Kinder rennen in der Schule
Familie Krankheit Gesundheit

Kinder und Jugendliche stärken

04.02.2022
von SMA

Was brauchen Kinder und Jugendliche, um sich psychisch gesund entwickeln zu können? Und wo findet man Hilfe, wenn Schwierigkeiten auftauchen? Ein Gespräch mit der Zürcher Beauftragten für Prävention und Gesundheitsförderung, Sibylle Brunner. 

Frau Sibylle Brunner: Was macht Kinder psychisch stark?

Die psychische Gesundheit lässt sich das ganze Leben lang stärken. Aber ganz wichtige Grundlagen werden in den ersten Lebensjahren gelegt. Eine starke und vertrauensvolle Bindung zwischen einem Säugling oder Kleinkind und seinen engsten Bezugspersonen schafft das Urvertrauen, das uns später hilft, auch schwierige Situationen zu meistern. 

Wie geht das konkret? Wie entsteht eine enge Bindung zum Säugling? 

Indem die Bedürfnisse des Säuglings aufmerksam wahrgenommen und zeitnah darauf reagiert wird. Bezugspersonen sollen dem Kind Zuwendung schenken und häufig mit ihm im Blickkontakt sein. Das gibt – neben der körperlichen Nähe – Geborgenheit und sie fühlen sich wahrgenommen. Für viele Eltern ist die ständige Ablenkung durchs Handy eine Herausforderung. Ist das Kind wach, lohnt es sich, die Geräte zwischendurch auszuschalten, um ihm ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das fördert auch die spätere Sprachentwicklung. Wir entwickeln uns im Dialog mit anderen Menschen. Was gibt es Schöneres, als im Zwiegespräch mit Kindern zu sein?

«Auf Bedürfnisse zeitnah reagieren»: Werden Kinder dadurch nicht verwöhnt und unselbstständig? 

Ich spreche hier von ganz grundlegenden Bedürfnissen im Säuglingsalter: Nahrung, körperliches Wohlbefinden, emotionale Zuwendung oder Geborgenheit. Genauso wichtig ist, dass bereits Säuglinge aus eigenem Antrieb Erfahrungen machen können. Sich zum Beispiel von der Rückenlage auf den Bauch drehen, sich krabbelnd von A nach B bewegen oder sich das Essen selbst in den Mund zu schieben: Jedes neue Erfolgserlebnis stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dabei machen Kinder die elementare Erfahrung, dass es meist viele Anläufe braucht, bis etwas klappt. Das stärkt die Selbstwirksamkeit und macht sie tolerant gegenüber Frustrationen. Beides ist zentral für unser psychisches Wohlbefinden. 

Säuglinge, die bereits mobil sind und Kleinkinder sollten sich möglichst viel frei bewegen können. Sie wollen Dinge selbst entdecken und erforschen. Dabei sollte man darauf achten, dass sie in ihrer Umgebung viel Anregung finden. Das benötigt keine teuren Spielsachen: Die Natur bietet unendlich viele Abenteuer und Lerngelegenheiten für unsere Kleinen. Drinnen finden sich unter Küchenutensilien tollste Spiel- und Musikgegenstände. 

Man liest immer wieder, Spielen sei wichtig für Kinder – warum ist das so? 

Wichtig ist zunächst: Damit ist nicht das Gamen am Bildschirm, ein Brettspiel oder Sport gemeint, sondern das so genannte freie Spiel. Also wenn Kinder mit Puppen «Familie» spielen oder in die Rolle von Superhelden schlüpfen und eine Verfolgungsjagd inszenieren. Das freie Spiel ermöglicht viele wertvolle Erfahrungen. Kinder können neue Rollen ausprobieren, sich fantasievoll an Ängste und Herausforderungen herantasten und kreative Bewältigungsstrategien finden. Das freie Spiel mit anderen Kindern ist auch ein Lernfeld für soziale Beziehungen. Damit sich freies Spiel entwickeln kann, brauchen Kinder unverplante Zeit sowie eine sichere Umgebung, die es erlaubt, dass sie auch einmal ohne Erwachsene nach draussen gehen können. 

Welche Rolle spielen Musikunterricht, Sportstunden und Computerkurse in der Freizeit bei der Entwicklung? 

Die diversen Angebote wie musikalische Früherziehung, Instrumental- oder Sportunterricht sind ein wichtiger Baustein in der Förderung der körperlichen und psychischen Gesundheit. Die Kursauswahl sollte dabei interessengeleitet sein und den Kindern Freude bereiten. Wichtig ist, die Kinder dabei nicht zu überfordern und darauf zu achten, dass sie genug Freiräume haben. Es gilt, einen guten Mix zu finden, der für das einzelne Kind passt. 

Und wie steht es mit den digitalen Medien? Beeinflussen diese die psychische Gesundheit negativ? 

Auch das ist eine Frage des Masses: Gamen kann entspannen oder auch einen anregenden Austausch mit Freunden ermöglichen – aber es hat auch Suchtpotenzial. Ähnliches gilt für die sozialen Medien: Sie ermöglichen den Kontakt mit Gleichaltrigen, der für Jugendliche immens wichtig ist. Aber sie bergen auch Gefahren. So weiss man etwa, dass der ständige Vergleich mit anderen sowie der Druck, sich immer von der besten Seite zu zeigen, zu einer Selbstabwertung führen können. Auch die Angst, etwas zu verpassen, wenn man mal nicht online ist, führt im Leben von Jugendlichen zu enormem Stress. Es macht es für sie schwieriger, sich länger auf etwas konzentrieren zu können. 

Sollte man also den Teenagern die Handyzeit beschränken? 

Sie müssen den Umgang damit lernen – ein Verbot wäre darum sicher nicht der richtige Weg. Was aber hilft, sind gerätefreie Zeiten. Aus präventiver Sicht ist es zu begrüssen, wenn zum Beispiel Oberstufenschulhäuser die Nutzung des Smartphones während der Schulzeit untersagen. Wann, wozu und wie lange die Geräte genutzt werden können, das gilt es, mit Teenagern immer wieder auszuhandeln. Das ist oft für alle Beteiligten anstrengend und birgt Konfliktpotenzial. Aber es kommt den Kindern zugute, wenn Eltern auch in dieser Hinsicht Orientierung bieten. 

Was ist zu tun, wenn es oft Knatsch mit den Kindern gibt?

Es hilft, wenn Eltern immer wieder bewusst den Fokus auf das Positive in den Beziehungen zu den Kindern richten.
Dies gilt unabhängig vom Alter des Kindes: Was ist heute rund gelaufen? Was macht mein Kind gut? Was schätze ich an meinem Kind besonders? Wann haben wir heute zusammen gelacht? Das Positive nicht selbstverständlich nehmen, sondern es sich bewusst vor Augen zu führen, es zu benennen und dafür dankbar zu sein. Das macht Eltern wie auch Kinder stark. Hilfreich ist auch, etwas zusammen zu erleben oder bei Gesprächen erstmal einfach nur aufmerksam zuzuhören, ohne gleich zu kommentieren. Beides schafft gemeinsamen Boden. 

Was macht Gesundheitsförderung Kanton Zürich, um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken? 

Im Rahmen von unseren kantonsweiten Programmen entwickeln und unterstützen wir zusammen mit Partnerorganisationen eine breite Palette von Angeboten. Viele setzen bereits im Frühkindbereich an – etwa Schulungen für Krippenpersonal oder Kurse für werdende Mütter. Aber auch im Schulbereich und in der Jugendarbeit finanzieren wir Projekte mit, die dazu beitragen, die Ressourcen von Kindern und Jugendlichen zu stärken. 

Und was tun Sie für die Kinder und Jugendlichen, die in eine Krise geraten? 

Wir selbst bieten keine Beratung und Behandlung an. Unsere Aufgabe besteht in dieser Hinsicht darin, uns für eine gute Versorgung einzusetzen und Unterstützungsangebote bekannt zu machen. Wir arbeiten daher eng mit den Fachleuten aus der Beratung und Behandlung zusammen. Entscheidend scheint mir, dass Eltern in Elternbildungsangeboten ihre Kompetenzen stärken, sich bereits während der Schwangerschaft auf die neue Rolle vorbereiten und sich frühzeitig Hilfe holen, wenn belastende Situationen länger andauern. Erziehen ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt – niemand kann einfach alles richtig machen. Rat und Unterstützung zu holen, ist also kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. 

Hilfreiche Adressen

www.gesundheitsfoerderung-zh.ch/infomaterial

Viele Broschüren für Familien zur Stärkung der Gesundheit

www.elternnotruf.ch

Vertrauliche Beratung rund um die Uhr für Eltern 

www.147.ch

Vertrauliche Beratung rund um die Uhr für Jugendliche 

www.zh.ch/elternbildung

Elternkurse im Kanton Zürich

Eine Antwort zu “Kinder und Jugendliche stärken”

  1. Lasst denn Kindern mehr Freiheit und zwingt sie nicht für Sinnlosen Sport. Es gibt auch noch andere Hobbys.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Globi wird 90!
Nächster Artikel Die Vision der Schule der Zukunft