Interview von Rüdiger Schmidt-Sodingen

René Rast: »Das Einschätzen von Situationen im Sekundentakt ist meine eigentliche Arbeit«

24 Siege und 20 Pole-Positions in der DTM, dreifacher DTM-Champion der Jahre 2017, 2019 und 2020. René Rast, 1986 in Minden geboren, hat als Porsche-Pilot und Audi-Werkfahrer nicht nur diverse Meistertitel geholt, sondern den Rennsport auch einer neuen Generation nahegebracht. Ein Gespräch über anhaltende Triumphe, aktuelle Herausforderungen und warum sein Name nur auf der Rennstrecke Programm ist. 

24 Siege und 20 Pole-Positions in der DTM, dreifacher DTM-Champion der Jahre 2017, 2019 und 2020. René Rast, 1986 in Minden geboren, hat als Porsche-Pilot und Audi-Werkfahrer nicht nur diverse Meistertitel geholt, sondern den Rennsport auch einer neuen Generation nahegebracht. Ein Gespräch über anhaltende Triumphe, aktuelle Herausforderungen und warum sein Name nur auf der Rennstrecke Programm ist. 

Herr René Rast, nach zwölf Jahren verlassen Sie Ende des Jahres Audi, die sich infolge der Umstellung auf E-Autos neu sortieren wollen oder müssen. Wie schauen Sie auf Ihre immens erfolgreichen Jahre?

Es war eine sehr, sehr erfolgreiche Zeit. Besonders die DTM-Zeit war toll. Ich konnte drei Titel holen und stand auch sonst immer mit auf dem Podest. Dazu kommen die Siege auf dem Nürburgring oder in Spa. Das vergisst man natürlich nicht. Insgesamt war das einfach eine sehr erfolgreiche Zeit, die sehr viel Spaß gemacht hat. Und diese Zeit bei Audi hat mich zweifellos zu der Person gemacht, die ich heute bin. 

Waren die letzten DTM-Runden im Audi in Hockenheim schwer für Sie?

Nein, schwer nicht. Das ganze Wochenende war, sagen wir, emotional. Du weißt, du steigst jetzt das letzte Mal ins Auto ein. Du ziehst das letzte Mal den Helm auf. Du startest das letzte Mal dieses Auto. Aber als ich dann die letzte Runde nahm, war da ein Gefühl der Dankbarkeit. Die Audi-Zeit war eine tolle Zeit. Und dieses Gefühl dominierte am Ende auf dem Hockenheimring klar. Also ging ich am Ende des Tages nicht schweren, sondern eher leichten Herzens. Die Dankbarkeit stand ganz klar im Vordergrund. 

Seit Beginn Ihrer Karriere waren Sie sehr flexibel und in verschiedenen Rennserien aktiv. Für welche Serie schlug oder schlägt Ihr Herz besonders?

Die DTM-Serie hat mir immer am meisten bedeutet, ganz klar. Eigentlich habe ich ja meine ganze Karriere bei der DTM verbracht, auch schon vor meinen großen Erfolgen. Ich bin in der DTM im Vorprogramm bei BMW gefahren. Ich bin in den Nachwuchsklassen gefahren. Ich war also schon als ganz junger Fahrer dabei. Und dann durfte ich bei der DTM dreimal Champion werden. Das alles vergisst man nicht. Und das bedeutet mir noch immer sehr viel.

Nächstes Jahr geht es für McLaren in der Formel E weiter. Wie bewerten Sie Ihre bisherigen Jahre in der Formel E?

2021 bin ich mit Audi in die Formel E gekommen, und das war natürlich nochmal ein ganz neues Umfeld für mich. Ein neues Auto, neue Strecken, neue Teams. Das alles war komplettes Neuland für mich. Die Erfolge waren eher klein, also durchwachsen. Gleich Meister zu werden, war zwar nicht mein Anspruch. Aber ich hatte mir schon etwas mehr vorgestellt. Wenn ich jetzt in die Formel E zurückkehre, dann auch deswegen, weil ich mit der Formel E noch eine Rechnung offenhabe. (lacht)  

Sie wollen aber auch in der DTM bleiben, für BMW?

Das steht noch nicht ganz fest. Zuerst einmal müssen die Kalender beider Serien so zusammenpassen, dass ich sowohl in der Formel E als auch bei der DTM fahren kann. Wenn beide beispielsweise am gleichen Wochenende einen Termin haben, kann ich natürlich nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Ich hoffe, dass es terminlich klappt. Aber noch sind nicht alle Termine veröffentlicht. 

Als dreifacher DTM-Champion haben Sie auch eine neue Generation für den Autorennsport begeistert. Glauben Sie, dass sich das Publikum oder die Fans verändert haben?

Das ist schwer zu sagen. Bei der DTM gibt es sicher Fans, die schon seit 20 Jahren und länger dabei sind. Aber es gibt auch eine neue junge Generation, die über Social Media kommuniziert und die einzelnen Rennen ganz anders kommentiert und feiert. Es gibt viele junge Fans und auch Kraftfahrer:innen, die ihre Helden ausgiebig feiern. Das ist toll und treibt einen an. Insgesamt ist das Publikum sehr gemischt und das finde ich wunderbar so. 

Corona hat auch dem Rennsport erheblich zugesetzt. Wie haben Sie sich da motiviert? Haben Sie aus der Krise etwas für sich und Ihre Arbeit im Sport mitgenommen?

Nein, ich habe aus der Krise eigentlich nichts Besonderes mitgenommen. Es war eine traurige Zeit, wenn man ganz ohne Publikum über die Rennstrecken gefahren ist. Das Publikum hat schon sehr gefehlt. Die leeren Tribünen, keine Fans… es war einfach nicht dasselbe. Wenn ich in der Zeit etwas gelernt habe, dann vor allem, wie wichtig die Fans sind. Es ist jetzt nicht ganz so wie beim Fußball im Stadion, denn wir Fahrer hören die Fans natürlich nicht. Wie sehen die Fans – und das hat, wenn man da im Auto sitzt, doch eine ganz erhebliche Bedeutung. Es treibt einen an, wenn man weiß, dass die Leute mitfiebern oder einen anfeuern.  

Das Umschwenken auf E-Autos macht auch auf jeden Fall Sinn.

Es gibt ja das Gerücht, dass im normalen Straßenverkehr niemand vorsichtiger fährt als ein Rennprofi. Ist da was dran?

Ich glaube eigentlich nicht, dass ich viel vorsichtiger fahre als andere. Was sicher ein wichtiger Punkt ist: Ich kann den Verkehr besser einschätzen. Das Einschätzen von Situationen im Sekundentakt ist ja unsere eigentliche Arbeit im Cockpit. Sicher fahre ich deswegen auf der Autobahn überlegener und umsichtiger als andere Fahrer:innen. Denn ich sehe schneller, was wo passiert. Dass ich vorsichtig fahre, ist aber sicher richtig. Ich fahre jetzt nicht extrem schnell. Das brauche ich nicht, denn den Kick hole ich mir ja schon auf der Rennstrecke. (lacht)

Gibt es bei Ihnen privat auch eine »Verkehrswende«? Wie hat sich Ihr Mobilitätsverhalten in den letzten Jahren verändert?

Speziell dort, wo ich wohne – in Österreich – merken Sie schon etwas von der Verkehrswende. Allein schon wegen der neuen Vorschriften und Gesetze. Das Umschwenken auf E-Autos macht auch auf jeden Fall Sinn. Wobei ich es bei langen Strecken noch schwierig finde. Man müsste E-Mobilität auf langen Strecken ganz anders planen. In der Großstadt machen E-Autos aber sicherlich Sinn. Im Langstreckenbereich sind E-Autos aber noch ein Problem. Wobei man das mit der Zeit sicher lösen wird – auch dank besserer Leistungen, Batterien und Infrastrukturen.   

Last but not least: Was erwarten Sie sich vom WEC-Saisonfinale am 12.11. in Bahrain, wo Sie mit Ihren Teamkollegen Robin Frijns und Sean Gelael antreten?

Ein Sieg ist das ultimative Ziel. Meine zwei Teamkollegen können auch tatsächlich noch die Meisterschaft holen. Ich leider nicht mehr, weil ich zwischendurch einen Termin verpasst habe. 

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02.11.2022
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