Je älter man wird, desto mehr Lebenserfahrung kommt dazu. Ebenso beginnt man über die Jahre hinweg, vermehrt über das Leben zu reflektieren. Was habe ich erreicht? Bin ich glücklich? Viele stellen sich auch die Frage, wie sie nach einer Arbeitsperiode von mehr oder weniger 40 Jahren die restlichen Jahrzehnte verbringen werden.
Ein Blick in die Vergangenheit
Mit dem Alter kommt die Nostalgie und man sehnt sich die energiereichen Zeiten junger Jahre herbei. Die Welt war vor einigen Jahrzehnten noch eine andere. Bevor die Digitalisierung die Welt eroberte, wurde mehr Zeit in der Natur sowie in den Strassen der Städte verbracht und somit war man mehr in der analogen Welt unterwegs. Da man weltweit noch nicht so stark vernetzt war, hatte die Lokalität einen größeren Stellenwert. Die Informationen, Trends oder Promis waren an die jeweilige Gegend angepasst. Anstatt Smartphones, Streaming-Seiten oder Social Media, gab es Gameboys, Ghettoblaster oder Disco-Roller.
Nebst dem Anrufen und SMS-Schreiben waren die bekanntesten Funktionen an den damaligen Handys Spiele wie Snake oder Tetris. Diese reichten bereits, um viele für eine lange Zeit zu unterhalten. Große Musikliebhaber:innen konnten damals den Aufschwung von neu aufkommenden Genres miterleben. Demnach hatten sie gerade Zugriff darauf, neue Musikrichtungen kennenzulernen und zu genießen. Beispielsweise schafften es in den 80er- und 90er-Jahren Heavy Metal, House oder auch Hip-Hop in die Mainstream-Musikszene und wachsen bis heute noch weiter.
Vieles davon, wie die Musik, veränderte sich jedoch über die Jahre. Demnach ist es immer schwerer, die neue Welle zu akzeptieren und offen dafür zu sein, wenn zur eigenen Zeit die Dinge für einen selbst sehr positiv in Erinnerung bleiben.
Mentale Herausforderungen
Zwar steigt mit dem Alter die Lebenserfahrung, jedoch kommen manchmal neue mentale Herausforderungen. Laut Egemen Savaskan, Professor Doktor für Altersmedizin der psychiatrischen Universität Zürich, sind die häufigsten psychischen Krankheiten, Depression, kognitive Störungen, Demenz sowie Abhängigkeitserkrankungen. »Alle diese Krankheitsbilder haben Risikofaktoren, die schon ab jüngeren Jahren relevant werden«, erklärt er.
Dies soll aber niemanden beunruhigen. Je früher sie erkannt werden, desto schneller kann man sie behandeln. Zahlreiche Aktivitäten und Therapiemöglichkeiten sorgen ebenso für eine weiterhin glückliche Zeit. Savaskan schlägt Psycho- und Pharmakotherapie oder auch die nicht-pharmakologischen Therapien vor. Ebenso ist Bewegung ein wichtiger Punkt. »Validierte Therapien sind beispielsweise Musiktherapie, Kunsttherapie, Bewegungstherapie, Tanztherapie, Ergotherapie oder Gedächtnistraining«, so Savaskan. Eine gesunde Ernährung soll auch mehr Energie geben, den Körper entgiften und ein allgemein besseres körperliches Gefühl geben.
Midlife-Crisis und Einsamkeit machen sich ebenfalls breit. Die Frage ist aber, wie man damit umgeht. Diplompsychologin FH Beatrix Angst empfiehlt, sich bei einsamen Bekannten zu melden und ihnen zu sagen, dass man für sie da ist. Das Gefühl zu haben, dass Leute an einen denken, kann einsame Menschen von der Dunkelheit ins Licht bringen. Falls keine sozialen Kontakte vorhanden sind, ist es wieder an der Zeit, neue Freundschaften zu schließen, vielleicht durch Aktivitäten mit viel sozialer Interaktion. Einige begeben sich erneut auf die Suche nach einem Lebenspartner oder einer Lebenspartnerin oder investieren vermehrt Zeit in ihrem familiären Umkreis. »Für Menschen, die keine oder wenige soziale Kontakte haben, bietet ebenfalls die Telefonseelsorge mentale Hilfe an«, empfiehlt Angst.
Die zweite Lebenshälfte glücklich verbringen
Manche rufen Aktivitäten ihrer jungen Jahre zurück, die sie aufgrund der Arbeit oder einer generell zeitengen Periode ihres Lebens nicht mehr machen konnten. Zum Beispiel fangen einige wieder an Musik oder Sport zu machen oder reisen und entdecken die Welt. Naturliebhaber:innen gehen gerne Wandern und genießen die Natur. Stubenhocker:innen nehmen lieber ein Buch in die Hand und lesen. Dabei sollte man sich nicht nur auf wenige Genres begrenzen, sondern offen für Neues sein. Ebenso sind Denkaufgaben und Meditation eine effektive Aktivität, um das Gehirn auf Trab zu halten und das Nervensystem zu regulieren.
Andere wiederum gehen auf ihrer Nostalgiereise zurück zu ihren Lieblingsfilmen oder ihrer Lieblingsmusik. Auch nach mehreren Jahrzehnten wird der Ghettoblaster, Plattenspieler oder der Kassettenrekorder wieder rausgeholt. Ebenso wird wieder ein Blick in die Kartons mit alten Lieblingsbücher geworfen.
Um dem eigenen mentalen Zustand langfristig Stabilität zu geben, ist Selbstreflexion optimal. Alte Ketten und Traumata lösen sich oftmals dann, wenn man mehr Zeit mit seinen Gedanken verbringt. Die eigene Zufriedenheit und Akzeptanz des Selbst und dem, was man bis dato im Leben erreicht hat, ist etwas, was die körperlichen Nachteile in den Schatten stellen kann. Man sollte aber nicht vergessen, dass man auch im mittleren Alter noch vieles dazulernen kann und die Lebenserfahrung stetig weiter wächst.
Anlaufstellen bei Gefühlen von Einsamkeit und sozialer Isolation
Telefonseelsorge Deutschland
Tel. 0800 111 0 111, 0800 111 0 222
Online: online.telefonseelsorge.de
Dargebotene Hand Schweiz
Tel. 143
Online: 143.ch
Telefonseelsorge Österreich
Tel. 142
Online: telefonseelsorge.at
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