Die Einstellung zur Gesundheit ändert sich bei vielen Menschen mit dem Alter – aus einer Selbstverständlichkeit wird eine Kostbarkeit, die es zu pflegen gilt.
Es lässt sich nicht mehr wegdiskutieren – über die Hälfte meines Lebens habe ich bereits hinter mir. Gewisse biologische Entwicklungen nehme ich gelassen, Fältchen im Gesicht und am Hals etwa. Dass ich den Sprint aufs Tram in letzter Zeit des Öfteren verliere, stresst mich schon mehr. Was bedeutet Gesundheit? Wie hat sich die Bedeutung im Laufe der Jahre gewandelt? Ein Blick zurück…
Die ersten zehn Jahre
Gesundheit war kein Thema – jedenfalls nicht für mich als Kind. Meine Gesundheit war Sache meiner Eltern. Ich war mit Hinfallen und Runterpurzeln beschäftigt, die Aufgabe meiner Eltern war, mich zu trösten und falls nötig zu verpflastern, mich beim Kinderarzt regelmässig vermessen und impfen zu lassen, die ausgefallenen Milchzähne zu sammeln und sich um mich zu sorgen, wenn ich mit meinen Freundinnen von der Schaukel aus eine Art fliegender Weitsprung praktizierte. Zudem war alles, was offenbar gesund war, meistens grün oder ungesüsst und vermochte mich nicht richtig zu begeistern.
Die Teenagerjahre
Die hormonellen Veränderungen rückten erstmals mein Körperbewusstsein in den Vordergrund: Pickel im Gesicht, Menstruationsschmerzen, Stimmungsschwankungen, Wachstumsbeschwerden und Verhütungsfragen, die ich lieber mit einer Ärztin als mit meinen Eltern besprechen wollte, führten mich an ein individuelles und eigenes Körper- und Gesundheitsbewusstsein heran. Die Eltern waren nur noch gefragt bei grösseren Vorfällen und Problemen: Etwa nach einem Fahrradunfall, der auf der Notfallstation des Unispitals endete oder nach dem plötzlichen Auftreten einer Sonnenallergie.
Der Aufbruch ins Erwachsenenleben
Ich erinnere mich gut an die Veränderungen nach dem 18. Geburtstag: Die erste Steuerrechnung flatterte ins Haus und die Krankenkassenrechnungen waren nun an mich persönlich adressiert. Beides eher unangenehme Begleiterscheinungen der neuen Freiheiten. Die Prämien erschienen mir damals unangebracht hoch: Schliesslich war ich kaum je krank und die Krankenkassenrechnungen rissen in der Ausbildungszeit tiefe Löcher ins bescheidene Budget. Gesundheit war in den Jahren bis dreissig eine Selbstverständlichkeit. Ich kann mich auch kaum erinnern, dass sich in den Achtzigerjahren jemand in meinem Freundeskreis intensiv mit Fragen von gesunder Ernährung oder Alternativmedizin beschäftigte, wie dies heute oft schon bei Zwanzigjährigen der Fall ist.
Die Jahre der Familiengründung
Die ersten Freundinnen bekamen Kinder – und die Horrorstorys von stundenlangen Wehen und Notfalleinleitungen machten die Runde. Plötzlich waren Krankenversicherungsmodelle beliebte Gesprächsthemen, gefolgt von Geschichten über Kinderkrankheiten, Stürze von der Schaukel und Ähnlichem. Ich war noch nicht so weit in meiner Lebensplanung, aber auch ich überprüfte meine Krankenversicherung, «Hauptsache billig» war nun nicht mehr das Mass aller Dinge. Als die eigenen Kinder kamen, begann ich Bücher zu lesen über die frühkindliche Entwicklung und machte mir wegen der kleinsten Abweichungen zu Anfang grosse Sorgen. Gesundheit ist aber auch Erfahrungsaustausch, nicht nur das Gespräch bei der Kinderärztin, auch die Erzählungen anderer Eltern haben das Ganze dann wieder eingemittet.
Die verflixten fünfzig
Als berufstätige Mutter hatte ich wenig Zeit, mich ausführlich mit Gesundheitsfragen auseinanderzusetzen. Sorgen machte ich mir vor allem um die Gesundheit der Kinder. Doch dann rückte der fünfzigste Geburtstag näher. Und die Kinder wurden grösser und suchten die Ablösung. Im Englischen gibt es den Begriff «over the hill», und ich spürte anhand körperlicher Veränderungen, dass es tatsächlich irgendwie abwärts geht. Nichts Dramatisches, aber eben: Der Sprint an die Tramhaltestelle ist immer öfter vergeblich…
Zu dieser Erfahrung kommt die Sorge um die Gesundheit der Eltern. Ist man erst mal 80 oder 90, zeigt sich oft deutlich, wie man mit 50 gelebt hat. Die Jahre ab 50 sind Jahre der Vorsorge, auch wer mit 20 gelebt hat, als gäbe es kein Morgen, kann noch viel auf das persönliche Lebenskonto einzahlen. In diesem Sinne: «Bliibed Si gsund!»
Text Daniela Lager, Puls Moderatorin
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