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Deutschland Nachhaltigkeit Bau & Immobilien

Warum »alte« Gebäude für den Klimaschutz so wichtig sind

15.12.2020
von SMA

Unsere Gesellschaft muss nachhaltiger werden. Und zwar bald. Großen Handlungsbedarf orten Fachleute u.a. in der Bau- und Immobilienbranche. Doch während in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem Neubauten im Fokus stehen, sind es vielmehr die älteren Gebäude, die ein enormes Nachhaltigkeitspotenzial bergen. Um dieses effektiv ausschöpfen zu können, ist ein ganzheitlicher Denkansatz notwendig. 

Deutschland hat sich in Sachen Klimaschutz ambitionierte Ziele gesteckt. Ende des vergangenen Jahres trat daher das »Gebäudeenergiegesetz« in Kraft. Dieses sieht bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen auf 70 Mio. Tonnen vor. Eine wesentliche Rolle für die Erreichung dieses Ziels spielt die Bau- und Immobilienbranche. »Und dort bergen vor allem die bestehenden Gebäude ein geradezu enormes CO2-Einsparpotenzial«, betonen Branchenkenner wie Timo Brehme, Geschäftsführer von CSMM.

Deutschland hat sich in Sachen Klimaschutz ambitionierte Ziele gesteckt.

Was bedeutet das? In Deutschland gibt es (Stand 2018) rund 21,7 Millionen Wohn- und Nicht-Wohngebäude. Zieht man davon sämtliche Neubauten ab, bleiben immer noch etwa 20 Millionen Bauwerke übrig, von denen mehr als die Hälfte 40 Jahre oder mehr auf dem Buckel hat. »Diese gewaltige Anzahl an Immobilien eröffnet einen ebenso großen potenziellen Handlungsspielraum«, betont Brehme: Denn durch »Revitalisierungsmaßnahmen« lasse sich der Energieverbrauch dieser Gebäude maßgeblich verringern. Und wie Berechnungen zeigen, müssten in Deutschland gerade mal 1,5 Prozent des heutigen Gebäudebestandes saniert werden, um die Zielsetzungen des Gebäudeenergiegesetzes bis 2030 zu erreichen. Doch es gibt einen Haken: Aktuell liegt die Sanierungsquote nur bei einem Prozent. Und das ist noch zu tief. »Es liegt also noch Arbeit vor uns«, fasst Brehme zusammen.

In Deutschland gibt es (Stand 2018) rund 21,7 Millionen Wohn- und Nicht-Wohngebäude.

Vorteile für alle Beteiligten

Doch wie revitalisiert man ein Gebäude konkret? Hier lohnt sich ein Blick auf die sogenannte »Cradle-to-Cradle«-Denkschule, die sich im Bauwesen vermehrt etabliert. Dieser Ansatz sieht im Kern vor, dass man saniert statt abreißt und Baumaterial zurückzugewinnt, anstatt es zu entsorgen. Werden dann noch Maßnahmen wie der Einsatz gesundheitsverträglicher Baustoffe sowie die Nutzung nachwachsender Rohstoffe ergriffen, sinkt der Energie- und Ressourcenverbrauch sanierter Immobilien beträchtlich. Davon profitiert die Umwelt direkt – und nicht nur diese: Für die Gebäudenutzer sowie die Besitzer und Vermieter entstehen ebenfalls diverse Vorteile, auch finanzieller Art. Zum Beispiel können Immobilienbesitzer durch die Revitalisierung ihres Gebäudes einen langfristigen Werterhalt oder gar eine Wertsteigerung erwarten. Hinzu kommen deutlich tiefere Betriebskosten.»

Weiteres Nachhaltigkeits-Potenzial für den Bausektor sehen Fachleute in »hybriden Gebäuden«: Gemeint sind damit Immobilen, die eine Mehrfachnutzung ermöglichen. Ein Raum der tagsüber als Büro genutzt wird, kann durch die Umpositionierung von mobilen Trennwänden mit relativ wenig Aufwand z.B. in eine Bar umgewandelt werden. Oder ein Yogastudio. »Bisher haben Architekten Räume zu sehr auf eine einzige Nutzungsform beschränkt und angedacht«, erklärt Timo Brehme. Diese mentalen Barrieren gelte es abzureißen und dadurch mehr Nutzen aus vorhandenen Raumressourcen zu ziehen. Zudem kommen Eigentümer und Projektentwickler auf diese Weise dem Bedürfnis der Menschen nach neuen Arbeits- und Wohnformen entgegen – was ihre Objekte zusätzlich attraktiv für den Markt macht.

Ein Hochhaus der anderen Art

Wie sich das »Cradle-to-Cradle«-Prinzip in einem konkreten Bauwerk niederschlagen könnte, demonstriert das als Wettbewerbsentwurf konzipierte Hochhaus »Jellytower«. Das Gebäude soll neben seiner Gestaltung vor allem durch Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit überzeugen: So soll dank der Holzbauweise eine um etwa 30 Prozent geringere Gebäudelast entstehen. Die Verwendung von Recycle-Beton aus dem Abbruch des Vorgänger-Gebäudes führt zu Einsparungen von Zuschlagstoffen und macht darüber hinaus Material-Lieferwege überflüssig. Brehme erklärt: «Der eigentliche Clou bei dem Gebäude ist, dass durch das Beton-Regal ein echter 100-prozentiger Holzbau in den Kisten möglich wird – anstatt einer Beton-Holz-Hybrid-Bauweise. Die einzelnen Volumina werden in einer Holzkonstruktionsbauweise mit einer Hülle aus struktureller Dreifachverglasung erstellt und sitzen in einem Regal aus Stahlbeton, welches die Lasten der jeweiligen Volumina aufnimmt. Dadurch ist die statische Höhe der Holz-Volumina maximal drei Geschosse, was wiederum einen ›echten‹ Holzbau erlaubt.«

Statt einer herkömmlichen Luftkühlung kommt ein Hybrid-Trockenkühler/Verdunstungskühlsystem zum Tragen. Die Folgen: keine Temperaturabhängigkeit sowie keine hohen Luftmengen, die ins Gebäudeinnere gefördert werden müssen. »Und das sind nur einige von diversen Beispielen dafür, wie die Planung eines Gebäudes entlang der gesamten Prozesskette nachhaltig angedacht werden kann«, fasst Brehme zusammen.

Mehr zu Nachhaltigkeit gibt’s hier.

Text SMA   Bild CSMM

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