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Solarenergie und Biodiversität für die Stadt!

19.09.2019
von SMA

Vor 80 Jahren hatte die Schweiz 4,2 Millionen Einwohner. Doch heute sind es doppelt so viele und jeder Einzelne beansprucht mehr als doppelt so viel gebauten Raum. Immer mehr Infrastruktur- und Verkehrsanlagen kommen dazu. Die Städte müssen zwingend nach innen verdichtet werden, um die verbleibenden Naturräume zu schützen. Zur Lösung gehören Solarenergie und Biodiversität-

Neben der Klimaerwärmung ist das Verschwinden der Insekten – heute gibt es 80 Prozent weniger Insekten als vor dreissig Jahren – ein ernst zu nehmendes Problem. Man muss Flora und Fauna bei der Gebäudeplanung thematisieren. Ausserdem muss man die Energieversorgung schnell von fossilen auf erneuerbare Quellen wie Solarenergie umpolen. Doch wie ist es möglich, einerseits die Siedlungsräume zu verdichten und andererseits eine gute Besonnung der Gebäude sicherzustellen sowie der Natur genügend Raum zu lassen?

Solarenergie

Die bisherige Aufgabe von Fassaden und Dächern ist der Schutz vor Kälte, Regen und Schnee, zunehmend auch vor Wärme. Heute genügt das nicht mehr, die Gebäudehülle wird zur Energieproduzentin der Zukunft. So wie die Blätter der Bäume über Photosynthese die Energie für das Wachstum produzieren, werden die Fassaden und Dächer das Sonnenlicht nutzen, um die nötige Energie, Solarenergie, für die Bewohner bereitzustellen. Nun liefert die Sonne in einer einzigen Stunde nämlich so viel Energie wie die ganze Menschheit in einem ganzen Jahr benötigt. Ein riesiger Gebäudepark steht zur Verfügung. Wenn nur die Hälfte der Dachflächen und nur ein Viertel der Fassadenflächen für die Gewinnung von Solarenergie sinnvoll nutzbar sind, ergibt das genügend Fläche, um alle Bauten als Plusenergiegebäude zu konzipieren.

Biodiversität

Die mittelalterliche Stadt war in Stein gebaut und klar begrenzt, zudem stand sie im Kontrast zur ungezähmten Natur. Später hat man die Städte erweitert, die grösseren erhielten sogar Pärke. Auch da war die Natur gebändigt. Die steinerne Stadt bildete den geplanten Kontrapunkt zum natürlichen Umland. Heute dominiert der gebaute Raum über die Natur, Städte und Ortschaften ufern aus. Das Konzept der steinernen Stadt hat ausgedient, wir müssen in den Städten Ersatz für die verlorenen Naturräume schaffen. So wie die Stadt in den Landschaftsraum reicht, soll auch die Natur zwischen den versiegelten Flächen zu ihrem Recht kommen.

Nun liefert die Sonne in einer einzigen Stunde nämlich so viel Energie wie die ganze Menschheit in einem ganzen Jahr benötigt.

Mehr Unordnung im Garten ist erwünscht. Stein- und Asthaufen bieten Unterschlupf für Igel, Blindschleichen und Eidechsen. Blühende Stauden, Beeren und Kräuter benötigen wenig Platz, bilden aber die Lebensgrundlage für Insekten und Vögel. Früher boten Gebäude ein Zuhause für viele Tierarten, Mehlschwalben nisteten in Scheunen. Heutige Gebäude sind gegenüber Kleinlebewesen jedoch feindlich entworfen. Glatte Oberflächen und mit Insektengittern versperrte Hohlräume in Fassaden und Dächer sind Standard. Neue Fragen tauchen in der Architektur auf: Welche Tierarten sollen an einem Standort gefördert werden, wie hat deren Wohnraum auszusehen und welche Folgen bringt dies für die Gestaltung der Fassaden?

Ein Beispiel in Zürich

Zwei Mehrfamilienhäuser mit 28 Wohnungen in Altstetten sind hoch energieeffizient und mit ökologischen Materialien gebaut, was durch das Minergie-P-Eco Label verbürgt ist. Im Vergleich zu früher hat sich die Wohnfläche verdoppelt. Die beiden Baukörper mit vier Wohnungen pro Geschoss fächern sich gegen Süden auf, um möglichst viel Tageslicht und passiv-solare Energie in die Wohnungen zu lassen. Die dreiseitig umlaufenden Balkone beschatten die Fenster im Sommer, lassen aber die tiefstehende Wintersonne die Wohnungen erwärmen.

Mit Rollos aus semitransparentem Gewebe auf der Aussenseite der Balkone sowie Rafflamellenstoren direkt an den Fenstern können die Bewohner unterschiedliche Lichtstimmungen in ihren Wohnungen erzeugen. Die gold-grün glitzernden Balkonbrüstungen aus polykristallinen Solarzellen produzieren elektrischen Strom, der rund die Hälfte des Stromverbrauchs abzudecken vermag. Der Dachaufbau für die Lüftungsanlage ist gegen Süden abgeschrägt. Somit bietet er eine ideale Exposition für die thermischen Sonnenkollektoren, die Wärme für Heizung und Warmwasser liefern. So nutzt man die Energie der Sonne auf mehrfache Weise.

Zusätzlich sind Nistmöglichkeiten für geschützte Tierarten eingebaut. An der Aussenseite der Brüstungen im Attikageschoss gibt es Einflugöffnungen zu Nistkästen für Mauersegler. Diese weisen einen schmalen Vorraum und einen wind- und regengeschützten Hauptraum auf. Die Rückwände der Nistkästen können zur periodischen Reinigung von der Dachterrasse aus demontiert werden.

Die Nistkästen in rund 7 m Höhe weisen eine freie An- und Abflugschneise auf, da die Jungvögel sich in die Tiefe fallen lassen, um ins Leben zu starten. Sie bleiben zwei Jahre in der Luft und kehren dann wieder an ihren Geburtsort zurück, um die eigenen Jungen aufzuziehen. In den Lüftungsaufbauten sind Nistkästen für den grossen Abendsegler, eine Fledermausart, eingebaut. Sie bestehen aus schmalen Hohlräumen in der Wandkonstruktion. Vielfältige Materialien und unterschiedliche Pflanzengesellschaften hat man für die Aussenräume definiert, die Tieren Lebensraum und Nahrung bieten. Dort wurden nicht nur extensiv wachsende Wiesen und Ruderalflächen angelegt, sondern auch Wildhecken, Kräuter und Beeren gepflanzt. Für die Kinder gibt es zusätzlich einen grossen Sandhaufen mit Steinquadern.

Fazit

Fassaden, Dächer und Freiflächen müssen in Zukunft vielfältige Anforderungen erfüllen. Die Gebäudevolumen sollen so positioniert und konzipiert sein, dass die Wohnungen im Winter ein Maximum an solarer Einstrahlung erhalten und im Sommer nicht überhitzen. Die geschlossenen Fassadenteile und Dächer dienen der solaren Energieproduktion und bieten wertvolle Nischen für Flora und Fauna. Und zudem soll alles schön aussehen!

Text Beat Kämpfen, Dipl. Architekt ETH/SIA, kämpfen für architektur ag

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