War im Januar 2020 die Arbeitslosenquote noch auf einem 20-Jahres-Rekordtief, änderte Corona drei Monate später alles. Anfängliche Versuche, mittels Kurzarbeit die gefährdeten Arbeitsplätze zu sichern, konnten eine Kündigungswelle nicht verhindern, was die Juni-Zahlen vom Bundesamt untermauern: Auch, wenn diese verglichen zum Mai 2020 leicht rückläufig sind, wurden gegenüber dem Vorjahr über 53 000 Personen zusätzlich arbeitslos und somit zur Neuorientierung gezwungen. Zusätzlich zeigen sich die drohenden Insolvenzen erst langsam am Horizont.
Erneut tritt ein Phänomen auf, welches sich schon 2015 als Folge der Wechselkursveränderung zeigte: Sind bei angeschlagenen Firmen Entlassungen nötig, betrifft es ältere Arbeitnehmende schneller. Teilweise werden sie laut Schweizerischem Gewerkschaftsbund dafür sogar aus den Kurzarbeitslösungen explizit herausgenommen.
Doch selbst ohne die Pandemie hat es diese Altersgruppe bei Arbeitslosigkeit nicht leicht. Zwar sind laut SECO die Älteren grundsätzlich gegenüber Jüngeren nicht stärker von Erwerbslosigkeit betroffen. Doch dieser Wert ist gefärbt durch eine erheblich höhere Aussteuerungsquote. RAV-Sonderprogramme zur Unterstützung der Betroffenen funktionieren scheinbar oft nicht wunschgemäss. Entsprechend dauert die Stellensuche der über 50-Jährigen fast doppelt so lange wie im schweizerischen Durchschnitt.
Arbeitslosigkeit wirkt nach
Eine aktuelle Studie von Kaiser, Siegenthaler und Möhr (Arbeitsmarktintegration von älteren Erwerbstätigen 02/2020) stellt die kritischen Folgen einer Arbeitslosigkeit im Alter fest: Von vier Personen, die mit 50 Jahren erwerbstätig sind, befinden sich zehn Jahre später noch drei im Arbeitsmarkt. Von vieren, die hingegen arbeitslos sind, haben lediglich zwei mit 60 Jahren einen Job.
Die Stellensuche der über 50-Jährigen dauert fast doppelt so lange wie im schweizerischen Durchschnitt. Michael Weiss
Laut Studie erschwert also eine Arbeitslosigkeit im Alter, bis zum ordentlichen Renteneintritt am Arbeitsleben erneut teilnehmen zu können. Nochmal heikler wird es, wenn es zu einer Aussteuerung gekommen ist. Die Analyse von Kaiser, Siegenthaler und Möhr erkennt zudem, dass sich diese Tendenz über die Jahre verschärft hat und «…sich ältere Personen, die arbeitslos werden, im Schnitt früher aktiv aus dem Erwerbsleben zurückziehen und häufiger von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen sind.»
Manche dieser Erkenntnisse überraschen wenig und der Ruf nach politischer Unterstützung besteht schon länger. Geforderte Massnahmen sind:
- besserer Kündigungsschutz langjähriger Mitarbeitender
- das Recht auf Weiterbildung und deren Finanzierung
- eine Überbrückungsrente oder die Möglichkeit auf Frühpensionierung als Branchenlösung
Ob diese Hilfestellungen kommen werden und wie schnell, muss sich zeigen. Die Zielsetzung, im fortgeschrittenen Alter weiterhin berufstätig zu sein, bleibt eine Herausforderung. Wegen der Coronakrise und weil die Altersgruppe 50 Plus durch die geburtenstarken Jahrgänge noch zehn Jahre lang die grösste Beschäftigungsgruppe darstellt.
Agieren statt warten
Wie lässt sich als Arbeitnehmender oder Betroffener mit dieser Lage umgehen? Die Situation in Politik und Wirtschaft oder beim eigenen Arbeitgeber ist, wie sie ist. Hingegen lässt sich gut beeinflussen, wie es für einen selbst zukünftig sein sollte. Frühzeitig zu agieren, ist hier besser als zu warten.
Bei Neuorientierungs-Coachings zeigt sich allerdings nicht selten, dass Betroffene die Entwicklung zwar kommen sahen, jedoch zu lange abgewartet haben. Dieses «Wegduck-Phänomen», wenn es um Veränderungen geht, scheint bei Männern ausgeprägter zu sein als bei Frauen.
Im Alltagsgeschäft – wenn also keine Krise zu bewältigen ist – bekommt die Personalabteilung selten zeitnah mit, dass etwas in einer Abteilung nicht gut läuft und eine Trennung ansteht. Was auch daran liegt, dass Kader lange probieren, die Probleme im Team selbst zu lösen. Frühzeitig angesetzte Konflikt-Coachings zeigen hingegen, vor allem bei einer neutralen Moderation durch Externe, dass ein Grossteil der kritischen Themen zu bewältigen ist oder zumindest deutlich abgemilderter verlaufen kann.
Bei Neuorientierungs-Coachings zeigt sich allerdings nicht selten, dass Betroffene die Entwicklung zwar kommen sahen, jedoch zu lange abgewartet haben. Michael Weiss
Arbeitsplatzverlust und Lösungsmöglichkeiten
In der aktuellen Coronakrise könnten die Auswirkungen eines drohendenden oder bereits eingetretenen Arbeitsplatzverlustes für Mitarbeitende über 50 nochmals dramatischer ausfallen. Ende Mai heisst es in einem bluewin-Artikel («Ältere Mitarbeitende am härtesten betroffen») dazu: «…Oft sind Menschen mit schwieriger Erwerbsbiografie und geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt betroffen.»
Aber was ist eine schwierige Erwerbsbiografie? Und schwierig für wen? Ist schwierig, wer mehrere Stellenwechsel aufweist oder mehrere Jahre aus privaten Gründen nicht berufstätig war? Hat nur ein gradliniger Werdegang Erfolg? Darf nur über eine Umorientierung nachdenken, wer über einen «perfekten» Lebenslauf verfügt?
Wie weiter?
Die Antwort ist: Es kommt darauf an, wie offen mit der jeweiligen Lage und den Gründen dafür umgegangen wird. Wer sich selbst aktiv hinterfragt, hat mehrere Wege zur Auswahl. Ist eine Neuorientierung durch eine Entlassung erzwungen, wirkt erschwerend, dass der mit einer Kündigung einhergehende Frust den Kopf beschäftigt und länger nachwirkt, als viele meinen. Hier hilft, wenn vom Arbeitgeber eine wertschätzende Unterstützung mittels Outplacement-Coaching gewährt wird, sodass Betroffene nicht direkt zum RAV müssen.
Eines zeigt sich aktuell wieder ganz besonders: Aktiv das eigene Leben zu verändern, bringt Lebensfreude zurück. Krisen bieten dabei ungeahnte Chancen. Und da ganze Branchen einen Umbruch erleben, muss möglicherweise an ganz anderen Orten geschaut werden. Mit der passenden Begleitung funktioniert das sogar dann, wenn der Markt den Eindruck vermittelt, dass es kaum Jobs gibt.
Zum Autor
Michael Weiss ist Inhaber der Neuorientierung50Plus GmbH und seit 15 Jahren Personal-Coach. Die angebotenen Inhouse- und Prozess-Coachings sowie Outplacements helfen Firmen, besonders für ältere Mitarbeitende Lösungen zu finden. Über analystra.ch werden zudem jüngere Jahrgänge betreut und durch Konflikt-Coachings Problemfelder frühzeitig und damit erfolgsversprechender angegangen.
Was sollte die Generation 50 Plus auf dem Arbeitsmarkt wissen? Die Antwort lesen Sie hier.
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