Interview von SMA

Thispronto: «Ich gönne mir den Luxus, Dinge einfach mal auszuprobieren»

Viele junge Menschen hegen den Traum, mit selbstproduziertem Content auf einem sozialen Netzwerken gross rauszukommen.  Dem 23-jährigen Berner Oluyomi Scherrer ist genau das gelungen: Mit seinen kurzen Kochvideos begeistert er auf TikTok als «Thispronto« ein Millionenpublikum. Wir sprachen mit ihm über digitalen Fame, seine Kochkünste – sowie die Schattenseite des Webs.

Viele junge Menschen hegen den Traum, mit selbstproduziertem Content auf einem sozialen Netzwerken gross rauszukommen.  Dem 23-jährigen Berner Oluyomi Scherrer ist genau das gelungen: Mit seinen kurzen Kochvideos begeistert er auf TikTok als «Thispronto» ein Millionenpublikum. Wir sprachen mit ihm über digitalen Fame, seine Kochkünste – sowie die Schattenseite des Webs.

Oluyomi, du bist der Schweizer TikToker mit der grössten Reichweite. Was hat dich ursprünglich dazu bewogen, einen Account zu erstellen und auf der Plattform Content zu kreieren?

Mit TikTok kam ich erstmals vor etwas mehr als zwei Jahren in Berührung, noch vor Ausbruch der Coronapandemie. Damals war TikTok noch brandneu und ich hatte durch ein YouTube-Video davon erfahren. Schon zuvor hatte ich mit dem Gedanken gespielt, eigenen Content zu kreieren. Allerdings ist es auf etablierten Plattformen enorm schwierig, als Newcomer eine gewisse Reichweite aufzubauen, da schon so viele erfolgreiche Creators präsent sind. TikTok bot mir da eine ideale Chance. Mir gefiel die App und somit begann ich erstmals, eigene kurze Videos zu drehen.

thispronto

Bild: zVg / Madaly

Was war dein erster Upload?

Ein totales Random-Video von meiner Katze (lacht). Doch in relativ kurzer Zeit kam dieses immerhin auf 800 Aufrufe, obschon der Inhalt alles andere als aussergewöhnlich war. Das spornte mich an, weitere Videos aufzunehmen. Zu Beginn blieb ich den Katzenvideos treu und fand später über einige kleine Umwege meine Nische bei den Kochvideos.

Warum gerade Kochvideos?

Ich bin gelernter Koch und habe daher seit jeher eine Leidenschaft für das Kulinarische. Diese Passion in den wenigen Sekunden, die ein TikTok-Video idealerweise dauert, richtig rüberzubringen, ist allerdings immer eine Challenge. Die meisten meiner TikTok-Clips dauern 15 bis 20 Sekunden. Dementsprechend konzentriere ich mich auf simple Rezepte, die man ohne grosse Vorkenntnisse nachkochen kann.

Sind die Gerichte, die du vor der Kamera kochst, Teil deiner täglichen Ernährung?

Nein. Bei den Esswaren, die ich für TikTok zubereite, handelt es sich um Treats. Sprich es sind Speisen, die man sich bewusst gönnen darf, aber keinesfalls den Grossteil der Ernährung ausmachen sollten. Ich frittiere viel und arbeite in meinen Videos auch gerne mit Zucker. Diese Gerichte sind lecker, man sollte sie sich aber bewusst und massvoll gönnen. Ich achte persönlich auf eine ausgewogene Ernährung und treibe Sport.

Vorerst mache ich Videos und werde sehen, wohin mich meine weitere Reise führt.

Mittlerweile begeisterst du 15,6 Millionen Menschen mit deinen Kochvideos. Wie fühlt es sich an, so eine enorme Reichweite zu haben?

Ganz ehrlich: Diese Zahlen kann ich gar nicht mehr richtig fassen, das ist zu abstrakt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir bei meinem ersten Video, das 100 000 Aufrufe erzielte, durch den Kopf ging: «Wow, das wären genug Menschen, um ein Stadion zu füllen.» Als dann aber die Klickzahlen in den Millionenbereich emporschossen, konnte ich das gar nicht mehr einordnen. Mein meistbeachtetes Video hat 90 Millionen Views, da fehlt es einfach an brauchbaren Vergleichen.

Du bist 23 Jahre alt. Ist Influencer für dich ein Beruf mit Perspektive oder denkst du, dass du irgendwann etwas anderes machen möchtest?

Ich kann heute gut von meinem Content leben. Seit rund einem Jahr bin ich selbstständig und damit Vollzeit-Creator. Anders als zu meinen Zeiten als Koch habe ich kein fixes Einkommen, sondern dieses variiert je nachdem, welche Kooperationen gerade bei mir aktuell sind. Ich denke zwar nicht, dass TikTok ewig Bestand haben wird, doch im Moment konzentriere ich mich auf das Produzieren von Videos. Ich bin noch jung und gönne mir den Luxus, Dinge einfach mal auszuprobieren. Ein Traum von mir wäre es, vielleicht auch mal eigene Produkte zu entwickeln oder sogar ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Das ist aber alles noch Zukunftsmusik. Vorerst mache ich Videos und werde sehen, wohin mich meine weitere Reise führt.

Könntest du dir vorstellen, deine Videos thematisch auszuweiten?

Durchaus. Eine grosse Leidenschaft von mir ist die Musik. Vor einem Jahr habe ich meinen ersten Song veröffentlicht, was eine tolle Erfahrung war. Ich lebe in Bern sowie in Berlin und dort ist in Sachen Musik einiges los. Eventuell werde ich das Thema künftig weiter vertiefen.

Das Web ist ein Ort der Kreativität – die digitale Welt kann aber auch toxisch sein. Hattest du schon schlechte Erfahrungen?

Die negative Seite existiert natürlich und ich denke, jede Person, die Videos online stellt und sich dadurch exponiert, hat schon unschöne Erfahrungen gemacht. Das gehört leider einfach dazu. Ich versuche aber, das nicht an mich heranzulassen, was mir mittlerweile gut gelingt. Ich sage mir immer: Wenn sich von meinen 15,6 Millionen Followern einige danebenbenehmen, machen sie immer noch nur einen Bruchteil aus. Das stimmt mich insgesamt recht positiv.

thispronto

Bild: zVg / Madaly

Die Ausgabe richtet sich an junge Menschen. Viele haben wahrscheinlich den Traum, im Web so berühmt zu werden wie du. Welche Ratschläge hast du für sie?

Ganz wichtig: Rennt nicht einfach irgendwelchen Trends nach in der Hoffnung, so schnell wie möglich eine grosse Followerschaft aufzubauen. Vielmehr sollte man Content kreieren, hinter dem man stehen kann und zu Themen, die einem Spass bereiten. Denn nur dann bleibt man wirklich am Ball, was notwendig ist, um Menschen zu erreichen. Ihr solltet vor allem Spass an der Sache haben, auch wenn es mit der Influencer-Karriere vielleicht dann nicht klappt. Ebenfalls essenziell: Überlegt euch gut, was ihr im Internet zeigt, denn es bleibt für immer im Web. Seid zudem vorsichtig mit den Menschen, die auf euch zukommen, nicht alle wollen euer Bestes. Und dennoch: Lasst euch eure Ideen nicht von eurem Umfeld madig machen. Die meisten Menschen werden euch weiss machen wollen, dass euer Plan nicht klappt.

War das bei dir auch so?

Und ob! Meine Eltern haben mich zwar glücklicherweise immer unterstützt, doch viele Leute aus meinem Bekannten- und Freundeskreis waren sehr skeptisch als ich ihnen mitteilte, dass ich TikTok mal ausprobieren wollte. Doch manchmal muss man sich einfach selber vertrauen.

Headerbild zVg / Madaly

 

Hier gehts zu weiteren Interviews mit Influencer:innen wie Zoë Pastelle, Martina Bisaz und Raffaela Zollo.

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25.08.2022
von SMA
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