Wer einen Beruf erlernen möchte, absolviert eine Berufslehre. Wer weiterhin gerne zur Schule geht, wählt eher ein Gymi und schlägt von dort aus die universitäre Laufbahn ein. Doch in der Schweiz gibt es unzählige talentierte Berufslernende, die ihr Potenzial im Lehralltag oft noch nicht voll ausschöpfen können. Genau dort setzt die Zürcher Bildungsdirektion mit ihrer Initiative «Talentförderung Plus» an.
Drei von vier Jugendlichen des Kantons Zürichs absolvieren nach ihrer obligatorischen Schulzeit eine Berufslehre. «Etwa zehn Prozent aller Lernenden verfügen über unerkanntes Potenzial, überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen. Mit einer gezielten Förderung erhöht sich die Chance, dass diese Fachleute dem Beruf an sich und der Branche erhalten bleiben», betont Isabelle Sterchi Pelizzari. Sie ist verantwortlich für «Talentförderung Plus» beim Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich. Ziel von Talentförderung Plus ist, Betriebe, Berufsverbände und Berufsfachschulen zu motivieren, sich gemeinsam für die systematische Identifikation und Förderung von begabten Lernenden in der Berufsbildung zu engagieren.
Für eine attraktive Berufsbildung ist es notwendig, leistungswillige und leistungsstarke Jugendliche für die Berufslehre zu gewinnen und sie während der Ausbildung gezielt zu fördern. Diese jungen Menschen tragen künftig dazu bei, dem Fachkräftemangel in der Schweiz entgegenzuwirken – oder diesen zumindest abzufedern. Doch gemäss Isabelle Sterchi Pelizzari hat die Berufslehre eine zentrale Herausforderung zu bewältigen: «Obschon Studien belegen, dass rund zehn Prozent der Lernenden hochtalentiert sind, ist die systematische Förderung von Auszubildenden während der Berufslehre noch nicht ausreichend etabliert.»
Damit also die Berufsbildung als attraktiver und zukunftsorientierter Ausbildungsweg wahrgenommen werde, sei es entscheidend, dass die Verknüpfung von Begabung und Beruf stattfindet. Der Weg dorthin führt über die Ausbildungsbetriebe, Verbände und Berufsfachschulen. «Ihnen muss es gelingen, die Berufsbildung als Talentschmiede zu positionieren, in der begabte Lernende zu Höchstleistungen befähigt werden.» Auf diese Weise wird die Attraktivität des Berufsbildungssystems gefördert, was wiederum dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel entgegenwirkt.
Verteilte Verantwortung
Isabelle Sterchi Pelizzari sieht alle Akteure in der Verantwortung, wenn es darum geht, die Talentförderung in der Berufsbildung voranzubringen. «Eine Schlüsselrolle spielen aber auf jeden Fall die Lehrbetriebe.» Denn diese tragen eine besondere Verantwortung: Einerseits sind es die Ausbildungsverantwortlichen, die das Thema «Talentförderung» im Hinterkopf haben müssen, um das Potenzial von Lernenden im eigenen Betrieb frühzeitig zu erkennen, diese Jugendlichen zu begleiten und eigene Erfahrungen mit ihnen zu teilen. In einem Umfeld, in dem Leistungen aktiv angeregt, unterstützt und gewürdigt werden, können Jugendliche ihr Talent besser ausschöpfen.
Damit dies gelingt, ist auch ein Austausch zwischen Lehrbetrieben und der Berufsfachschule wichtig. «Und zum anderen müssen Firmen den aussergewöhnlich talentierten Lernenden die notwendigen Ressourcen bereitstellen, damit sie ihr Potenzial auch nutzen können.» Die Wirtschaft braucht gut ausgebildete, junge Fachkräfte. Wenn Betriebe ihre talentierten Lernenden bereits während der Berufsausbildung so fördern, dass sie ihr Talent voll entfalten können, profitieren Unternehmen und Branchen gleichermassen.
Natürlich stehen nebst den privaten auch die öffentlichen Akteure in der Pflicht. Darum wurde im Kanton Zürich die Initiative «Talentförderung Plus» lanciert. Deren Dreh- und Angelpunkt ist die Website talentfoerderungplus.ch. «Diese bietet für die Berufsbildung ein Schaufenster und dient als Orientierung für eine erfolgreiche Talentförderung im eigenen Betrieb.» Die Plattform erlaubt es Unternehmen, Verbänden und Berufsfachschulen, sich zu informieren und untereinander auszutauschen. Auf der Website werden nebst Grundwissen zur Talentförderung vor allem die verschiedenen Arten von Fördermassnahmen vorgestellt. Die in den «Talent Stories» gesammelten Best Practice-Beispiele wiederum sollen inspirieren und Ideen für eigene Fördermassnahmen liefern. Das «Talentpromoter-Verzeichnis» bietet eine Plattform für den Austausch zwischen Betrieben, die bereits Talentpromoter sind und denen, die es gerne werden möchten. Und in der «Talent Toolbox» werden zudem praktische Anleitungen, Tools und Tipps zur Umsetzung strategischer Talentförderung im Betrieb zur Verfügung gestellt. «Wir wollen Verantwortlichen damit aufzeigen, dass sie gemeinsam auf das gleiche Ziel hinarbeiten und die Förderung junger Talente im Interesse aller ist.»
Und dass Talentförderung auch richtig Spass machen kann, zeigt die Talent-Story der Carrosserie Gehrig GmbH aus Kleinandelfingen: Deren Lernende durften sich einer besonderen Herausforderung stellen: der Restauration eines historischen «Feierabend»-Bobs. Der Oldtimer erfuhr eine aufwendige Überarbeitung, mit einem Ergebnis, das sogar einstige Olympiasieger voll und ganz überzeugt.
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