Es steht nicht gut um die mentale Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer. Gerade junge Menschen leiden stark unter psychischen Problemen. Woran liegt das – und welche Lösungen bestehen?
Es ist ein düsteres Bild, welches das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) in seinem Bericht «Psychische Gesundheit – Herbst 2022» zeichnet. Im Rahmen der repräsentativen Onlinebefragung wurden 5502 Personen auf Deutsch, Französisch oder Italienisch zu ihrer psychischen Gesundheit befragt. Es zeigt sich, dass psychische Probleme in der Schweiz häufig auftreten – in den vergangen zwölf Monaten litten 35 Prozent der Befragten darunter. In den Wochen vor der Befragung wurden Symptome einer Essstörung (13 Prozent), mittelschwere bis schwere Symptome einer Depression oder Angststörung (12 bzw. 9 Prozent) sowie Symptome einer sozialen Phobie (10 Prozent) vergleichsweise häufig erlebt.
Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass sich die psychische Gesundheit gemäss Obsan im Vergleich zur Situation vor der Pandemie eher verschlechtert hat. Die Befragung kommt zum Schluss, dass mittelschwere bis schwere Depressionssymptome häufiger als 2017 sowie tendenziell häufiger als 2020 und 2021 auftreten. Besonders stark angestiegen sind die Einsamkeitsgefühle, vor allem bei jüngeren Personen, sprich 15- bis 24-jährigen Männern und Frauen. Je höher das Alter der Personen, umso besser die psychische Gesundheit, darauf weisen die Ergebnisse insgesamt hin.
Ein weitreichendes Problem
Die Schweiz ist nicht das einzige Land, welches in der Post-Corona-Ära mit dieser schwierigen Situation konfrontiert ist: Auch beim nördlichen Nachbarn Deutschland tun sich vor allem die jungen Menschen schwer. Laut eines Berichts von Unicef war der mentale Gesundheitszustand von deutschen Jugendlichen schon vor der Covid-19-Pandemie alarmierend. Damals wiesen fast 18 Prozent der Kinder und Jugendlichen psychische Auffälligkeiten auf. Etwa 15 Prozent von ihnen litten unter Angstsymptomen, während 10 Prozent depressive Symptome zeigten. Ein Jahr nach Beginn der Pandemie hatte sich die Situation weiter verschlechtert. Fast jedes dritte Kind litt unter psychischen Auffälligkeiten.
Es zeigt sich, dass psychische Probleme in der Schweiz häufig auftreten – in den vergangen zwölf Monaten litten 35 Prozent der Befragten darunter.
Obschon vor allem junge Leute mentale Probleme aufweisen, stehen erwerbstätige Erwachsene in der Schweiz generell unter einem hohen Druck. Dies zeigt etwa der «Job-Stressindex 2022» von Gesundheitsförderung Schweiz: Demnach befindet sich der Job-Stressindex bei fast einem Drittel der Erwerbstätigen im kritischen Bereich. Das bedeutet, dass die Betroffenen deutlich mehr Belastungen erleben, als ihnen Ressourcen zur Verfügung stehen. Der Anteil dieser hochgradig gestressten Personen ist im Vergleich zu 2020 zwar leicht gesunken, jedoch nicht signifikant. Der Anteil der Erwerbstätigen, die sich emotional erschöpft fühlen, überstieg zudem im Jahr 2022 erstmals seit 2014 die 30-Prozent-Marke. Nebst dem persönlichen Leid, das durch arbeitsbezogenen Stress ausgelöst wird, sind auch die wirtschaftlichen Konsequenzen immens: Gemäss Gesundheitsförderung Schweiz kostet arbeitsbezogener Stress die Wirtschaft rund 6,5 Milliarden Franken pro Jahr.
Lange Wartezeiten
Wie man den grassierenden psychischen Belastungen beikommen kann, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Fachleute verschiedener Disziplinen betonen aber, dass die Nutzung von Beratungs- und Hilfsangeboten sinnvoll sei. Allerdings ist dies in der Praxis nicht immer einfach, da zum Beispiel die Wartelisten von Therapeutinnen und Therapeuten lang sind. Umso wichtiger ist es, dass gerade die Ansprechpersonen von jungen Menschen, von den Eltern über die Lehrer:innen bis hin zu Betreuerinnen und Betreuern bei auffälligem Verhalten das Gespräch suchen und Hilfe vermitteln und koordinieren.
Um Stress am Arbeitsplatz vorzubeugen und damit Burn-outs zu verhindern, sind sowohl die Arbeitgebenden als auch die Arbeitnehmenden gefragt. Fachstellen empfehlen Angestellten unter anderem, im Job bewusst Grenzen zu setzen. So solle man versuchen, ausserhalb der Arbeitszeiten nicht erreichbar zu sein. Das Einplanen regelmässiger Pausen ist ebenso essenziell wie eine Freizeitgestaltung, die Entspannung und Regeneration erlaubt. Steigt der Stress zu stark an, sollte dringen Unterstützung gesucht werden: Wer sich überlastet fühlt, kann etwa mit Kolleginnen und Kollegen, Freunden oder Vorgesetzten über diese Herausforderungen sprechen und Bedenken äussern. Oft können andere Perspektiven und Ratschläge dabei helfen, die Belastung zu verringern.
Natürlich können diese Massnahmen nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn die Seite der Arbeitgebenden eine positive Arbeitskultur schafft, die Raum gibt und das Ausformulieren von Schwierigkeiten erlaubt. Dafür ist eine offene Kommunikationskultur essenziell. Auch regelmässiges Feedback und Anerkennung für gute Arbeit sind wichtige Elemente, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu stärken und Burn-outs vorzubeugen. Gleichzeitig sollten Vorgesetzte die Work-Life-Balance ihrer Teammitglieder unterstützen, indem sie flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Arbeitszeit an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen.
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