um die verschiedenen Organisationen in diesem komplexen Bereich zu motivieren, vermehrt Synergien zu nutzen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Weitere Informationen unter www.assistenzbuero.ch
Schreibe einen Kommentar