Digitalisierung: jetzt oder nie
Ein Thema, das jedes Unternehmen aus allen Branchen betrifft: die Digitalisierung. Daraus resultieren für Unternehmer:innen viele Fragen. Wann und wie soll digitalisiert werden? Und welche Mehrwerte entstehen? «Fokus» hat mit einer Professorin und dem Geschäftsführer eines Digital Venture Builders gesprochen.
Laut einer Vergleichsstudie der International Data Corporation (IDC) und InterSystems haben Schweizer Unternehmen der Fertigungsbranche noch nicht die volle digitale Reife erreicht. Bei der Umfrage schätzten sich 42 Prozent davon am häufigsten in der mittleren Stufe ein. In den USA hingegen sind 57 Prozent der Unternehmen der Meinung, einen fortgeschrittenen Reifegrad erreicht zu haben.
Die USA an der Tech-Spitze
Studien zeigen, dass in den USA die Kultur der Nation einen starken Einfluss auf die Ergebnisse haben kann. So würden sich amerikanische Unternehmen eher besser einschätzen als es letztendlich der Fall ist.
Weshalb scheint die USA in Sachen Technologie die Nase vorn zu haben? Laut Marcus Funk, Gründer und CEO eines digitalen Innovationsunternehmens, hat dies viele Gründe: «Zum einen waren amerikanische Unternehmen viel früher für neue Technologien offen und konnten sich entsprechend vorbereiten. Ausserdem war das Silicon Valley schon in den 1980er-Jahren die Top-Adresse für Ingenieur:innen. Hinzu kommt, dass man neuen Technologien in den USA offener und mit mehr Neugier gegenübersteht als in Europa.
Auch wenn es klischeehaft klingt: Die USA sind das Land der Entdecker:innen, die europäischen Staaten verstehen sich mehr aufs Bewahren.» Ein weiterer Vorteil sei das amerikanische Unternehmens-Mindset, welches beispielsweise eine positiv besetzte Fehlerkultur pflegt.
Frau Prof. Dr. Sita Mazumder der Hochschule Luzern ist der Meinung, dass der digitale Fortschritt in den USA ausserordentlich branchenabhängig ist. Beispielsweise gibt es Firmen mit fortgeschrittenen Sondertechnologien, hingegen hapert es beispielsweise an der Digitalisierung im Finanzbereich.
Wie wichtig ist es, früh genug mit der Digitalisierung zu beginnen?
Prof. Dr. Mazumder betont, dass nicht zu digitalisieren, keine Option ist. «Es ist eine Entwicklung, die gegeben ist. Diese ist unaufhaltbar und es ist strategisch unmöglich, digital nicht mitzumachen.» Zu spät dafür ist es laut Prof. Dr. Mazumder nie. Es sei jedoch wichtig, jetzt richtig zu handeln. Ausserdem könne man auch falsch digitalisieren, indem viele Ressourcen in digitale Lösungen investiert würden, die am Ziel vorbeischiessen.
«Es ist wichtig, das Richtige zu tun und es richtig zu tun» Prof. Dr. Sita Mazumder
Laut Funk wiederum, drängt die Zeit schon sehr. «Die Digitalisierung schreitet so schnell voran, dass Unternehmen schon jetzt kontinuierlich von anderen überholt werden.» Hierbei nennt er Beispiele wie Nokia, Kodak oder Blockbuster, welche die Digitalisierung verpasst haben.
Das Vorgehen einer Digitalisierung
Laut Prof. Dr. Mazumder ist es hierzulande die Aufgabe des Verwaltungsrats, eine Strategie in der digitalen Welt zu entwickeln. Man sollte intern sowie auch extern nach dem nötigen Know-how suchen, um die wichtigsten technologischen Ziele umzusetzen. Auch der Geschäftsführer meint, dass es wichtig sei, strategisch und schnell vorzugehen. «Es muss klar sein, dass Digitalisierung längst nicht mehr bedeutet, Prozesse oder bestehende Produkte zu digitalisieren», betont er.
Es gehe darum, die individuellen Chancen zu erkennen, welche die Digitalisierung dem eigenen Unternehmen bieten, um neue Lösungen entlang der Kundenbedürfnisse zu schaffen. Wenn Unternehmen noch nicht das dafür notwendige Mindset oder die entsprechenden Strukturen vorweisen können, empfiehlt sich das Auslagern der Digitalisierung an externe Unternehmen.
Warum ist Digitalisierung so wichtig?
«Es ist wichtig, das Richtige zu tun und es richtig zu tun», betont Prof. Dr. Mazumder. Digitalisierung richtig umgesetzt, erhöhe die Effizienz sowie auch die Effektivität eines Unternehmens. Als Beispiel könne die Sicherheit erhöht werden. Gleichzeitig könne die Sicherheit aber auch durch schlechte Umsetzung reduziert werden.
Ein zentraler Aspekt der Digitalisierung sind die vorhandenen und generierten Daten, woraus wichtige Erkenntnisse gewonnen werden können, Stichwort Data Science.
«Digitale Innovationen bieten viele Möglichkeiten. Ein Beispiel ist die Künstliche Intelligenz, die in unzähligen neuen Anwendungsfällen eingesetzt werden kann, bis hin zu Kunst und Design», fügt sie hinzu. Hier gilt es, die nutzbringenden Ziele zu finden und diese mit den passenden digitalen Lösungen effizient umzusetzen. Ein zentraler Aspekt der Digitalisierung sind die vorhandenen und generierten Daten, woraus wichtige Erkenntnisse gewonnen werden können, Stichwort Data Science.
Mit digitalen Produkten, Services und Geschäftsmodellen verbessern Unternehmen laut Funk nicht nur ihre Kundenbeziehung und Kostenstruktur, sondern erobern mit ihrer Innovationskraft auch neue Märkte und sichern ihre Zukunft.
Wo herrscht in der Schweiz noch Aufholbedarf?
Auf die Frage, wo die Schweiz bezüglich Digitalisierung Nachholbedarf aufweist, nennt Prof. Dr. Mazumder exemplarisch, aber nicht abschliessend, staatliche Institutionen und die Gesundheitsbranche. «Wenn man die Schweiz mit anderen Staaten vergleicht, wird ersichtlich, dass beim Bund wie auch den Kantonen noch Luft nach oben besteht», sagt Prof. Dr. Mazumder.
Beispielsweise wird noch oft traditionell über Schalter gearbeitet. In der Gesundheitsbranche habe der Umgang mit Daten noch Verbesserungspotenzial. So werden beispielsweise mancherorts heikle Gesundheitsdaten noch immer unverschlüsselt per Mail versendet.
Text Melanie Cubela
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