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Deutschland Energie

Fachkräftemangel in der Energie- und Greentech-Branche gefährdet Wohlstand in Deutschland

20.01.2024
von Cedric Keiser

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und betrifft nahezu alle Branchen. Da der Energie- und Greentech-Sektor bei der Umsetzung der Energiewende eine besonders entscheidende Rolle spielt, wiegt der Fachkräftemangel in diesem Berufsfeld umso schwerer. Gelingt es Deutschland nicht, dieses Problem in den Griff zu bekommen, könnte sogar der gesellschaftliche Wohlstand auf dem Spiel stehen.

Dirk Werner, Leiter Themencluster Berufliche Qualifizierung & Fachkräfte, Institut der deutschen Wirtschaft


Dirk Werner
Leiter Themencluster Berufliche Qualifizierung & Fachkräfte, Institut der deutschen Wirtschaft

Dirk Werner ist Mitarbeiter im Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und beschäftigt sich mit seinem Team unter anderem mit dem Thema Fachkräftesicherung. Das IW hat eine Fachkräftedatenbank aufgebaut, in der offene Stellen und Arbeitslose erfasst werden. Mit einer besonderen Methode werden daraus Fachkräftelücken berechnet: Anhand der Meldequoten aus der Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden die offenen Stellen erfasst und auf ganz Deutschland hochgerechnet. Wenn es in einem Beruf, einer Branche oder einer Region mehr offene Stellen als Arbeitslose gibt, besteht Fachkräftemangel. Dirk Werner betont, dass diese Methode aber nicht das ganze Ausmaß des Fachkräftemangels erfasst: »Mit dieser Berechnungsmethode erfassen wir nur den unteren Rand der Fachkräftelücke. Denn die Arbeitslosen sind häufig nicht so mobil, um etwa für eine Arbeitsstelle das Bundesland zu wechseln, oder Unternehmen haben spezifische Anforderungen an die Berufserfahrung.«

Rasche Erholung nach der Coronapandemie

Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten zehn Jahren positiv entwickelt: Die Beschäftigung ist deutlich gestiegen und die Arbeitslosigkeit hat sich fast halbiert. Während der Coronapandemie mussten einige Unternehmen Personal entlassen. Dieser kurzfristige Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte jedoch zu einem größeren Teil ausgeglichen werden, sodass heute bereits wieder 510 000 qualifizierte Fachkräfte auf dem Markt fehlen. Der Fachkräftemangel zieht sich durch alle Qualifikationsniveaus, von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung über Meister:innen und Techniker:innen bis hin zu Akademiker:innen. Es gibt aber auch Berufe, in denen es einen Überhang an Arbeitslosen gibt: Dies betrifft beispielsweise Hausmeister:innen, Fahrzeugführer:innen im Straßenverkehr oder Büro- und Sekretariatskräfte.

Akademische Berufe besonders unterbesetzt

Der Fachkräftemangel in der Energie- und Greentech-Branche ist keine Ausnahme, denn in den meisten Branchen gibt es derzeit einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Besonders unterbesetzt sind akademische Berufe, weshalb die Zahl der Student:innen dringend erhöht werden sollte. So fehlt es beispielsweise an unzähligen Expert:innen in der regenerativen Energietechnik, der Energie- und Kraftwerkstechnik und Elektroingenieur:innen. Diese Berufe sind mittlerweile häufig so komplex, dass ein Hochschulstudium oder eine Fortbildung notwendig sind, um sich die erforderlichen Kompetenzen anzueignen. Aber auch bei Tätigkeiten auf Berufsbildungsniveau gibt es einen starken Fachkräftemangel, der zu einem drastischen Anstieg der offenen Stellen führt.

Um Auszubildende zu gewinnen, bieten einige Betriebe eine Vier-Tage-Woche an. Das kostet die Betriebe viel Geld, verschafft ihnen aber einen Vorteil im Wettbewerb um die Generation Z.

Ein Teilerfolg ist, dass in einigen für die Energiewende besonders relevanten Engpassberufen wie zum Beispiel Dachdecker:innen gegen den demografischen Trend mehr Auszubildende gefunden werden. Der Bedarf in diesen Berufen wächst jedoch weiter und die steigende Zahl der Auszubildenden kann dies nicht ausgleichen. In dieser schwierigen Situation greifen einige Ausbildungsbetriebe zu außergewöhnlichen Angeboten: »Um Auszubildende zu gewinnen, bieten einige Betriebe eine Vier-Tage-Woche an. Das kostet die Betriebe viel Geld, verschafft ihnen aber einen Vorteil im Wettbewerb um die Generation Z.«

Ungenutztes Potenzial bei Frauen

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat in den letzten Jahren stark zugenommen, aber viele von ihnen arbeiten nur in Teilzeit. »Wir brauchen mehr Angebote in der Ganztags-Kinderbetreuung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.« Die Energiewirtschaft braucht dringend junge Frauen, die vor allem für die technischen Berufe werben, denn dieses Berufsfeld hat bei Frauen ein Imageproblem. Wenn mehr Frauen in MINT-Berufe einsteigen, könnte das den Fachkräftemangel lindern. Dirk Werner weist darauf hin, dass dies bereits Schritt für Schritt, wenn auch zu langsam, gelingt.

Informationsoffensive dringend erforderlich

Eine Ausbildung in Berufen der Energie- und Greentech-Branche bietet beste Zukunftsaussichten und die Tätigkeit ist attraktiv und zukunftssicher. Mit einer Ausbildung in dieser Branche lernen Personen früh im Leben Verantwortung zu übernehmen und verdienen teilweise sogar mehr als Akademiker:innen. Dass es dennoch schwierig ist, Nachwuchs für diese Branche zu gewinnen, macht Dirk Werner deutlich: »Die vielen Vorteile und die große Bedeutung dieser Branche ist bei Eltern, Lehrkräften und Berufsberater:innen noch nicht präsent genug«. Eine Informationsoffensive über die Perspektiven eines Berufs in der Energie- und Greentech-Branche ist daher wichtig. Damit eine Ausbildung in diesem Bereich populärer wird, müssen zwei Faktoren erfüllt sein. Zum einen sollten die Eltern eine Ausbildung in diesem Beruf gut heissen und zum anderen sollte dieser Beruf auch bei Gleichaltrigen »cool« sein. So kann die Vision, Deutschland nachhaltiger zu machen, an Attraktivität gewinnen.

Zwei männliche Fachkräfte installieren Solarpanele auf einem Dach. Symbolbild Fachkräftemangel in der Greentech-Branche

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Langfristige Perspektiven im Energie- und Greentech-Sektor

Die hohe Nachfrage nach Fachkräften wird noch lange anhalten. Der Ausbau von Photovoltaikanlagen und Windrädern hat gerade erst begonnen und auch die anschließende Wartung benötigt viele Arbeiter:innen. »Wenn sich die deutsche Energie- und Greentech-Branche intensiv weiterentwickelt, können die neuen Technologien sogar zum Exportschlager werden, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.« Das hängt aber ganz davon ab, wie sich die Branche in den nächsten Jahren entwickelt.

Zukünftige Entwicklung entscheidet über Wohlstand in Deutschland

Dirk Werner sieht allerdings eine große Herausforderung darin, den Mangel an Fachkräften rechtzeitig zu beheben. »Es wird sich die Frage stellen, wie Deutschland seinen Wohlstand langfristig erhalten kann.« Denn auch die Automobilindustrie ist vom Fachkräftemangel betroffen und könnte die Mobilitätswende gefährden. Zudem will Deutschland die Halbleiterindustrie im Land kräftig ausbauen. Dafür werden viele Fachkräfte benötigt, die derzeit bereits fehlen. Zusätzlich ziehen andere Länder wie die USA derzeit mit hohen Subventionen Arbeitsplätze aus Deutschland ab, was die deutsche Industrie bedroht.

Die Politik muss handeln

Um den Fachkräftemangel rechtzeitig in den Griff zu bekommen, muss Deutschland alle Potenziale nutzen. Dirk Werner fordert deshalb breit gefächerte politische Massnahmen. So schlägt er eine Bildungsoffensive vor, denn »die Kompetenzen der deutschen Schüler:innen sind schlechter geworden. Mittlerweile ist ein ganzes Schuljahr verloren gegangen«. Eine wirksame Bildungsoffensive könne sich positiv auf die Zahl der beruflichen und akademischen Ausbildungen auswirken. Der Fachkräftemangel ließe sich auch abmildern, wenn ältere Arbeitnehmer:innen länger im Beruf blieben. Dazu müsste das Rentenalter angehoben und die Anreize für eine längere Berufstätigkeit gestärkt werden. Dirk Werner betont, dass Deutschland zudem grundsätzlich auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen sei. »Deutschland schafft es nicht mehr, alle offenen Stellen durch die eigene Bevölkerung zu decken. Eine Zuwanderung von ausgebildeten Fachkräften, die in den entsprechenden Berufen arbeiten und dabei wertvolle Erfahrungen sammeln können, bringt viele Vorteile für sie selbst, für Deutschland und für die Herkunftsländer.«

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