schweizer tourismus. reisen in den bergen
iStockphoto/cdbrphotography
Nachhaltigkeit Schweiz Reisen

Der Schweizer Tourismus im Wandel

18.03.2023
von SMA

Die Bilder von Kunstschneebändern in einer gar nicht winterlich anmutenden Umgebung haben es diese Saison deutlich vor Augen geführt: Die Auswirkungen des Klimawandels machen auch vor dem Schweizer Tourismus nicht Halt. Die alpinen Wintersportregionen sind unterschiedlich stark von der Klimaänderung betroffen, doch die Schneesicherheit wird mittel- bis langfristig abnehmen, eine Diversifizierung für Skidestinationen in mittleren und tieferen Lagen scheint unumgänglich.

Nicoló Paganini

Nicolò Paganini
Präsident Schweizer Tourismus-Verband

Die wichtigsten Verkaufsargumente der Schweiz bleiben jedoch die gleichen: wunderschöne Landschaften und reichhaltige Naturerlebnisse, welche sowohl zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer sowie Gäste aus der ganzen Welt anlocken und verzaubern. Es gilt diese Vorzüge der Schweiz teilweise neu zu positionieren und in Wert zu setzen. Es ist klar absehbar, dass die Schweiz dank ihrer alpinen Lage von steigenden Durchschnittstemperaturen auch profitieren können wird. Am Mittelmeer wird es künftig vielleicht zu heiss sein für Sommerferien, in unseren Bergen und an unseren Seen aber nicht. Viele Destinationen werden ihr Angebot deshalb anpassen und tun dies auch bereits. Die Wintersaison wird aber weiterhin zentral bleiben für die Schweiz. Sich nur auf den Winter und die Umsätze aus dem Schneesport zu verlassen, wird für viele Destinationen jedoch keine passende Strategie mehr sein.

Kommende Veränderungen

Die Gäste werden in Zukunft ein breiteres Freizeitangebot über das ganze Jahr verteilt vorfinden. Wandern hat auch im Winter seinen Reiz und ein Skifahrer oder eine Snowboarderin wollen ebenso unterhalten werden, sollten ihre Ski- und Snowboardferien in eine schneearme Woche fallen. Die Angebote werden einen noch stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben, in dem die lokalen Wertschöpfungsketten gestärkt werden. Davon werden alle profitieren. Die Destinationen und Betriebe können über das ganze Jahr verteilt höhere Frequenzen erreichen. Die regelmässigere Verteilung der Gäste vermeidet eine zu starke Konzentration von Touristen zu einem bestimmten Zeitpunkt und entlastet somit die lokale Bevölkerung. Diese profitiert auch von attraktiveren Arbeitsbedingungen in unserem Sektor, was wiederum den Fachkräftemangel abschwächt und die Gastfreundlichkeit erhöht. Für unsere Gäste bedeutet die Erweiterung an Angeboten eine abwechslungsreichere Feriengestaltung, auch in den heute noch weniger beliebten Saisons Frühling und Herbst. Der Klimawandel wird mittel- bis langfristig die grössten Veränderungen im Tourismus in der Schweiz bewirken, doch der Tourismussektor befindet sich auch unabhängig der Klimakrise im Wandel. Eine Vielzahl von Herausforderungen wie die Digitalisierung, steigende Kosten, der starke Franken, der Fachkräftemangel, die unsichere geopolitische Lage und nicht zuletzt die noch nicht ganz ausgestandene Pandemie zwingen den Sektor zu Anpassungen am touristischen Angebot und der Positionierung des Tourismuslandes Schweiz.

Transformation des Schweizer Tourismus

Dass diese Gemengelage mit multiplen Krisen und Herausforderungen nicht nur Risiken birgt, sondern durchaus auch grosse Chancen bietet, ist für den Sektor nicht nur eine abgedroschene Phrase, sondern die Maxime, wenn die Zukunft des Tourismus neu gedacht wird und neue Angebote und Geschäftsmodelle entwickelt werden. Nach zwei Jahren Pandemie zeichnet sich ab, dass sich Realitäten verschoben haben und es im Tourismus zu tiefgreifenden Veränderungen kommen wird. In vielerlei Hinsicht gibt es kein Zurück in alte Verhaltensmuster. Die Bedürfnisse haben sich bei Reisenden sowie Bereisten verändert. Es hat sich eine neue Reisekultur entwickelt. Reiseziele werden bewusster und achtsamer gewählt. Dies auch mit einem stärkeren Fokus auf Qualität, Sicherheit und die Umwelt. Die Schweiz bringt die Voraussetzung mit, um genau diese Bedürfnisse zu befriedigen, der Tourismus hat die Stellhebel also selbst in der Hand. Der Sektor zeigt dabei grosse Bereitschaft, einen neuen Weg einzuschlagen. «Swisstainable», das Nachhaltigkeitsprogramm des gesamten Schweizer Tourismussektors erfreut sich einem regen Zuwachs an teilnehmen Betrieben. Ziel von «Swisstainable» ist nichts weniger, als die Schweiz zum nachhaltigsten Reiseland der Welt zu machen. Damit wird die Wichtigkeit unterstrichen, welche dem Thema Nachhaltigkeit von allen Seiten beigemessen wird.

Der Tourismus ist ein zentraler Wirtschaftssektor in der Schweiz.

Um die Transformation des Tourismus erfolgreich zu gestalten, darf man sich jedoch nicht von Ideologien leiten lassen. Die Nachhaltigkeit muss immer ganzheitlich, das heisst in allen drei Dimensionen betrachtet werden: Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Nachhaltigkeit lässt sich nur verwirklichen, wenn dem Umweltschutz auch eine dynamische Wirtschaft in einem sozial passenden Umfeld an die Seite gestellt wird. Gewisse Kreise wünschen sich dabei, dass die Schweiz nur noch auf einheimische Gäste setzt. Den Menschen zu verbieten, zu reisen, wäre jedoch grundfalsch und alles andere als nachhaltig. Die Lust an der Mobilität, am Reisen und Entdecken liegt in der Natur des Menschen. Reisen bildet und sensibilisiert die Menschen dafür, ihre Umwelt zu schätzen und zu schonen. Das Reisen fördert auch den kulturellen Austausch zur Völkerverständigung und öffnet neue Horizonte. Nur mit einheimischen Gästen kann die touristische Infrastruktur nicht hinreichend ausgelastet werden und die Betriebe machen nicht genügend Umsatz, um ihre Mitarbeitenden zu bezahlen.

Ein bedeutender wirtschaftlicher und kultureller Sektor

Der Tourismus ist ein zentraler Wirtschaftssektor in der Schweiz. Oft wird seine Bedeutung jedoch unterschätzt, da er schweizweit in puncto Wertschöpfung mit der Pharmabranche oder dem Finanzsektor nicht mithalten kann. Vergessen geht dabei, dass der Tourismus regional eine viel grössere Bedeutung aufweist. In den Bergregionen wird jeder fünfte Franken im Tourismus verdient und jede vierte Arbeitsstelle stellt dieser Sektor. In einigen Talschaften wäre ein Leben ohne Tourismus nicht möglich, da ohne ihn zahlreiche vor- und nachgelagerte Branchen nicht existieren könnten. Der Tourismus dient auf diese Weise auch der Kohäsion in unserem Land.
In diesem Sinne ist der Tourismus nicht das Problem, sondern vielmehr ein entscheidender Teil der Lösung. Die Tourismusindustrie ist bereit, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, den Strukturwandel zuzulassen und auf nachhaltige Angebote zu setzen. Nur so können der Tourismus, die im Sektor tätigen Menschen und nicht zuletzt unsere Gäste ihren Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft leisten.

Text Nicolò Paganini, Präsident Schweizer Tourismus-Verband

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Vorheriger Artikel Sascha Ruefer: «Mittlerweile finde ich meine Ruheoasen auch in der Schweiz»
Nächster Artikel Die vielen Facetten Skandinaviens entdecken