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Frauen im Ingenieurberuf

26.06.2020
von Flavia Ulrich

In Berufen der MINT-Felder – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – arbeiten noch immer weniger Frauen als Männer.  Simone Creux und Cornelia Malecki sind Ingenieurinnen und erzählen, wieso es weniger Frauen in diesen MINT-Berufen gibt,  wie man den Gender-Gap zukünftig schliessen kann und was es für sie bedeutet «Frau» zu sein.

Simone Creux

Simone Creux

Frau Simone Creux, Frauen in MINT-Berufen sind immer noch unterrepräsentiert. Was ist der Grund für diesen Gender-Gap?

Als Mitglied der Schweizerischen Vereinigung der Ingenieurinnen (SVIN) setzen wir uns aktiv damit auseinander. Wir bringen einiges an Erfahrungen und Erlebnissen mit und diskutieren immer wieder: «Wo sind die Ingenieur-Frauen?» Gründe für den Gender-Gap gibt es viele. Dazu gehört die Gesellschaft, in der MINT-Berufe noch als typisch männlich angesehen werden obwohl es selbstverständlich sein sollte, dass auch Mädchen in Mathematik glänzen. Bemerkungen und Reaktionen wie «Toll, dass du so gut bist in Mathematik» sind kontraproduktiv, denn das verunsichert die Mädchen. Warum ist das bei einem Mädchen toll und bei einem Knaben normal?

Weiterhin gibt es viel weniger Frauen in MINT-Ausbildungen als Männer. Mit unter 30 Prozent sind Frauen hier in der Minderheit, was dazu führt, dass junge Frauen vermehrt andere Studien- und Ausbildungsrichtungen einschlagen. Ausserdem treffen Frauen Entscheidungen bezüglich der Berufswahl oft basierend auf sozial vorgegebenen Normen. Diese können jedoch mit allen Berufen in Einklang gebracht werden und Frauen können zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, ob sie zukünftig eintreffen. In Unternehmen führen oft Hindernisse dazu, dass Ingenieurinnen und MINT-Frauen in ihrer Laufbahn nicht weiterkommen oder diese für eine andere Karriere verlassen. Stolpersteine sind jedoch nicht immer leicht ersichtlich. Oft sind sie so tief in der Unternehmenskultur verankert, dass sie als «natürlich» empfunden und nicht mehr wahrgenommen werden. Frauen in hohen Positionen, die Gleichberechtigung leben und gelebt haben, berichten aus Erfahrung, dass sich der Einstellungsprozess ändern muss, damit Unternehmen zu mehr Frauen kommen.

Gibt es Vorurteile gegenüber Frauen in Ihrem Beruf? Wenn ja, welche?

Das allgemeinste Vorurteil ist: «Eine Frau als Ingenieurin?!» Diese Reaktion erhielt ich von allen Seiten seit dem Moment, als ich mich zum Maschinenbaustudium entschloss. Das hat sich gelegt, was sicher mit meinem Alter zu tun hat. Ich bin immer noch in meinem Beruf tätig und habe mich also als «weiblicher Ingenieur» bewiesen.

Was bedeutet es für Sie, eine Frau zu sein?

Als Frau habe ich mich in meinem Berufsleben als Minderheit, Sonderheit, wiedergefunden. Ich habe nicht damit gerechnet, mich erklären und beweisen zu müssen, basierend auf der Tatsache, dass ich eine Frau bin. Denn ich bin von Gleichberechtigung ausgegangen – das war selbstverständlich für mich. Ich übe meinen Beruf immer noch aus, denn er entspricht mir nach wie vor. Also haben mich von all den anderen Dingen und Stolpersteinen nicht ablenken lassen. Aber es wäre eine schöne Abwechslung, nicht nur immer mit Männern zusammenzuarbeiten.

Cornelia Malecki

Cornelia Malecki

Frau Cornelia Malecki, wieso haben Sie sich für den Beruf als Ingenieurin entschieden?

Ich habe mich für diesen Beruf eher aus Zufall entschieden. Ich wusste, dass ich gerne studieren wollte und dass ich gerne in die Naturwissenschaft gehen möchte. Daher habe ich nach einem Studium gesucht, das alle Aspekte der Naturwissenschaften in etwa abdeckte. Da ich mich als Kind sehr für die Baustellen in der Umgebung interessierte und mich der fachliche Mix des Bauingenieurstudiums sehr ansprach, wurde dies für mich die erste Wahl.

Haben Sie im Berufsleben Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erfahren?

Der Sexismus kommt jedem immer wieder in die Quere, sei es von Männern oder von Frauen. Am Telefon wird man manchmal nicht ernst genommen, da man eine höhere Stimme hat und grundsätzlich allgemein erwartet wird, dass nur ein Mann kompetent antworten kann. Ich habe mich leider auch ertappt, wie ich meinte, die Ingenieurin am anderen Ende der Leitung wäre die Sekretärin gewesen. An diesem Beispiel sieht man, wie sehr das Bild des Ingenieurs als Mann in den Köpfen eingeprägt ist – selbst bei einer Ingenieurin.

Welche Massnahmen braucht es, damit sich mehr Frauen für einen MINT-Beruf entscheiden?

Ich wünschte, ich könnte einen Zauberstab schwingen und dann gibt es gleich viele Frauen und Männer in allen Berufen. Aber dieses Rezept ist noch nicht gefunden und macht vielleicht auch nicht in allen Berufszweigen Sinn. In Berufen, wo vor allem technisches Verständnis, vernetztes Denken, vorausschauende Planung und Teamarbeit gefragt sind, ist die Diversität von riesigem Nutzen. Ich hoffe daher, dass es irgendwann gesellschaftlich völlig normal ist, dass ein Mädchen gut in Mathematik und ein Junge gut in Sprachen ist. Ich denke, die Massnahmen mit der Förderung der jungen Mädchen in der Schule und die Tatsache, dass es immer mehr Frauen gibt, welche die Vorbildrolle aktiv übernehmen, sind Schritte in die richtige Richtung.

Was möchten Sie Frauen mit auf den Weg geben, die einen ähnlichen Weg wie Sie einschlagen möchten?

Wir Frauen haben den Vorteil, dass wir über uns sehr reflektiert nachdenken. Leider reden wir uns dann gerne mal kleiner, als wir sind. Manchmal muss man auch als Frau mehr scheinen, daher wäre mein Rat wahrscheinlich, dass auch wir uns selbst mehr auf die Schultern klopfen und uns für unsere Arbeit und Leistung im Rampenlicht stellen dürfen. Und vor allem, liebe Frauen allgemein: Bitte helft euch gegenseitig!

Wie definieren Sie die «moderne Frau»?

Die moderne Frau gestaltet ihre Umgebung aktiv mit und spricht für sich selbst. Sie trifft aktiv Entscheidungen für sich und für andere, wo es sinnvoll ist. Sie kann sich verbal verständlich ausdrücken und berücksichtigt alle Aspekte, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Und sie kann gut ausgebildet sein, muss es aber nicht, denn sie ist per se schon intelligent und bildet sich ihre Meinung aufgrund von plausiblen, stichfesten Argumenten.

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