Das Gehirn ist das zentrale Steuerungsorgan unseres Körpers für lebenswichtige Prozesse. Mit einer nicht invasiven, medikamentenfreien Behandlung soll die Gehirnaktivität beeinflusst werden. Dr. Martínez Zünd, promovierte Biologin, führt die sogenannte Neurofeedbacktherapie auch bei Kindern durch und berichtet im «Fokus» darüber.
Vor etwa 100 Jahren entdeckte man die elektrischen Aktivitäten des menschlichen Gehirns und hielt diese auf Papier als Elektroenzephalografie (EEG) fest. Diese Entdeckung legte den Grundstein für die weitere Erforschung des Neurofeedbacks. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde durch verschiedene Experimente und Arbeiten die Wirkung der Neurofeedbacktherapie belegt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Stress, Anspannung, Schmerzen usw. unsere Hirnströme beeinflussen. Dadurch werden im Körper Chemikalien freigesetzt, die das neurochemische Gleichgewicht aus dem Lot bringen und Unwohlsein verursachen. Die Neurofeedbacktherapie bietet eine innovative Methode zur Verbesserung der Hirnfunktion und fördert die Selbstregulation der Hirnaktivität. Die Therapie eignet sich für Kinder, wie auch für Erwachsene. «Mein jüngster Klient ist sechs Jahre alt. Die älteren Klient:innen sind im Pensionsalter», erzählt Dr. Martínez Zünd. «Meist erst, wenn ein Kind ins Schulalter kommt, fällt auf, in welchen Bereichen es Schwierigkeiten hat.»
Was ist die Neurofeedbacktherapie?
Es ist eine computergestützte Verhaltenstherapie, bei der die Gehirnaktivitäten in Echtzeit beobachtet werden können. Durch visuelle und akustische Rückmeldungen des eigenen Hirnstrommusters soll die Neurofeedbacktherapie dabei helfen, die Gehirnfunktionen zu regulieren. Die Therapie kann bei vielen unterschiedlichen Störungen angewendet werden. Dazu gehören zum Beispiel Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen, Prüfungsangst, AD(H)S, emotionale Instabilität, traumatische Erlebnisse, Stress, Einnässen und Schlafstörungen. Ein spezielles Anwendungsgebiet für diese Therapie ist auch die sogenannte «Peak Performance». In dieser geht es um ein gezieltes Mentaltraining, um Höchstleistungen im Sport oder Beruf zu erreichen.
Die meisten Klient:innen stossen durch Empfehlungen aus dem sozialen Umfeld oder durch Internetrecherche auf die Neurofeedbacktherapie. Es wird keine ärztliche Verschreibung benötigt. Die Kosten sind je nach Praxis und Sitzungsdauer unterschiedlich. Vereinzelte Krankenkassen übernehmen die Behandlungskosten über die Zusatztherapie, wenn der Therapeut oder die Therapeutin bei der ASCA oder EMR anerkannt ist. «Ich bin nebst meiner Tätigkeit als Therapeutin auch Mitglied des Expertenteams für Neurofeedback», klärt Dr. Martínez Zünd auf. «Dieses Team leitet ein Projekt namens Sageblue, welches Kinder aus finanziell benachteiligten Familien durch Fördergelder unterstützt.»
Die Trainingserfolge der Neurofeedbacktherapie sind hoch und nachhaltig, weil das Gehirn das gelernte Training nicht vergisst. – Dr. Martínez Zünd, promovierte Biologin
Ablauf einer Therapiesitzung
Die Therapie wird durch ein ausführliches Gespräch individuell an die Bedürfnisse und Schwierigkeiten der Person angepasst. «Die Behandlung beginnt in der Regel mit einer Untersuchung, bei der die Gehirnaktivität der Patienten mittels EEG aufgezeichnet wird. Dies hilft, Bereiche des Gehirns zu identifizieren, die möglicherweise suboptimal funktionieren», erklärt Dr. Martínez Zünd. Die Unterscheidung zwischen normalen und gestörten Hirnfunktionen ist heute mithilfe einer quantitativen Analyse des EEGs (QEEG) und wissenschaftlich aufgebauter Datenbanken viel genauer möglich.
Während der Neurofeedback-Sitzung werden Sensoren auf der Kopfhaut angebracht, um die Gehirnaktivität zu messen und die verstärkten Signale an einen Computer zu übertragen. Dort werden sie grafisch oder akustisch als sogenanntes «Feedback» dargestellt. Die Person schaut einen Film oder hört Musik, die nur dann weiterlaufen, wenn die gewünschten Gehirnfrequenzen erreicht werden. Durch dieses Feedback wird das Gehirn stimuliert und neu organisiert.
Eine reguläre Sitzung dauert in der Regel 30 bis 60 Minuten, abhängig davon, wie das Kind mitmachen mag. Die Anzahl der Sitzungen ist sehr individuell und abhängig vom Grundleiden. Zu Beginn wird meist einmal wöchentlich trainiert, danach können die Therapiesitzungen auch alle 14 Tage oder monatlich durchgeführt werden. Veränderungen stellen sich in der Regel nach zehn Sitzungen ein und für einen bleibenden Erfolg sind in der Regel 30 bis 40 Sitzungen nötig. Dies alles muss jedoch sehr individuell betrachtet werden und kann nicht auf alle Fälle verallgemeinert werden.
Vorteile und Erfolgschancen
Dadurch, dass es eine nicht invasive Methode ist und diese nicht auf Medikamenten basiert, wird sie besonders von Personen bevorzugt, die auf andere Behandlungsformen verzichten möchten. Darüber hinaus ist die Neurofeedbacktherapie sehr vielseitig, da sie für eine Vielzahl von leistungssteigernden Zielen eingesetzt werden kann. «Die Trainingserfolge der Neurofeedbacktherapie sind hoch und nachhaltig, weil das Gehirn das gelernte Training nicht vergisst», betont Dr. Martínez Zünd. Nebenwirkungen seien gemäss ihrer Erfahrung keine bekannt. Aufgrund der Plastizität des Gehirns kann sogar beobachtet werden, dass andere Symptome zu bessern beginnen.
Die Neurofeedback-Therapie bietet eine sanfte und effektive Möglichkeit, das Wohlbefinden des Kindes zu verbessern. Durch gezielte Unterstützung der Hirnaktivität können Verhaltens- und Lernprobleme positiv beeinflusst werden. Die Methode nutzt die natürliche Fähigkeit des kindlichen Gehirns, sich anzupassen und langfristig gesündere Muster zu entwickeln. Für Eltern, die nach einer nicht invasiven und medikamentenfreien Behandlungsmöglichkeit suchen, stellt Neurofeedback eine sichere und wertvolle Alternative dar, die einem Kind helfen kann, sein volles Potenzial zu entfalten.
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