Interview von Melanie Cubela

Die Jury von «Die Höhle der Löwen» im Gespräch

Die berühmte Show, für die jedes Start-up-Herz schlägt, gibt es seit 2019 neu auch in der Schweiz: Die Höhle der Löwen. Anja Graf, Roland Brack, Tobias Reichmuth, Lukas Speiser und Bettina Hein erzählen «Fokus» von ihrem Unternehmerwissen und ihrem Beitrag zur Show.

Anja Graf, Gründerin, Inhaberin und CEO von Visionapartments

Anja Graf, Gründerin, Inhaberin und CEO von Visionapartments

Anja Graf, Sie haben mit Modelagenturen angefangen und so den Bedarf an möblierten Wohnungen entdeckt. Wie verlief die Entscheidung, die Modelagentur zu beenden und sich Wohnungen zu widmen?

Ich habe eine Zeit lang beides gemacht und erkannt, dass die Schweiz für das Modelbusiness nicht der beste Marktplatz ist. Ich habe für junge Models Briefe erstellt, die ich an die bedeutendsten Agenturen geschickt habe, unter anderem nach New York und Athen. Als ich dann ein interessantes Model hatte, bei dem Interesse herrschte, bewarb dieses sich ohne mein Wissen bei der grössten Modelagentur der Schweiz. Da platzte mir der Kragen. Ich dachte mir: «Mit meiner Zeit kann ich etwas Besseres anfangen.» Damals gab es schon möblierte Zimmer und die habe ich jeweils für meine Models gemietet. Um den Frust zu überwinden, habe ich mich mehr um die Zimmer als um die Modelagentur gekümmert.

Sie erwähnten einst, dass Sie das Gymnasium abgebrochen haben und Ihnen das Business wichtiger war als die Schule. Braucht es demnach keine Schule, um erfolgreich ein Unternehmen zu führen?

(lacht) Das ist jetzt eine banale Antwort. Schreiben, Sprechen, Lesen und Sprachen lernen ist sicher gut, um ein Business zu beginnen. Ich persönlich bin der Meinung, es braucht kein Wirtschaftsstudium, um erfolgreich im Business zu werden. Im Gegenteil, diejenigen, die alles lernen, machen dann im Unternehmen alles selbst. Ich wusste dies nicht und musste mir Spezialist:innen holen, etwa für die Buchhaltung oder den Businessplan. Es gibt viele Unternehmer:innen, die das jahrelang machen. In der Folge sind sie zu oft mit Details eingebunden und können nicht expandieren. 

Gab es Tiefpunkte in Ihrer Karriere? Wie sind Sie aus diesen herausgekommen?

Ja klar, auch bei mir gab es Tiefpunkte. Einmal habe ich fast meine Firma für einen Spottpreis verkauft, da mir eine versprochene Liegenschaft vor der Nase weg verkauft wurde und ich so in ein Tief gelang. Was mich jedoch vor Schnellschüssen gerettet hat, waren meine Kinder. Diese gaben mir Stabilität und halfen mir, die Dinge objektiver zu betrachten.

Was raten Sie allen werdenden Unternehmer:innen ab?

Ich rate ab, auf den perfekten Zeitpunkt zu warten und zu oft zu zögern. Das Wichtigste bei einem Unternehmen ist es, die Ideen umzusetzen. Das zeichnet Unternehmer:innen aus. Man sollte sich nicht darin verlieren, was noch fehlt, sondern handeln.

Aber es ist schon riskant, nicht alles im Detail abzuwägen.

Ja, klar ist es riskant. Es gibt ja das Sprichwort «No Risk No Fun». Man kann im Leben nicht alles haben. Zugleich ist es unmöglich, total abgesichert zu sein und ein Unternehmen zu gründen, das sofort durch die Decke schiesst. Wenn es so wäre, würden es alle machen.

Sie sitzen in der Jury der Sendung «Die Höhle der Löwen». Was reizt Sie daran, in aufstrebende Unternehmen zu investieren?

Erst mal vorweg, ich investiere nur, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Geld sich vermehren wird. Das ist ja der Sinn einer Investition. Wenn ich eine Firma finde, in die ich investieren möchte, dann bin ich Feuer und Flamme dafür. Wenn ich hundertprozentig überzeugt bin, dass das Unternehmen erfolgreich sein wird, gibt mir das dann schon den Kick, zu investieren. Oft sind es junge Unternehmer:innen. Dann hat man so ein euphorisches Team, in dem alle Tag und Nacht mit Herzblut mitarbeiten. Nur schon diese Dynamik ist reizvoll. Mit 300 Leuten ist es zu viel verlangt, das von jedem und jeder Einzelnen zu erwarten (lacht). Natürlich gibt es auch in meinem Unternehmen Leute, die mit Herzblut dabei sind, aber 90 Prozent sehen das halt als Job. Das ist natürlich auch in Ordnung.

Roland Brack, Gründer des Onlinehändlers BRACK.CH AG

Roland Brack, Gründer des Onlinehändlers BRACK.CH AG

Roland Brack, Laut der Handelszeitung «Bilanz» zählen Sie zu den 300 Reichsten der Schweiz und Liechtenstein. War das je Ihr Ziel?

Nein, das war natürlich nicht mein Ziel. Als ich vor 28 Jahren meine Firma gegründet habe, war es sozusagen ein Hobby neben dem Studium. Die Gründung geschah durch die Freude an der Sache und mein Computer-Interesse. Reich zu werden, soll bei der Gründung einer neuen Firma nicht das oberste Ziel sein, obwohl es ein schönes Resultat ist. 

In der Schweiz gibt es immer mehr E-Commerce-Unternehmen. Wie schafft es Brack, hier mitzuhalten?

E-Commerce ist stark der Globalisierung ausgesetzt. Deshalb sitzen die grossen Konkurrenten wahrscheinlich nicht in der Schweiz, sondern im Ausland. Hierbei mitzuhalten ist und bleibt jeden Tag ein Kampf. Wir stellen dafür die Kund:innen ins Zentrum und überlegen uns, wie wir diese zufriedenstellen können. Denn wenn sie zufrieden sind, bleiben sie in der Regel auch treu. Ausserdem sind und bleiben wir schweizerisch und stets offen für Neues. Die Welt entwickelt sich gerade beim E-Commerce laufend weiter. Da gehört es dazu, dass sich auch das Unternehmen mitentwickelt. Besonders bei Onlineshops, bei welchen immer neue Funktionen und Anforderungen entstehen. Hier ist man für alle Stakeholder verpflichtet, mit dem Markt zu wachsen, um weiterhin relevant zu bleiben.

Bei Onlineshops wird das Thema Nachhaltigkeit stetig diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

Ich halte es für ein sehr wichtiges Thema. Wenn man nun den Onlineeinkauf mit dem stationären vergleicht, dann müssen sich die Onlinehändler nicht verstecken. Ein Einkaufszentrum beispielsweise hat mit der Beleuchtung, Belüftung, Klimatisierung und der Logistik einen enormen Energiebedarf. Beim Onlinehandel in der Schweiz hingegen, liefern nicht unzählige Paketdienste, sondern der Grossteil läuft über die Post. Wenn der Paketbote an eine Quartierstrasse fährt und nun fünf oder zehn Pakete ausliefert, führt das zu wenig zusätzlichem Verkehr. Dies ist demnach viel effizienter als wenn jede:r individuell mit dem Auto in ein Einkaufszentrum fährt.

Es ist uns wichtig, dass wir qualitativ hochwertige Produkte verkaufen. Das zahlt sich dann auch wieder bei der Kundenzufriedenheit aus. 

Was mir auffällt ist, auch bei «Die Höhle der Löwen», dass neuerdings vermehrt vegane Produkte auf den Markt kommen. Ich lerne hierbei immer wieder dazu, was nachhaltig ist und was nicht. Es ist ein komplexes Thema. Es ist einer der wichtigsten Bereiche, in den jede Person ihren Beitrag leisten kann. Um massiv in die Nachhaltigkeit einzuzahlen, kann man weniger Fleisch konsumieren und vermehrt zu veganen Produkten greifen. Ich bin hierbei nicht das beste Vorbild, da ich sehr gerne Fleisch esse, aber ich versuche, mich zunehmend mit diesem Thema zu befassen. Ich glaube, dass mit der stetig wachsenden Population dies eines der wichtigsten Themen in Anbetracht des Klimaeinflusses sein wird. 

Was gefällt Ihnen sonst noch an der Show «Die Höhle der Löwen»?

Nebst dem, dass es extrem lehrreich ist und ich sehr spannende Unternehmer:innen kennenlerne, ist es auch die Aufgabe der Show, das Unternehmertum zu vermitteln. Das ist auch der Grund, weshalb ich mitmachen wollte. Mir ist bewusst, dass viele Familien und Kinder zuschauen. Wenn es uns gelingt, das Unternehmertum als etwas Erstrebenswertes darzustellen, ist das unglaublich wertvoll. Das ist meine Hauptmotivation und das, was mir am besten gefällt. Bei der Unternehmensgründung gilt: je früher, desto besser. Denn je jünger man beginnt, desto weniger hat man zu verlieren. 

Was sind No-Gos bei der Gründung eines Start-ups?

Bei einem Start-up kann man Tolles bewegen, aber man ist immer einem Risiko ausgesetzt. Deshalb glaube ich, dass das Ziel, möglichst schnell reich zu werden, nicht die richtige Einstellung für den Erfolg ist. Es braucht Leidenschaft und Durchhaltewillen und meistens auch mehr Zeit als angenommen.

Es gibt viele No-Gos, aber viel wichtiger ist die Frage, wieso man überhaupt ein Unternehmen gründen will. Unternehmer:in zu sein, ist etwas Wunderbares. Hierbei gibt es nicht Vorgesetzte, welche sagen, was man zu tun hat. Man kann selbst etwas gestalten, verändern oder nachhaltig machen oder die Welt mit einer neuen Dienstleistung verändern. Die ganze Kreativität ohne erdrückende Vorgaben laufen lassen, ist das Fantastische daran. Die Gründe für die Etablierung eines Start-ups sind wichtiger und dominierender als die No-Gos.

Tobias Reichmuth, Gründer von Maximon, Crypto Finance Group, The Singularity Group und Susi Partners

Tobias Reichmuth, Gründer von Maximon, Crypto Finance Group, The Singularity Group und Susi Partners

Tobias Reichmuth, sind NFTs nachhaltiger als Kryptowährungen?

NFTs können auch eine Art Währung darstellen. Kryptowährungen als solche dürfen nicht generalisiert werden, da es nicht nur eine Blockchain gibt. Eine Transaktion auf der Bitcoin-Blockchain braucht derzeit noch relativ viel Energie, es gibt aber auch Transaktionen, die in sogenannten Layer-1-Protokollen stattfinden. Dies ist eine energieeffizientere übergeordnete Struktur. Generell wird das «Proof of Work» teilweise vom «Proof of Stake-Prinzip» abgelöst. Anstelle davon, dass eine grosse Menge an Computern eine Transaktion bestätigen müssen, werden nur wenige ausgewählte benötigt. 

Zudem darf man nicht vergessen, dass herkömmliche Transaktionen, beispielsweise mit einer Visa-Karte, genauso Energie verbrauchen. Hinzu kommt, dass immer mehr Blockchain-Rechner mit Grünstrom betrieben werden. Solange man ein NFT ersteigert und dieses behält, ist der Energieaufwand nahezu null. Anzumerken ist, dass gerade bei sehr grossen Summen eine Blockchain-Transaktion deutlich günstiger sein kann als eine klassische Überweisung.

Bei Ihrem ehemaligen Unternehmen Susi Partners sowie auch The Singularity Group stehen Investitionen in Infrastruktur und Aktien im Vordergrund, also keine eigene Herstellung. Wollten Sie je ein Unternehmen gründen, das selbst Produkte herstellt?

Das habe ich nun gemacht. Bei Maximon geht es darum, die Alterung zu verlangsamen und Menschen ein langes und glückliches Leben ohne altersbedingte Krankheiten zu ermöglichen. In diesem Kontext gründen wir auch herstellende Unternehmen, zum Beispiel Avea-Life. Hier stellen wir wissenschaftlich fundierte Supplements in Form von Pillen und Pulver her, die man einnehmen kann, wenn man die Alterung verlangsamen und das Energielevel erhöhen will. 

Was finden Sie nun spannender: ein Investmentunternehmen oder eines, das Produkte herstellt? 

Mir geht es schlussendlich immer um die Mission dahinter: Warum gibt es die Firma? Ich habe mir damals im Jahr 2009, als ich Susi Partners gegründet habe, überlegt, wie ich persönlich am meisten Einfluss auf die Aufhaltung des Klimawandels nehmen kann. Die beste Möglichkeit war damals im grossen Stil in erneuerbare Energien zu investieren. Unterdessen haben wir mehr als CHF 2 Milliarden investiert. Bei Maximon ist es ähnlich. Wir helfen den Leuten, jung und gesund zu bleiben. Es geht hier nicht um das ewige Leben, sondern darum, dass wir beispielsweise in der Schweiz laut Statistik 83 Jahre alt werden, jedoch nur 71 Jahre davon gesund leben. Demnach lebt die Mehrheit der Menschen zwölf Jahre mit altersinduzierten Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer oder Krebs. Die Wissenschaft hat grosse Schritte gemacht und wir haben uns die Mission gegeben, aus wissenschaftlichen Errungenschaften Produkte herzustellen, die den Leuten helfen, gesund alt zu werden, respektive länger jung zu bleiben. 

Inwiefern sehen Sie Ihr neues Unternehmen Maximon als nachhaltig?

Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf die Umwelt. Mit Maximon arbeiten wir an der sozialen Komponente und werden das Gesundheitswesen in der Zukunft entlasten: Menschen leben länger gesund, sind glücklicher und weniger Krankenkassenkosten fallen an. Hier steht also nicht die Umwelt, sondern das Wohl des Menschen und der Gesellschaft im Vordergrund. Als Firma ist es uns aber wichtig, möglichst wenig zu fliegen. Unser Geschäftsauto ist ein Tesla und unsere Büros sind bewusst in der Nähe des Bahnhofs gewählt, sodass die Mitarbeitenden mit den ÖV anreisen können. Das Konzept von der Nachhaltigkeit ist mir bei allem, was ich mache, wichtig. 

Sie sammelten schon Geld für die Organisation SOS Kinderdorf und führten Unternehmen, welche nachhaltige Investitionen unterstützten. Wie kommt es, dass Ihr Handeln stets einen sozialen Hintergrund pflegt?

Wahrscheinlich nicht stets. Wie jeder Mensch, leiste auch ich mir ab und zu Sachen, die nicht ganz ideal sind. Das beginnt beim Fliegen in die Ferien. Hier versuche ich aber, bei all meinen Flügen, CO2 zu kompensieren. Ich versuche mir bei meinen Handlungen zu überlegen, was gut für die Welt und somit für die nachkommende Generation sein kein. 

SOS Kinderdorf ist eine grossartige Organisation. Ich hatte die Möglichkeit, diese zu unterstützen in Kombination mit einer Weltreise. 

Das heisst, der finanzielle Aspekt steht bei Ihnen nicht über dem sozialen Aspekt?

Absolut nicht. Ich bin sehr stark der Meinung, dass jene Unternehmen, die nachhaltig und sozial sind, langfristig profitabler sein werden. Ich würde niemandem anraten, langfristig in eine Erdölfirma zu investieren, denn CO2-Emissionen werden ständig teurer. Dies wird Öl immer weniger kompetitiv machen. Leider ist in vielen Köpfen immer noch verankert, dass Gutes tun mit Kosten verbunden ist. Es ist durchaus möglich, mit guten Taten Geld verdienen zu können – «doing well by doing good» also. Nachhaltige Anlagen sind der beste Beweis dafür.

Bei der Sendung Die Höhle der Löwen sitzen Sie in der Jury. Müssen die Unternehmen nachhaltig sein, damit Sie diesen einen Deal anbieten?

Nein, es darf aber auch nicht das Gegenteil sein. Das Unternehmen darf letztendlich nicht aktiv zum Klimawandel beitragen.

Da waren sich fünf Löwen einig: feey konnte bei «Die Höhle der Löwen Schweiz» überzeugen.

Da waren sich fünf Löwen einig: feey konnte bei «Die Höhle der Löwen Schweiz» überzeugen.

Lukas Speiser, Mitgründer und CEO von Amorana

Lukas Speiser, Mitgründer und CEO von Amorana

Lukas Speiser, Sie haben Ihre Firma Amorana verkauft. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Wir haben Amorana mit der Intention gegründet, den ganzen Start-up-Prozess, inklusive Verkauf, durchzumachen. Die Entscheidung, die Firma einmal zu verkaufen, haben wir in diesem Sinne schon vor der Gründung getroffen. Obschon wir sie verkauft haben, sind der Mitgründer Alan Frei und ich weiterhin aktiv in der Firma tätig.

Was planen Sie für Ihre berufliche Zukunft?

Ich arbeite weiterhin bei Amorana als CEO. Zusammen mit der Lovehoney Group, welche Amorana im September 2020 gekauft hat, arbeiten wir daran, jedem Menschen ein glückliches und erfülltes Sexualleben zu ermöglichen. Der offene Umgang mit Sexualität und Sextoys ist in vielen Ländern noch nicht selbstverständlich. In der Schweiz konnten wir in den letzten acht Jahren viel zu dieser Offenheit beitragen. International liegt noch ein langer Weg vor uns. Neben meiner Arbeit bei Amorana unterstütze ich zusätzlich die Start-ups aus «Die Höhle der Löwen Schweiz». Ich versuche, in diese nebst Geld auch mein Know-how zu investieren. Mein Ziel ist es, ihnen zu ermöglichen, schneller zu wachsen und vermeidbare Fehler zu umgehen.

Sie erwähnten einst, dass man durch die Gründung eines Start-ups viel mehr arbeiten muss und nicht etwa dem «9 to 5 Model» ausweichen kann. Denken Sie nicht, dass dies langfristig zu einer verkürzten Arbeitszeit führen könnte?

In der Anfangsphase ist das unumgänglich. Eine Idee muss ausgearbeitet werden und das kann man nur schlecht delegieren. Wenn eine Firma einmal eine gewisse Grösse erreicht hat und etabliert ist, liegt die Entscheidung schlussendlich beim Gründer oder der Gründerin. Dies wird aber bei den meisten Start-ups erst nach mehreren Jahren der Fall sein. Wenn jemand also weniger arbeiten möchte, wird sie oder er in einem Start-up wahrscheinlich nicht glücklich.

Gibt es gewisse Eigenschaften, die Start-up-Gründende brauchen, um erfolgreich zu werden? Welche Faktoren entscheiden über den Erfolg von Start-up-Gründungen?

Ideen gibt es viele. Der Erfolg liegt oft in der Umsetzung. Eine gute Idee, die schlecht ausgeführt wird, wird kaum Erfolg haben. Daher müssen Gründer:innen bereit sein, viel Zeit und Arbeit in die Umsetzung zu investieren. Zudem kommen auf alle Gründer:innen unvorhersehbare Herausforderungen zu. Das setzt sehr viel Ausdauer voraus. Ohne diese wird man zu schnell aufgeben.

Wird der Verkauf Ihres Unternehmens Ihre Investitionen in die Sendung «die Höhle der Löwen» beeinflussen?

Die in 2021 ausgestrahlte Staffel von «Die Höhle der Löwen Schweiz» wurde nach dem Verkauf von Amorana gedreht. Durch den Verkauf hatte ich die nötigen Mittel, um ein diversifiziertes Start-up-Portfolio aufzubauen. Dies ist nötig, da Start-up-Investitionen sehr risikobehaftet sind und man auch mit Totalabschreibern rechnen muss. Vor dem Verkauf von Amorana wäre dies für mich nicht möglich gewesen.

Bettina Hein, Gründerin Svox, Pixability und Juli

Bettina Hein, Gründerin Svox, Pixability und Juli

Bettina Hein, Sie haben schon mehrere Unternehmen gegründet. Wie gehen Sie bei der Gründung eines Unternehmens vor? Was löst bei Ihnen den Gedanken aus «das wird erfolgreich»?

Bei mir sind das immer zwei Sachen. Einerseits erkenne ich durch die eigene oder die Erfahrung anderer ein Problem, das gelöst werden kann. Erstmal muss Leidenschaft für die Sache da sein, sonst hält man das nicht zehn Jahre durch. Im Anschluss kommt eine Analyse des Marktes hinzu. Dieser muss mehrere Milliarden gross sein, um skalieren zu können. Es ist schwierig, wenn man sich einen kleinen Markt aussucht. In diesem Fall muss die ursprüngliche Idee zu 100 Prozent klappen und es gibt wenig Platz für Fehler oder Veränderungen.

Bei meinem Unternehmen Juli beispielsweise habe ich mir den amerikanischen Gesundheitsmarkt ausgesucht. Für diesen werden jährlich drei Trilliarden Dollar ausgegeben. Das heisst, wenn die ursprüngliche Idee nicht funktioniert, dann macht man einen sogenannten «Pivot». Hierbei wird die Richtung des Unternehmens verändert, um etwas zu finden, wofür eine genügend grosse Zahlungsbereitschaft besteht und das skalierbar genug ist. Das sind eigentlich die zwei Prinzipien, die ich anwende, bevor ich ein Unternehmen gründe. Zusätzlich muss man viele Gespräche mit potenziellen Kund:innen führen, um das Kaufinteresse einschätzen zu können.

Ihr zweites Start-up haben Sie in den USA gegründet. War demnach der Grund der grössere Markt?

Ich habe die Primarschule in den USA besucht und letztendlich 18 Jahre meines Lebens dort verbracht. Im Jahr 2006 bin ich dann gemeinsam mit meinem Mann in die USA gezogen, um ein IT-Studium zu absolvieren. Deshalb war es naheliegend, das Start-up in den Vereinigten Staaten zu gründen. Ausserdem war das Start-up-Ecosystem in Europa nicht besonders fortgeschritten. Ich wollte von den Besten lernen und in der obersten Liga mitspielen. In Europa gibt es sehr gute Technologien, aber punkto Kommerzialisierung und Marketing sind die Amerikaner:innen einfach besser. Das wollte ich lernen, da bei der ersten Firma die Technologie brillant war, aber wir von den Amerikaner:innen im Bereich Marketing übertroffen wurden.

Was ist das Wertvollste, das Sie als Unternehmerin gelernt haben? 

Ich bin überzeugt davon, dass eigentlich jede:r Unternehmer:in werden kann. Hiefür braucht es nur drei Dinge: Das Erste ist Naivität, denn wenn man wüsste, was auf einen zukommt, würde man nie damit anfangen. Das Zweite ist Chuzpe, Jiddisch für Unverfrorenheit. Man muss den Mut haben, allen mit Überzeugung von seiner Idee erzählen zu können, selbst wenn das Produkt noch nicht perfekt ist. Zuletzt folgt noch das Durchhaltevermögen, da die Gründung eines Unternehmens zehn Jahre dauern kann. Es ist ein Mythos, dass man ein Unternehmen in nur 18 Monaten aufbaut und im Anschluss für eine Milliarde verkauft, wie das bei Instagram beispielsweise war. Findet man innerhalb von ein oder zwei Jahren keine Kunden oder externen Investoren, die das Wachstum finanzieren, muss man ernsthaft in Frage stellen, ob es sich lohnt, weiterzumachen oder, ob etwas Grundsätzliches an den Produkten oder dem Zielmarkt geändert werden muss. Nur eine von 100 Firmen wird mit der ursprünglichen Idee gross, daher ist Flexibilität wichtig.

Es gibt viele Unternehmer:innen, die so stur an einer Idee festhalten, dass sie zehn Jahre mit etwas verbringen, wobei letztendlich nichts zustande kommt. Das ist schade um die Lebenszeit.

Wie wichtig ist es, in einem Unternehmen Risiken einzugehen und wie sind diese abzuschätzen?

Das kommt ganz darauf an, in welcher Branche die Firma tätig ist. Wenn sich beispielsweise ein:e Treuhänder:in oder Ernährungsberater:in mit Expertise selbstständig macht, gehen diese kleinere Risiken ein. Ich hingegen bin Spezialistin für «Venture Capital»: finanzierte Technologiefirmen, die in einem innovativen Bereich tätig sind, wobei die Erfolgsaussichten unklar sind. Im Bereich der Technologie gehe ich gerne ein hohes Risiko ein und baue Firmen mit auf.

Risiko ist etwas Subjektives. Mir bereitet es Freude, da ich immer Neues lerne und mich laufend beweisen muss. Es gibt aber auch lukrativere Dinge, in die man Zeit investieren kann. Die Gründung erfordert viel Arbeit und Verzicht. Man muss sehr genau wirtschaften und das über ein Jahrzehnt. Ein Unternehmen zu gründen, ist eine Lifestyleentscheidung. Für mich und meinen Mann ist es ein Vergnügen. Er ist jetzt Investor und ich gründe wieder eine neue Firma. «Die Höhle der Löwen» ist sozusagen ein Hobby. Ich finde es super, junge Unternehmer:innen zu unterstützen.

Was ist Ihnen am wichtigsten bei einer Investition bei «Die Höhle der Löwen»?

Zuoberst steht das Team. Dann kommt der technologische Ansatz dahinter, welcher mir wichtig ist. Ich verstehe zu wenig von der Gastronomie, Retail-Konzepten, Kleidern oder Kosmetik. Als Investorin wäre ich für solche Firmen dahingehend kaum wertvoll. Aber wenn es um Software und Technologie geht, kann ich einiges beitragen. Manchmal lasse ich mich zu einem Unternehmen ausserhalb meines Kernbereichs hinreissen, weil ich die Gründer:innen toll finde. Letztendlich müssen die Persönlichkeiten des Teams, der Sektor und die Marktgrösse passen, das sind die drei wichtigsten Pfeiler.

Bilder CH Media (Andrea Camen, Paesche Weidmann)

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17.03.2022
von Melanie Cubela
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