Viele Firmen ächzen derzeit unter dem Fachkräftemangel. Gleichzeitig fürchten immer mehr Erwerbstätige, dass sie durch KI ersetzt werden könnten. «Fokus» beleuchtet das KI-Thema im Recruiting aus Sicht von Firmen und Arbeitnehmenden und geht der Frage nach, wie Menschen im Zeitalter der Digitalisierung nicht nur passende, sondern auch sichere Jobs finden. Und warum das zwischenmenschliche Gespräch auch künftig unersetzbar bleibt.
Künstliche Intelligenz (KI) dringt in immer mehr Bereiche des täglichen Lebens ein: So können moderne KI-Lösungen unter anderem innert Sekunden komplexe Fragen beantworten, Recherchen anstellen und Texte verfassen. Selbst für Profis wird es immer schwieriger, ein der Bewerbung beigelegtes KI-Motivationsschreiben von einem Brief zu unterscheiden, der aus der Feder einer realen Person stammt. Diese Entwicklung ist allerdings gemäss Recruiting-Fachleuten grundsätzlich eine positive, denn KI könne dazu beitragen, den Bewerbungsprozess für Kandidatinnen und Kandidaten massgeblich zu vereinfachen. Bewerbende können zum Beispiel ihre Lebensläufe und Anschreiben optimieren, indem sie unter anderem auf Keywords hinweisen, die von der KI bestimmter Branchen oder Unternehmen bevorzugt werden. So können KI-gestützte Jobportale die Suche nach einer passenden Stelle künftig vereinfachen. Das ist vor allem für diejenigen Personen ein Segen, die das Durchforsten von hunderten Stelleninseraten leid sind.
Doch nicht nur die Seite der Stellensuchenden profitiert von den Möglichkeiten der intelligenten, digitalen Tools: Für Unternehmen bietet KI etwa die Möglichkeit, grosse Mengen an Bewerbungsunterlagen schneller zu sortieren und zu analysieren. Dabei werden Algorithmen eingesetzt, die nach bestimmten Fähigkeiten, Erfahrungen oder Qualifikationen suchen. Diese Technologie kann den Suchprozess beschleunigen und sicherstellen, dass qualifizierte Kandidat:innen schnell erkannt werden.
Die unersetzliche Rolle menschlicher Fachleute
Angesichts der beeindruckenden Fähigkeiten von KI könnte man nun annehmen, dass der Prozess von Jobsuche und Matchmaking künftig vornehmlich automatisch ablaufen wird. Es gilt aber zu bedenken, dass nicht jede für eine Stelle geeignete Person in der Lage ist, KI-optimierte Unterlagen zu erstellen. Hier ist ein geschultes Auge nötig, damit diese guten Bewerber:innen nicht durchs Raster fallen.
Und in jedem Rekrutierungsprozess gibt es Aspekte, die nicht automatisiert werden können. Recruiting-Expertinnen und -Experten wissen: Aus einem persönlichen Gespräch nuancierte Informationen zu ziehen und die Motivationen, Wünsche und Kultureignung einer Kandidatin oder eines Kandidaten zu beurteilen, ist für Algorithmen nicht möglich. Und oft sind es gerade nicht die offensichtlichen «Hard Facts», die aus einem positiven Match eine nachhaltige, tragfähige Beziehung machen. Vielmehr geht es auch um persönliche Werte, Charaktereigenschaften und Wünsche, die erst durch den Dialog ans Licht kommen.
Derartige Feinheiten finden Recruitingfachleute durch direkte Kommunikation mit den Stellensuchenden heraus und können so beurteilen, was diese wirklich suchen, welche Unternehmenskultur zu ihnen passt – und wie sie sich in verschiedenen Umgebungen entwickeln könnten. Man muss sich auch bewusst sein, dass Bewerbungsunterlagen nur einen Blick in die Vergangenheit abbilden. Was aber bei der Stellenbesetzung zählt, ist die Leistungsbereitschaft, Motivation sowie die Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Dieses Abschätzen von Potenzial beruht auf Lebenserfahrung und kann daher nicht durch Computerintelligenz erbracht werden.
Aus den genannten Gründen sollten auch suchende Unternehmen den «Faktor Mensch» keineswegs aus ihrem Rekrutierungsprozess ausklammern. Für sie können erfahrene Personalvermittler eine wertvolle Vorselektion treffen, indem sie nicht nur die harten Fakten, sondern auch die Soft Skills sowie die Persönlichkeit einer Kandidatin oder eines Kandidaten beurteilen. Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der für Erwerbstätige die Unternehmenskultur sowie das soziale Umfeld oft genauso wichtig sind wie die Aufgabe und Karrieremöglichkeiten. Dies zeigt, dass KI den Rekrutierungsprozess zwar durchaus effizienter macht und sowohl den Bewerbenden als auch Unternehmen zahlreiche Vorteile bietet, doch gleichzeitig nicht in der Lage ist, wertvolle zwischenmenschliche Fähigkeiten zu ersetzen. Künftig dürfte daher eine Kombination aus Technologie und menschlichem Fingerspitzengefühl sicherstellen, dass Unternehmen die besten Mitarbeitenden für ihre offenen Positionen finden.
Tipps der Fachleute: So nutzt man KI als Chance
Für Bewerberinnen und Bewerber
- «Sei dein eigenes Marketing» – man sollte sich fragen, was einen auszeichnet und unersetzlich macht.
- Zu diesem Zweck sollte man sich die eigenen Stärken vor Augen führen. Kernfrage: «Was kann ich gut und was bereitet mir Spass?» Dies sind zentrale Kriterien, um Jobangebote zu selektionieren.
- KI und Co. können für den Bewerbungsprozess genutzt werden, z.B., um einen Begleitbrief «flüssiger» formulieren zu lassen.
- Den menschlichen Faktor nicht vergessen: Berufsberater:innen und Headhunter:innen helfen bei der Zielevaluation und können ihr einzigartiges Netzwerk nutzen, um neue Kontakte und Chancen zu eröffnen.
Für suchende Unternehmen
- Moderne Tools wie KI, Suchplattformen und Matching-Tools können ein Hilfsmittel darstellen. Es lohnt sich, mit Keywords und Filtern zu experimentieren.
- Quereinstieg fördern: Es kann sich lohnen, eine Person einzustellen, die gut zur Unternehmenskultur passt, auch wenn sie fachlich noch nicht hundertprozentig den Anforderungen entspricht. Denn Fachkompetenzen kann man beibringen.
- «Wer keine Perlen findet, sollte Muscheln züchten» – die Berufslehre ist ideal, um Fachkräfte selbst auszubilden.
- Gerade Unternehmen können von den Dienstleistungen von Headhunter:innen und Personalvermittler:innen profitieren. Diese können auf ihr Netzwerk zurückgreifen und stellen durch die Vorselektion sicher, dass wirklich nur passende Bewerber:innen eingeladen werden, was die Effizienz fördert.
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