Das Schweizer Bildungssystem öffnet unzählige Wege, um in einem tollen, den eigenen Wünschen und Fähigkeiten entsprechenden Beruf zu landen. Manchmal braucht es allerdings etwas Mut dazu.
«Ich will einmal auf der Kommandobrücke eines riesigen Kreuzfahrtschiffes stehen», antwortet Laura mit leuchtenden Augen auf die Frage der Berufsberaterin, was sie denn einmal werden wolle. «Warum nicht?», antwortet diese ganz spontan. Wichtig sei, dass man sich bei der Berufswahl von Träumen leiten lasse. Sie hat recht – viele landen im Erwachsenenalter in der Tristesse eines Berufes, der sie nicht mehr glücklich macht. Je nach Umfrage sind über ein Drittel aller Arbeitnehmenden mit ihrer Berufswahl unglücklich und würden heute anders entscheiden. Deshalb ist es wichtig, bereits als Jugendliche die Weichen über die Lehre hinaus richtigzustellen. Oder zum richtigen Zeitpunkt den Mut zu haben, abzubrechen und umzusteigen.
Es gibt viele Wege zum Traumberuf. Der direkte oder über einen Umweg. Dazwischen kann man auch einmal in einer Sackgasse landen oder muss mutig ein paar Stolpersteine überspringen.
Auch Hannah lässt sich von den Einwänden ihrer Kolleginnen und Eltern nicht davon abhalten, Lastwagenmechanikerin zu werden. Sie erkundigt sich in verschiedenen Garagen nach freien Lehrstellen und erfährt dabei, dass dieser Beruf offiziell Automobilmechatronikerin Nutzfahrzeuge heisst. In einem Reisebusbetrieb fand sie schnell eine Lehrstelle – während der Schnupperlehre spürte sie dann auch ganz schnell, dass dieser «Männerberuf» der richtige für sie ist. Und bereits im zweiten Lehrjahr manövrierte sie gekonnt grosse Reisebusse auf dem Betriebsgelände. Jeden Tag verbesserte sie ihr Verständnis für die Technik – Kühl-, Zünd- und Einspritzsysteme waren bald keine unerklärliche Fremdworte mehr.
Direkt oder über Umwege
Es gibt viele Wege zum Traumberuf. Der direkte oder über einen Umweg. Dazwischen kann man auch einmal in einer Sackgasse landen oder muss mutig ein paar Stolpersteine überspringen. Das ist aber kein Grund für Torschlusspanik oder Resignation: Das Schweizer Bildungssystem öffnet unzählige Wege, um letztendlich in einem tollen, den eigenen Fähigkeiten entsprechenden Beruf zu landen.
Die verschiedenen Möglichkeiten, Schiffskapitänin zu werden und dereinst ein Kreuzfahrtschiff mit 5400 Passagieren und 2000 Besatzungsmitgliedern über den Ozean zu lenken, zeigt beispielhaft die Einzigartigkeit des schweizerischen Bildungssystems auf. Wer das Gymnasium mit der Matura abgeschlossen hat, macht anschliessend eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker. Weiter geht es dann mit der Fachhochschule. Aber auch der Weg über eine handwerkliche Berufslehre ist möglich: Mit einem Fachausweis im Sack kann die Ausbildung zum schiffsbetrieblichen Assistenten absolviert werden, mit der dann die nautische Ausbildung fortgesetzt wird.
33 000 offene Lehrstellen
Wer bereits über 50 Bewerbungen auf eine KV- oder Mediamatiklehrstelle geschrieben hat, kann es fast nicht glauben, dass heute über die ganze Schweiz gesehen 33 000 Lehrstellen noch nicht besetzt sind. Das zeigt, dass die Nachfrage nach Lehrstellen über die verschiedenen Branchen sehr ungleich ist. Besonders die handwerklichen Berufe haben grosse Mühe, Nachwuchs zu finden – während praktisch alle KV-Lehrstellen bereits vergeben sind. An der Fantasie der gewerblichen Branchenverbände liegt es nicht. Sie versuchen mit kreativen Ideen, die jungen Leute auf die Handwerksberufe aufmerksam zu machen. Sie modernisieren ihre Websites, sind in sozialen Medien präsent und verbessern ihren oft verstaubten Auftritt ganz generell. «Bring Farbe in dein Leben!» heisst es bei den Malern, «Erschaffe Träume mit deinen Händen!» bei den Confiseuren, «Rock the Palace!» in der Hotelgastro und die Plattenleger suchen den «Plattenchampions». Nur: Der Erfolg ist bescheiden. Oft können die Lehrstellen erst ganz am Schluss besetzt werden – weil sich viele sagen, lieber eine Lehre als Gipserin oder Gebäudereiniger, als irgendwann ohne Abschluss dazustehen.
Der Schweizer Weg der Berufswahl
Wer handwerkliche Berufe aber abwertet, dem fehlt der Weitblick und verkennt die Chancen, die sich mit einer Lehre eröffnen. Wer eben dereinst stolz auf der Kommandobrücke eines Luxusschiffes stehen will, muss sich im Laufe seiner Ausbildung die Hände schmutzig machen und einen Schiffsmotor reparieren. Im übertragenen Sinne gilt das für jede Karriere abseits des bequemen Bürostuhls. Die Bauleiterin ist gefragt, die eine Maurerlehre absolviert hat und auch der CEO eines Elektrotechnik-Unternehmens hat einen Vorteil, wenn er aus eigener Erfahrung weiss, wie es auf dem Bau zu und her geht. Der Schweizer Weg dazu heisst Fachhochschule. Der gelernte Beruf, also die Praxis, ist die Basis der Weiterbildung. Wer die berufliche Zukunft mit einer Lehre plant, hat anschliessend mit oder ohne Berufsmatura viele Fortsetzungsmöglichkeiten – bis hin zum Bachelor- oder Masterdiplom.
Herausforderung Generation Z
Sie sind unter 20 Jahre alt, mit dem mobilen Internet und Smartphones aufgewachsen – und strömen nun in Scharen auf den Arbeitsmarkt: die Teenager, die der Generation Z angehören. Während die Vorgängergeneration Y bereit ist, der Karriere willen die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben nicht ganz klar zu ziehen, ist das für die Jugendlichen, die nach 1995 geboren wurden, passé. Die Selbstverständlichkeit, ständig für die Arbeit erreichbar zu sein, die Mails am Feierabend und in den Ferien zu checken und auch ausserhalb der Bürozeiten flexible Einsatzzeiten zu leisten, akzeptieren sie nicht.
Die Arbeitgeber sind also vor allem in denjenigen Branchen gefordert, in denen händeringend nach Lehrlingen gesucht wird und der Fachkräftemangel bereits akut ist. Homeoffice ist auf der Baustelle natürlich nicht möglich – aber neue Arbeitsmodelle, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Oder die Viertagewoche, wie sie von einigen Handwerksbetrieben bereits eingeführt wurde. Das sind neben den Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und der Chance auf eine Karriere starke Argumente für Lehrstellensuchende, in einen Handwerkerberuf einzusteigen.
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